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gelebt? Und dennoch ist er nichts anders als eine bequeme Er dichtung der Sittenlehre, um die erworbenen Rechtsame, die zugezogenen Pflichten und Obliegenheiten von den ursprünglichen zu trennen. Der Name hat verführt, man hat den abstracten Begriff für etwas wirkliches gehalten.

Ohne so weit zu gehen, bedenken Sie nur, wie nüglich es in dem gesellschaftlichen Leben der Menschen gewesen, gewiffe feltne Metalle zu allgemeinen Zeichen aller Güter und Habseligkeiten einzusehen, und ihnen einen erdichteten Werth beizulegen. Wohnt ihnen aber kein Erempel bei, daß man diesen erdichteten Werth für wirklich, die Zeichen für die Güter, und durch einen seltsamen Sprung für die Glückseligkeit selbst ge= nommen hat?

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Die unumstößliche Evidenz in der Mathematik beweist nichts für die allgemeine Wahrheit ihrer Grundsäße. Sie sind unlaugs bar, aber nur nach einer gewissen Vorausseßung, die bloß in dem Bezirke der mathematischen Wissenschaften so viel gilt als die strengste Wahrheit. Unser Verstand ist zu eingeschränkt, von allen Eigenschaften der Körper zugleich ohne Verwirrung zu philofophiren. Man hat sie also in der Einbildung trennen müfsen, ob sie gleich in der Natur nie getrennt find. Die Aus dehnung ist eine Eigenschaft des Körpers, in welcher wir die mehresten Merkmale deutlich unterscheiden können. Der Punkt, die Linie, die Fläche, die Ausmessungen nach der Långe, Dicke und Breite, das Verhältniß, die Gleichheit, die Ähnlichkeit u. f. w. sind lauter Bestimmungen der Ausdehnung, die wir deutlich genug wahrnehmen können, wenn wir uns die Ausdeh nung im abstracten Begriffe als eine Substanz vorstellen wollen. Diese deutlichen Merkmale geben Gelegenheit zu den allereinfach sten Grundsägen; und hierauf beruht die große Evidenz der ma thematischen Wissenschaften.

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Die Mechaniker haben den Körper von einer andern Seite betrachtet. Sie haben die Beweglichkeit von seinen übrigen Eigenschaften getrennt, und sogar die Ausdehnung bei Seite gesezt. Man weiß, daß sie öfters den Körper ansehen, als wäre er in einen einzigen Punkt concentrirt. Da sich die Bewegung durch Linien ausmessen läßt, so haben sie sich der Grundsäße der Mathematiker bedienen können; daher geben sie in Ansehung der Evidenz den mathematischen Wissenschaften nichts nach.

In der Ontologie sondert man auch die Zusammenseßung von den übrigen Eigenschaften des Körpers ab; man formirt Grundsäße, und beweist nach der Länge, was einem zusammengefeßten Wesen zukommen müsse. Allein die Merkmale der Zusammensehung sind so deutlich, so einleuchtend nicht, als die Merkmale der Ausdehnung; daher fehlt der Lehre von der Zusammensegung (componibilitas) die augenscheinliche Überzeugung, daran sich die Mathematik unterscheidet.

Will man aber von dem Körper überhaupt philosophiren, so müssen die Wahrheiten mit einander verglichen werden, die man von seinen Eigenschaften einzeln herausgebracht. Der Mechanikus muß die Ausdehnung, und der Meßkünstler sowohl die Beweglichkeit als das Wesen der Zusammenseßung nicht in Zweifel ziehen wollen; d. h. er muß seine Absonderungen nicht realisiren, er muß nicht mehr darauf dringen, daß eine ståtige Ausdehnung nach der Länge, Breite und Dicke in der Natur vorhanden sei.

