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Academie für dieses Jahr *), die eine philosophische Untersuchung der Sprachen zum Gegenstande hat, mit ungemeiner Begierde in die Hände genommen hatte. Die gekrönte Abhandlung des Hrn. Prof. Michaelis in Göttingen ist meines Bedünkens eine von den wichtigsten Schriften, die wir in dieser Materie haben. Die Aufgabe erforderte weit mehr als eine bloße Sprachgelehrsamkeit, sie erforderte auch eine gründliche Kenntniß der Meinungen und eine philosophische Beurtheilungskraft; — Talente, die man selten in einer Person beisammen findet. Man sieht auch, daß unter allen Mitwerbern des Preises der einzige Michaelis der Sache gewachsen scheint; den Verfasser der zweiten Abhandlung in der Ordnung ausgenommen, welcher zur Beantwortung der academischen Frage wenigstens einen sehr sinnreichen Anfang geliefert hat. Da aber dieser gesteht, daß er nicht Zeit gehabt, seinen eigenen Plan auszuführen, so ist gewiß dem Hrn. Prof. Michaelis seine Abhandlung saurer geworden, als seiner Abhandlung der Sieg.

Zwar hat Hr. Michaelis einen gewissen Punkt in der Aufgabe gar nicht berührt, über welchen ich sehr gestußt, als ich ihn gelesen. Die Academie erklärte sich bei der ersten Bekanntmachung der Aufgabe: „in wie weit haben die Meinungen eines ,,Volks einen Einfluß auf ihre Sprache und hinwiederum die "Sprache auf die Meinungen?" in folgenden Ausdrückungen : Hierben kömmt es darauf an, daß man durch verschiedene ,,wohlausgesuchte Erempel zeige: 1) Wie viele wunderliche Wen,,dungen und Ausdrücke es in den Sprachen giebt, welche offen,,bar von gewissen bey denjenigen Völkern angenommenen Mei,,nungen herrühren, wo solche Sprachen ihren Ursprung genommen ,,haben. Dieser erste Punkt dürfte wohl der leichteste seyn. ,,2) Das Wesentlichste würde seyn, in gewissen einer jeden ,,Sprache eigenen Wendungen der Redensarten, in gewissen ,,Ausdrücken, und bis auf die Wurzeln gewiffer Worte den ,,Ursprung dieser oder jener Irrthümer, oder die Hindernisse zu ,,zeigen, warum diese oder jene Wahrheit nicht herauszubringen ,,fen", u. f. w. Ich finde, daß Hr. Michaelis alle Forderungen der Academie gründlich behandelt; aber den legten Punkt, die

*) über den Einfluß der Sprachen in die Meinungen und der Meinungen in die Sprachen.

Hindernisse, warum diese oder jene Wahrheit nicht herauszubringen sei", hat er mit keinem Worte berührt; und der Erfolg hat gezeigt, daß die Academie nur die etwanigen weitern Aussichten hat zeigen wollen, ohne so sehr auf die Ausführung zu dringen.

In der That scheint diese Stelle etwas sehr unbestimmtes zu fordern. Überlegen Sie nur, daß es hier nicht auf die Hindernisse ankommt, warum eine gewisse Wahrheit bei diesem oder jenem Volke schwer oder leicht Eingang gefunden, sondern auf die Hindernisse, warum diese oder jene Wahrheit nicht herauszubringen sei". Der Concipist der Aufgabe scheint also zu vermuthen, es könnten gewiffe Wendungen der Sprachen verhindert haben, daß wir eine oder die andere Wahrheit haben herausbringen können. Er muß ferner voraussehen, diese Wendungen könnten allen bekannten Sprachen gemein, und der Natur derselben so einverleibt seyn, daß sie von den Gelehrten nicht wahrgenommen worden sind, so lange man noch in einer von diesen Sprachen gedacht hat. Wer sie anzeigen wollte, der müßte eine Sprache verstehen, die von dem Genie aller bekannten Sprachen weit abgeht, die nichts willkührliches mit denselben gemein hat; und so weit forderte man noch nichts außer= ordentliches.

