페이지 이미지
PDF
ePub

des Affects wird nur bei rauhen, wenig gesitteten Menschen angetroffen; dieß kann nicht geläugnet werden. Aber diese Eigenschaften allein machen noch keine wahre Poesie, sind nur einige Elemente, deren sich der Dichter mit Vortheil bedienen kann, und von dem schönen Ideal der Poesie noch weit entfernt. Wo bleibt der weise Gebrauch dieser Schönheiten selbst, die richtige Zeichnung, die Anordnung des Ganzen, die Bildung der Charak tere, die Behandlung der Leidenschaften nach ihrer wahren Natur u. s. w.? An alle diese höheren Schönheiten kann in ungesitteten Zeiten nicht gedacht werden. Sie erfordern die feinste Cultur der Sitten, der Begriffe und des Ausdrucks, und können ohne wechselweise Hülfe aller schönen Künste und Wissenschaften, ohne Denken und Philosophiren nie zur Vollkommenheit gedeihen. Warum denken sich die Kunstrichter unter Philosophie allezeit metaphysische Grübelei? Die Metaphysik ist eine Wissenschaft, von der man im Stande der Wildheit nichts weiß; von einer Nation aber, die in Barbarei zurückgefallen, kann sie vielleicht noch ziemlich erhalten werden; denn sie erfordert Tiefsinn, aber wenig Feinheit der Sitten und der Empfindungen, die eine Frucht erleuchteter Zeiten ist. Allein wenn auch die Anstalten, die der Weltweise machen muß, metaphysische Wahrheiten zu erforschen, wie auch seine Methode und Art zu schließen, dem schönen Geiste nicht günstig sind; so sind ihm doch die Resultate mehrentheils sehr willkommen, indem sie ihn bereichern und seinen Vor rath von Erkenntnissen und Begriffen erweitern. Sodann ist auch nicht alle Philosophie logische Subtilität. Es giebt auch eine freie, heitere Art von Philosophie, die den Menschen selbst und seine Gemüthskräfte, seine Sitten, Neigungen, Schwach heiten und Tugenden angeht; eine Weisheit, die unmittelbar in unsere Glückseligkeit Einfluß hat. Diese macht das Wesen der Dichtkunst aus, und ist zum wahren Ideal in allen schönen Künsten und Wissenschaften unentbehrlich. Ohne dieselbe ist der Dichter höchstens ein hochtrabender Schwäßer; ohne dieselbe sind alle schönen Künste und Wissenschaften geistloser Land, der Kinder ergohen kann, Månnern aber unanständig ist.

Wir sind weit entfernt, dem Hrn. Verfasser diese alltäqliche ästhetische Vorlesung zu halten. Wir wissen, daß die Pa radora eines guten Kopfes nicht nach dem Compendio beurtheilt werden müssen. Wenn die herrschende Meinung sich allzu sehr auf die eine Seite neigt, so verzeiht man es dem Verbesserer

gern, daß er den entgegengesetten Gründen, die man übersehen hat, etwas mehr Gewicht giebt, als sie wirklich haben, um = durch die Neuheit desto mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Auf solche Weise sind vielleicht die mehrsten Paradora entstanden, die Wirkung mitgerechnet, die zuweilen die Neuheit auf das Gemüth des Erfinders selbst hat. Einem solchen Schriftsteller die Stellen anführen, wo er von der Wahrheit abgewichen, heißt einem Spaziergänger die Landstraße zeigen. Allein für unsere gewöhn= lichen Haufen der Nachbeter ist uns bange. Diese nehmen sehr oft die Irrgänge des Genies für gebahnte Landstraßen, wenn sie nicht bei jeder Abweichung gewarnt werden. Wir sind überdem der Meinung, daß man die Vereinigung der schönen Wissenschaften mit der Philosophie nicht eifrig genug empfehlen könne, und sich einer jeden Meinung widersehen müsse, welche diese verschie= denen Erkenntnißarten einander entgegenseßt. Unser Verfasser ist Philosoph und schöner Geist zugleich; und wenn dieser das Philosophische beståndig im Streit mit dem Schönen und Erhabe= nen aufführt, so ist man geneigt ihm zu glauben.

über freie und freiwillige Handlungen starker und großer Geister.

(Den 28 August 1769.)