Die Ausdehnung nach der Länge, Breite und Dicke bringt mich auf eine Erklärung vom mathematischen Körper, die ich vor einiger Zeit in einem arabischen Weltweisen gelesen. Ich werde sie Ihnen hierher sehen, weil ich sie leicht vergessen könnte. Sie wissen, daß die gemeine Erklärung nicht recht deutlich ist. Hören Sie nun, wie sich mein Araber ausdrückt. Es ist Abu Chamed in seinen Lehrmeinungen der Weltweisen". Eine Ausdehnung", sagt er, innerhalb welcher man ,,aus einem einzigen Punkte drei Linien ziehen kann, die wech= ,,felsweise auf einander senkrecht stehen, wird ein Körper, die Linien aber Långe, Breite und Dicke genannt". Was důnkt Ihnen von dieser Erklärung? Sie seht nichts als Punkte, Linien und rechte Winkel voraus, die man alle nach mathematischen Begriffen, unabhängig von der Definition des Körpers,

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erklären kann.

Macht Sie diese Erklärung nicht bald begierig

meinen alten Araber näher kennen zu lernen?

24ster Brief.

Nichts von dem Araber! unsere neueren Weltweisen müssen vorangehen, denn unsere Zeiten sind älter. Sie werden nunmehr Reinhard's Examen de l'Optimisme vermuthlich durchgelesen haben. Gestehen Sie mir, so wenig Wolfianer Sie auch seyn mögen, sind nicht seine stärksten Einwürfe, auf die er sich am meisten zu gute thut, fehlerhafte Versehungen der Begriffe aus der Mathematik in die Philosophie? Ja er hat sich nicht einmal die Mühe gegeben, in die Tiefen der Algebra einzudringen. Die Regeln der gemeinen Rechenkunst haben ihm Gründe an die Hand gegeben, verschiedene von Leibnizens Säßen über den Haufen zu werfen; zu beweisen, daß in An sehung einer einzigen Vollkommenheit zwei oder mehrere völlig gleichgültige Ausnahmen statt fånden, daß in diesem Falle der Zustand einer völligen Gleichgültigkeit vorhanden sei, den Leibnig für unmöglich hielt; und daraus den Schluß zu ziehen, daß der Wille eines vernünftigen Wesens nicht allezeit durch die Regel der Vollkommenheit allein gelenkt werden könne. Lassen Sie sich die Buchstaben A und B nicht irre machen, die bisweilen in seiner Abhandlung vorkommen. Es ist nichts als gemeine Arithmetik. Er schließt ungefähr folgendergestalt *): ,,Man nenne die Hauptregel der Vollkommenheit A, eine ihr ,,untergeordnete Regel a; den Mangel, welcher entsteht, wenn ,,die Ausnahme von der Regel A geschieht, B; so wie den von ,Seiten der untergeordneten Regel a entstehenden b. Nun ver ,,halte sich die Quantität der Vollkommenheit in A zu der in ,,a=3:1; der Mangel B in Ansehung der Regel A 1:9; ,,der Mangel b in Ansehung der Regel a=1:3". In diesem Falle, sagt Hr. Reinhard, ist es völlig einerlei, von

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*) S. 27.

welcher Seite die Ausnahme geschieht. Sie mag von der allgemeinen oder von der untergeordneten Regel gemacht werden, so beträgt der Mangel in beiden Fällen nicht mehr und nicht weniger als 9.

Diesen Sah macht er in der Folge allgemein, und drückt ihn folgendergestalt aus: wenn ein vernünftiges Wesen durch ,,den Streit verschiedener Regeln der Vollkommenheit genöthigt ,,wird, eine Ausnahme zu machen, und es findet, daß allezeit, ,,die Ausnahme mag geschehen von welcher Seite man will, ,,nicht mehr und nicht weniger Vollkommenheit gewonnen und ,,verloren wird; so ist das vernünftige Wesen alsdann in dem ,,Zustande der völligen Gleichgültigkeit zwischen den verschiedenen ,,möglichen Ausnahmen". Hierdurch wird das ganze Leibnitische Lehrgebäude niedergerissen.

