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Es gelang unserm Naturforscher, sich von dieser ÄhnlichFeit zu überzeugen. In einer trächtigen Hündinn fand er eine Frucht, die der vorhin angeführten menschlichen ähnlich war. Was aber dort wie das Schwänzchen eines Saamenthierchens aussah, hatte sich hier in den Rückgrat verwandelt. Die Wirbelbeine und die Seiten-Fortsäge waren durch ein mittelmäßiges Glas zu erkennen; die spißigen Fortsähe aber waren noch nicht gebildet. An den mit Blut gefüllten Körperchen zeigte sich die Aorta. Was konnten sie selbst also anders seyn, als die Herzkammern? Hieraus schloß Lieberkühn nicht nur mit mehrerer Gewißheit, daß die Frucht wirklich aus einem Saamenthierchen entspringe; sondern er gerieth auf eine neue Wahrheit, daß nämlich das Schwänzchen des Saamenthierchens zum Rückgrat werde. Diesen Gedanken erinnere ich mich auch schon in Haller's Anmerkungen über die Boerhavischen Vorlesungen angetroffen zu haben. Allein Lieberkühn hat diese Hypothese fast in eis nen Erfahrungssag verwandelt.

Er legte die Hypothese zum Grunde: „das Schwänzchen ,,des Saamenwürmleins wird zum Rückgrade des künftigen ,,Thiers". Aus dieser zog er Folgerungen, und verglich sie mit der Erfahrung; wenn Sie ihm anders glauben wollen, daß er erst geschlossen und hernach Erfahrungen angestellt habe. Wenigstens haben wir keinen Grund, feine Aufrichtigkeit hierin in Zweifel zu ziehen; und ich glaube, Hr. Lieberkühn habe wenig Muße gehabt, verlorne Versuche anzustellen. Er schloß also fol. gendergestalt: Die Fische müssen nach dieser Vorausseßung an ihren Saamenthierchen lange, aber schwer zu erkennende Schwänze haben; denn sie haben viele Wirbelbeine, aber ihre Knochen sind durchsichtig. Die Frösche und die Schnecken müssen Saamenthierchen ohne Schwänze haben, denn sie haben keine Wirbelbeine. Un den Thierchen der Schildkröten muß etwas besonderes zu sehen seyn. Denn weil sie das Schild statt des Rückgrats haben, so müssen ihre Saamenthierchen hinten dick, unbeweglich, und mit keinen Schwänzen versehen seyn. Da sie aber vorn einen Hals mit einem kleinen Kopf haben, der beweglich ist, so müssen die Saamenthierchen derselben vorn so etwas wie ein Schwänzchen haben, sich damit bewegen, und also mit dem, was sonst das Köpfchen zu seyn pflegt, hinten nach, mit dem Schwanze aber voranrücken; denn sonst müßte sich das Thier wirklich rückwärts bewegen.

Alle diese kühnen Vermuthungen trafen ein. Man liest mit so viel Erstaunen als Vergnügen, wie genau Lieberkühn die Erfahrung mit seinen vorher gemachten Schlüssen hat übereinstimmen sehen. Die Natur scheint sich gleichsam nach den Einfällen ihres Lieblings bequemt zu haben.

Ein jeder Liebhaber der Wahrheit muß diese Beobachtungen von einem geschickten Naturforscher wiederholt zu sehen wünschen. Wenn man sie bewährt fånde, so würde es um manche gekünstelte Lehrgebäude von der Erzeugung gethan seyn, die bisher Aufsehen gemacht haben. Die innerlichen Formen" des Buffon, die,,plastischen Maschinchen", das,,Mengsel vom mánnlichen und weiblichen Saamen“, und taufend andere wohlausgesonnene Kunstwörter, die man für Lehrbegriffe gehalten hat, würden der einfältigen und ungekünftelten Wahrheit Plak machen müssen.

29ster Brief.

Sie finden den aus dem Cicero angeführten Sah zwar nicht ungereimt: singularum rerum singulas proprietates esse, oder wie ich ihn mit andern Worten ausgedrückt: nichts kommt einem Dinge völlig fo zu, wie es einem andern Dinge zukommt. Sie möchten ihn aber nicht gern für die Langeweile annehmen. Die Erfahrung scheint für ihn die Gewähr zu leisten; allein Sie fordern Beweise, dadurch die Allgemeinheit eines Grundsaßes außer Zweifel gesezt werden muß. Vielleicht kann ich Sie befriedigen! Ich muß mich aber vorerst erklären, wie ich diesen Sak verstehe. Man läugnet, wie mich dünkt, keinesweges, daß eben dieselbe beständige oder veränderliche Eigenschaft vers schiedenen Dingen zukommen kann; man ist nicht in Abrede, daß der abgezogene Begriff des Geschlechts in allen darunter enthaltenen Arten, so wie der abgezogene Begriff einer Art in allen einzelnen Dingen anzutreffen sei, die sie in sich begreift. Man behauptet aber, daß dieser abgezogene Begriff des Ger schlechts in verschiedenen Arten verschiedene Bestimmungen und Einschränkungen erhalte, dergestalt daß er einer Art nicht völlig so zukommen könne, wie einer andern; und dieses gilt auch von

>en Bestimmungen, welche die Art ausmachen, in Ansehung der einzelnen Dinge: dergestalt, daß keine einzige Bestimmung zweien Dingen auf eine völlig ähnliche Weise zukomme. Wenn Cicero die angeführten Worte nicht so verstanden, so hätte er sie meines Bedünkens doch so verstehen sollen.