Allein soll Jemand diese Hindernisse finden, so muß er zugleich die vergebens gesuchten Wahrheiten, davon die Aufgabe redet, entdeckt haben. Beides ist einerlei Arbeit; denn die Hindernisse der Sprache sind keine Hindernisse mehr, sobald man sie nur kennt. Die bloße Anzeigung und Beschreibung derselben giebt schon den mangelhaften Sprachen den glücklichen Schwung, dadurch Wahrheiten an den Tag kommen, die sonst nicht herauszubringen gewesen. Ja ich behaupte, der Anzeiger dieser Hindernisse müsse die verhinderten Wahrheiten in seiner fremden Sprache erst wirklich entdecken, ehe er durch die Vergleichung merken kann, wo uns die Hindernisse den Weg verlegen. Er kann ihrer unmöglich gewahr werden, wenn er nicht auf seinem bessern Wege schon das Ziel in den Augen hat; so wenig Einer, der selbst nicht sieht, einem Blinden sagen kann, was ihm für ein Sinn fehlt. Verstehe ich also den angeführten Punkt der academischen Frage recht, so ist es eben so viel, als wenn man überhaupt die Entdeckung dieser oder jener Wahrheit verlangt

hätte, die bisher nicht herauszubringen gewesen, ohne zu bestim men, welche. Konnte die Academie wohl alles Ernstes auf einer solchen Forderung bestehen?

73fter Brief.

Hr. Michaelis hat seine Abhandlung in vier Abschnitte eingetheilt. In dem ersten handelt er von dem Einflusse der Meinungen in die Sprachen; in dem 2ten von dem vortheilhaften, und in dem 3ten von dem nachtheiligen Einfluß einiger Sprachen in die Meinungen und Wissenschaften der Völker; und endlich untersucht er in dem 4ten Abschnitte die Mittel, wie dem schädlichen Einfluß vorzubeugen und der vortheilhafte zu befördern sei. Die ersten drei bestehen mehrentheils aus Exempeln, die in verschiedene Wissenschaften einschlagen, in welchen sich die Wirkung dieses wechselseitigen Einflusses deutlich zeigt. Der Hr. Verf. hat zwar aus diesen mannigfaltigen Beispielen nichts allgemeines abstrahirt, als was die Academie zum voraus seßt: daß nämlich die Sprache und Meinungen wechselsweise in einander einen zum Theil schädlichen, zum Theil auch vortheilhaften Einfluß haben. Allein die Beispiele an und für sich sind Betrachtungen von der größten Wichtigkeit, und verdienen mit Aufmerksamkeit gelesen zu werden. Der 4te Abschnitt aber scheint mit etwas weniger Sorgfalt ausgearbeitet zu seyn. Die Mittel, die Hr. Michaelis zur Verbesserung der Sprachen in Vorschlag bringt, find weder neu noch gründlich. Kein Wunder! Wenn dieser Theil der Abhandlung hätte gerathen sollen, so hätte man aus den Erempeln der drei ersten Abschnitte allgemeine Säte abstrahiren, und aus diesen die Mittel zur Verbesserung der Sprache herausbringen müssen. Das wäre aber in einer fo neuen Materie für das erste Mal zu viel gefordert!

Sie werden vermuthlich keinen Auszug von mir erwarten; denn wie könnten Sie sich begnügen, eine so wichtige Schrift bloß aus einem Auszuge kennen zu lernen? Nein! Sie müssen sie felbst lesen. Über Ihr Versprechen?.. Gut! ich verstehe Sie. Hier sind die Anmerkungen, die ich im Lesen gemacht habe!

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S. 24. sagt Hr. Michaelis:,,Bisweilen wirkt auch eine ,,noch versteckte Neben-Idee oder eine andere Bedeutung des ,,Worts, in der wir es dismal nicht nehmen sollten, und be,,trügt uns auf eine geheime Art. Wir sind daher glücklich, ,,wenn wir ein so vollkommenes Mittelwort haben, dem auch ,,nicht einmahl in einer anderweitigen Bedeutung Lob oder Tadel ,,anhänget. Ich will dis mit einem Beyspiele erläutern, welches ,,eine Gelegenheit giebt, meiner Muttersprache ein Compliment, ,,wegen ihrer Vorzüge vor der lateinischen zu machen.