Wenn wir solche handgreifliche Fehler in den Lehren eines großen Mannes zu finden glauben, so sollten wir billig einiges Mißtrauen in unser Urtheil sehen. Gemeiniglich pflegt alsdann der Irrthum auf unserer Seite zu seyn. Sie werden bald sehen, daß sich Hr. Reinhard in diesem Falle befunden.

Wenn man eine Größe ausmessen will, so muß man ein bestimmtes Maaß annehmen, mit welchem entweder das Ganze oder verschiedene Theile desselben gleich groß sind. Dieses gilt sowohl von der intensiven als von der extensiven Quantitåt. Wenn die Einheit, oder das Maaß, das ich annehme, mit der auszumessenden Größe weder im Ganzen noch in den Theilen übereinkommt, so fällt die Möglichkeit des Ausmessens weg. Dieses wird Hr. Reinhard eingestehen.

Nun behaupten die Leibnizianer, und man hat sie hierin noch nie widerlegt, zwei vollkommen gleiche Größen fånden nur alsdann statt, wenn man mit den Mathematikern die Qualität bei Seite seht, und von der Quantitåt im abgesonderten Begriffe redet. In der Natur, wo sich die Quantität allezeit auf die Realität bezieht, beweisen sie, daß zwei vollkommen gleiche Größen eben so wenig vorhanden seyn können, als zwei vollkommen ähnliche oder übereinkommende Dinge (congruentia). Reinhard läugnet zwar den Saß des Nichtzuunterscheidenden. Warum hat er aber die Beweise nicht entkräftet, die Wolf und Baumgarten davon gegeben? Er muß sie nicht gelesen haben, wenn er glaubt, die ganze Kraft ihres Beweises beruhe nur darauf, daß der Schöpfer keinen zureichenden Grund gehabt hätte, eines

von den ähnlichen Dingen hier-, das andere dorthin zu sehen. Dieses ist das schwächste unter ihren Beweisthümern.

Die Leibnizianer sind also berechtigt, sich eines Sahes, den ihr Gegner nicht widerlegt hat, zu ihrer Vertheidigung zu be dienen. Nimmt man nun den Sah des Nichtzuunterscheidenden in der allgemeinsten Bedeutung, so kann man in dem strengs sten philosophischen Sinne niemals sagen, diese Ausdehnung, dieser Grad verhalte sich zu einem andern, wie 1:3. Denn dieses seht zum voraus, daß ein Theil der größern Quantität der kleinern völlig gleich sei. Man kann nicht sagen, zwei Summen von Realitäten wären sich einander völlig gleich, weil die eine durch die Menge dasjenige ganz genau erseht, was ihr am innern Werthe fehlt. Man kann eben so wenig sagen, zwei verschiedene Ausnahmen könnten einen gleich großen Mans gel verursachen. Wenn ein Ding dem andern gleich groß, oder vollkommen ähnlich seyn soll, so muß es eben dasselbe Ding seyn. Nunmehr laufen Sie des Hrn. Reinhard Abhand lung noch einmal durch, wenn Sie Geduld übrig haben, und fagen Sie mir, ob ein einziger von seinen Einwürfen Stich hålt? Was kann er ausrichten, wenn er solchen Gegnern arith metische Gründe vorlegt, ohne zu beweisen, daß sie in der Metaphysik angewendet werden können?

25ster Brief.

Ich muß einem Einwurfe zuvorkommen, den Sie mir viels leicht machen könnten. Wenn kein genaues Verhältniß zwischen den Graden statt findet, dürften Sie einwenden: wie haben denn einige Weltweise eine Mathesin intensorum gewünscht, und Baumgarten sogar die ersten Linien dazu entworfen? Doch Sie können mir diesen Einwurf nicht machen. Das richs tige Verhältniß findet sowohl in der Meßkunst der Grade, als in der Meßkunst der Ausdehnung statt, wenn man die Quan titåt im abgesonderten Begriffe betrachtet, und die Qualität bei Seite seßt. Daraus aber rückgängig zu schließen, daß es auch im concreten Begriffe eine völlige Gleichheit oder ein genaues

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