Die Wahrheit dieser Behauptung zu beweisen, bediene ich mich des Baumgarten'schen Grundfahes, daß nichts in der · Welt ohne Folgen sei" *). So wenig ein Ding ohne zureichenden Grund ist, daraus sich alles verständlich erklären läßt, was dem Dinge zukommt; eben so wenig ist etwas so unfruchtbar, daraus nichts folgen, dadurch sich nichts sollte erElåren lassen. Ich sehe diesen Grundsak als bewiesen zum

voraus.

Nun sei a diejenige Bestimmung, die zwei Dingen, b und c, auf eine völlig ähnliche Weise zukommen soll. wird also in b mit den übrigen Bestimmungen d, e, f u. f. w.; in c aber mit den Bestimmungen g, h, i u. s. w. verbunden seyn. Die Verschiedenheit der übrigen Bestimmungen, mit wel chen die Bestimmung a in verschiedenen Vorwürfen, b und c, verbunden ist, kann in Ansehung dieses a selbst nicht ohne alle Folgen seyn. Daher muß a in dem Vorwurfe b andere Eins schránkungen und Abänderungen leiden als in dem Vorwurfe c, und folglich beiden nicht völlig auf eben die Weise zukommen. Aus dem angenommenen Sage also, daß etwas zwei Dingen auf eine völlig ähnliche Weise zukommen könne, sind wir durch eine bündige Schlußfolge auf den entgegenstehenden Sah gekommen, daß nämlich nichts einem Dinge so zukommen könne, wie es einem andern Dinge zukommt; und also wåre mein Sah erwiesen.

Damit Sie aber auch an der Fruchtbarkeit dieses Grundsages nicht zweifeln; so will ich Ihnen einige Folgerungen hersehen, die sich aus dem Saße des Nichtzuunterscheidenden, wie er in den Schulen gelehrt wird, nicht ohne Umschweif beweisen lassen, aus diesem weit allgemeinern Grundsaße aber gleichsam von selbst fließen. Diese sind:

1) keine Eigenschaft kann mehr als einer einzigen Selbstständigkeit im höchsten Grade zukommen;

*) Nihil est sine rationato. Baumg. Metaph. §. 23.

2) einem zusammengeseßten Wesen kann nicht eine einzige Bestimmung im höchsten Grade zugeschrieben werden;

3) ein Wesen, dem eine einzige Eigenschaft im höchsten Grade zukommt, muß auch alle übrige Eigenschaften im höchsten Grade besigen, und folglich unveränderlich seyn;

4) es giebt so wenig vollkommen harte und elastische, als vollkommen dichte und lockere Körper in der Natur; denn auch die Eigenschaften, die Phänomena sind, können dem Körper nicht im höchsten Grade zukommen.

Alle diese wichtigen Säge ergeben sich von selbst, wenn wir den Sah des Nichtzuunterscheidenden auf alle mögliche Accidentien ausdehnen, die einem Wesen zukommen können. Die Beweise davon belieben Sie selbst in schulgerechte Form zu bringen.

Aus dem zweiten Theil.

XVI. Den 19 April 1759.

34fter Brief.

Kennen Sie einen deutschen Professor, der Leibniz des Hylozoismi *) beschuldigt und beim Glissonius das ganze Leibnißische System zu finden geglaubt hat? Hier ist eine kleine Dissertation, die im Jahr 1758 zu Gröningen herausgekommen, in welcher die Sache unsres großen Leibniz gründlich vertheidigt wird. Sie führt den Titel: Friderici Adami Widderi A. L. M. Phil. Dr. et Prael. Publ. Dissertatio philosophica

*) Ein Lehrgebäude, nach welchem man der Materie ein Leben zufchreibt; von Ein die Materie, und swý das Leben.

de Hylozoismo et Leibnitianismo. Die philosophischen Kunstrichter pflegen zwar sehr oft Lehrmeinungen verschiedener Weltweisen zusammenzureimen, die in der That kaum einige allge meine Grundsäge mit einander gemein haben. Sie kennen die Systeme der Weltweisen, so wie unsere politischen Geschichtsschreiber die Geheimnisse der Cabinette, nur von der äußern Seite, und wie sie ihnen in öffentlichen Blättern vorgestellt werden. Sie urtheilen aber desto zuversichtlicher, je weniger sie wissen; und da ihnen die Redensarten und Formeln eines jeden Systems geläufig sind, so können sie mit leichter Mühe in den Meinungen der Weltweisen Ähnlichkeiten finden, wo keine sind. Vielleicht sind aber so verschiedene Lehrgebäude als des Glissonius und des Leibniz selten für eins gehalten worden. Was muß der für einen Begriff von Leibnizens System haben, der ihn für einen Hylozoiten hålt?

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Leibnik, der da behauptet, die Materie sei keine wirkliche Substanz, sondern nur eine selbstständige Erscheinung; er, der zu den einfachen Dingen seine Zuflucht nehmen muß, weil er die Eigenschaften der trägen Materie nicht für die Quelle der Bewegung halten kann; der kann doch wohl unmöglich diefer trågen, und nach seinem System bloß leidenden Materie ein Leben zugeschrieben haben? Daß aber Glissonius die Materie wirklich für belebt gehalten, zeigt der bloße Titel seines philosophischen Tractats *). Ich will Ihnen die kurze Parallele zwi= schen dem Leibnißischen und Glissonius'schen Lehrgebäude hersehen, mit welcher Hr. Widder seine Dissertation beschließt. Entgegengesetter können sich kaum zwei philosophische Lehrgebäude seyn!

Glissonius.

Ich nehme keine einfache Substanzen an, aus welchen ,,die Körper bestehen sollten; und halte vielmehr die Materie ,,selbst für eine Substanz, und ihre Natur für ein gewisses be,,lebtes Principium, das sowohl den geistigen als materiellen

*) Tract. de natura substantiae energetica, s. de vita naturae, ejusque tribus primis facultatibus, perceptiva, appetitiva, & motiva. Lond. 1672. 4".

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