Das allererste, oder, wie man es nennen will, das aller,,legte Gut, die Ursache, weswegen etwas für gut geachtet wird, ,,feßte Epicur in einer angenehmen Empfindung, voluptate. ,,Dis lateinische Wort, welches auch die Wollust_bezeichnete, ,,behielt eine anhängende Idee von Weichlichkeit, die der Tugend ,,und der Tapferkeit entgegen gefeßt war. Wer wird daran zwei„feln, daß die Lehre Epicurs manchem Römer, blos aus Schuld ,,der Sprache unrichtig, ja so gar verhaßt und höchst verächtlich ,,scheinen mußte? Die mit Wortspielen und homiletischen Grün,,den gefüllten Predigten des Cicero wider den Epicur sind ein ,,Beweis davon. Dem Lateiner fiel doch ben voluptas stets die ,,Wollust ein. - Unsere Sprache würde sich des Ausdrucks, ,,angenehme Empfindung, viel besser bedienet haben. Wenn ,,ich einem sage:,,mein Freund! es ist die Frage, woher es komme, daß wir dis für ein Gut, und jenes für ein übel schäßen? Daß wir dis suchen, und vor jenem einen Schau„der empfinden? Was die Ursache sey? wegen welcher dir es lieb ist, geehrt, gesund, aufgeräumt zu seyn; und warum du Armuth, Verachtung, Schmerzen, Krankheit, Melancholie, ,,,,ungern hast, und sie gewiß nicht willig übernehmen wirst, wo du sie nicht als ein Mittel vor einem grössern übel bewahrt zu werden, oder ein Gut von einer ihnen entgegengeseßten Art ...zu erhalten, betrachtest. Die erste Ursache, oder das, was ,,,,uns eigentlich in dem Guten gefällt, nennet man, wie du ,,,,willst, das erste oder das lehte Gut, finem bonorum. Ich ,,,,behaupte, dies leßte Gut laufe endlich auf einer Empfindung hinaus, von der man sich keines weitern Grundes bewust ist, ,,,,warum sie gefällt, die man nicht wieder als ein Mittel zu ,,,,andern Endzwecken ansiehet, sondern bloß durch ein inneres Gefühl hat, sie sey uns angenehm" ,,Wenn ich, fage ,,ich, so mit einem rede, so wird er leicht zu überzeugen seyn,

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,,und mir alle die Chicanen nicht machen, damit der römische ,,Redner den Epicur mishandelte, dessen Vertheidung ich sonst ,,nicht übernehme, und gern zugebe, daß er oder seine Schüler ,,aus Schuld des zweydeutigen Wortes, auch bisweilen Wollust ,,und angenehme Empfindungen verwechselt haben".

Sollte sich Cicero von einer so plumpen Zweideutigkeit haben blenden lassen, nachdem ihm Torquatus das Lehrgebäude Epikurs von der vortheilhaftesten Seite geschildert hat? Sollte der lateinischen Sprache ein Wort gefehlt haben, das dem deuts fchen Wort angenehme Empfindung zusagt? Unmöglich: Cicero sagt *) mit ausdrücklichen Worten: est enim voluptas jucundus motus in sensu, deutsch: eine angenehme Bewegung in den Sinnen. Was ist dieses anders, als die angenehme Empfindung? Er geht sogar noch weiter; er sagt an eben der Stelle zum Torquatus: „Dieses ist meine Erklärung von dem Worte voluptas; ich weiß aber auch, was ihr unter diesem Worte versteht. Ihr zählt zweierlei Arten von Wollust: erst,,lich diejenige, die ich beschrieben, die ihr voluptatem in motu ,,nennt; außer dieser aber gilt euch die bloße Abwesenheit aller ,,Schmerzen (der behagliche Gemüthszustand, wenn alle Begier,,den geftillt sind) für den höchsten Grad der Wollust, den ihr ,,voluptatem stabilem nennt". Er läßt den Torquatus oft ge nug wiederholen, daß nach dem Epikur die voluptas stabilis, aber nicht die voluptas in motu das höchste Gut sei. Kann man deutlicher zeigen, daß man seinen Gegner verstehe? oder kann man nach einer solchen Erklärung wohl noch mit einem Wortspiele aufgezogen kommen?

Cicero eifert zwar in homiletischen Predigten, wie sie Hr. Michaelis nennt, wider den Mißbrauch des Worts voluptas. Als ein Vertheidiger des Sprachgebrauchs konnte er die Neuerung unmöglich dulden, daß die Epikurder das Wort verdrehen, und die Abwesenheit aller Schmerzen, diesen gleichgültigen Zustand der Seele, den höchsten Gtad der Wollust nennen.

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er konnte es nicht begreifen, daß man die honesta- nicht aus einer höhern Quelle follte herleiten können, als aus einer bloßen finnlichen Empfindung; und diese Beschwerden würden mit einiger Veränderung auch wider die deutschen Worte angenehme Empfindung statt gefunden haben.

*) De finibus bonorum et malorum lib. II. 123.

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