7

Wir unterscheiden im Deutschen nachdrücklich genug freie Handlungen (physische) von freiwilligen Handlungen (mora: lischen). Wir können auch substantive Freiwilligkeit und Freiheit brauchen. Der Mensch kann seiner Freiheit, aber nicht seiner Freiwilligkeit beraubt werden. Wenn wir doch auch zu der bürgerlichen Freiheit ein besonderes Wort håtten! Eine Handlung, die ihren Grund in dem Willen hat, ist freiwillig. Wenn ihrer Ausführung kein physischer Widerstand entgegen ist, so ist sie frei (physisch). Wenn sie der Willkühr eines Undern nicht unterworfen ist, so heißt sie bürgerlich frei. Die Handlungen des Menschen sind sittlichen Gesehen unterworfen, hangen aber, ohne Vertrag, in Absicht auf ihre Bestimmung, bloß von seiner eigenen Willkühr ab, sind also frei. Durch den Vertrag

102 üb. freie u. freiwill. Handl. üb. Cochius v. d. Neigungen.

werden sie der Willkühr eines Andern unterworfen; also wird durch jeden Vertrag ein Theil der Freiheit vergeben. Alle Pflich ten gründen sich auf Geseze. Völlig bestimmte Gesetze geben vollkommene, unbestimmte Gefeße unvollkommene Pflichten. Die positiven Pflichten gegen Andere hangen mehrentheils von näheren Bestimmungen ab, die von Natur unserer eigenen Willkühr überlassen sind. Wenn wir durch einen Vertrag einem Andern das Recht abtreten, diese Bestimmungen nach seiner Willkühr hinzuzuthun, so verwandeln wir unvollkommene Pflichten in vollkommene.

(Den 28 September 1769.)

Der starke Geist verfolgt seine Absichten mit unermüdetem Eifer; der große Geist weiß außerordentliche Absichten durch außerordentliche Mittel zu erhalten. Der erhabene Geist hat nur weise Absichten.

Cochius von den Neigungen.

Berlin 1769, bei Haude.

S. 23. Ein Object.

Diese Objecte sind zuweilen notiones universales, als z. E. Neigung zur Trägheit, zur Weichlichkeit, zum Tiefsinn u. f. w. Ist Object auch der schicklichste Name für die Arten der Beschäftigung, auf welche die Neigung gerichtet ist?

Alle Seelen haben dieselben Neigungen, nur nicht in gleichem Grade wirksam. Das Verhältniß der Wirksamkeit aller Neigungen eines Menschen macht seinen Charakter, so wie das Verhältniß aller Seelenkräfte fein Genie aus.

S. 24. Vorstellungen und Neigungen verhalten sich wie Ausdehnung und Bewegung. Keines entspringt aus dem ans dern. Die Neigungen verändern, die Vorstellungen werden verändert.

Alle drei, S. 23. angeführten Merkmale unterscheiden die Neigungen nicht von den Begierden, den habitum nicht von

der Action. S. 25. wird die Lebhaftigkeit allein für das Unterscheidungszeichen der Begierden angegeben; male. (S. 29.) Neigungen sind keine Applicationen des Grundtriebes auf ein Object, sondern der Seele beiwohnende Fertigkeiten, ihren Grundtrieb auf eine gewisse Gattung oder Art von Beschäftigung stärker, als auf andere zu richten. Diese Fertigkeiten müssen zum Theil angeboren seyn, weil der Seele keine Fähigkeit beiwohnen kann, der nicht wenigstens ein geringer Grad von Fertigkeit zukömmt; und da sie nicht alle von gleicher Stärke seyn können, so werden einige vorzüglich den Namen Fertigkeit verdienen, und also angeborene Neigungen genannt werden können. Die durch Übung und Gewohnheit verstärkten Fertigkeiten werden den angebornen entgegengesett und erworbene genannt. (Was bei den Neigungen natürlich und unnatürlich sei, hat Hr. Cochius gar nicht untersucht.) Wie die Handlungen in ihre Arten eingetheilt sind, so sind auch die Neigungen verschieden. Wiederholte Handlungen von einer Art verstärken die ihnen zukommende Neigung. Diejenigen Neigungen sind verschieden, die durch wiederholte Handlungen ganz verschiedener Art erworben oder verstärkt werden.

S. 29.,,Unfre Natur selbst ist Trieb, ohne ein bestimmtes Object"; Abstracte, aber niemals in concreto.

S. 30. No. 4. Die Übereinstimmung des Mannigfaltigen ist Vollkommenheit. Den Trieb zum Mannigfaltigen nennt Hr. Cochius Ausdehnung. Die Übereinstimmung muß er gleichfalls hinzusehen, denn mit der Abwesenheit des Widerspruchs ist es nicht genug; die Umkehrung, deren Hr. Cochius gedenkt, läßt fich schwerlich rechtfertigen. Wenn der Widerspruch abschreckt, so kann vielleicht dasjenige gefallen, worin weder consensus, noch dissensus wahrgenommen wird.

S. 32. Hr. Cochius hält auch hier Abwesenheit des Widerspruchs und übereinstimmung für einerlei. S. 48. noch deutlicher.

Daselbst vom Selbstmorde. Aber das Nichtseyn ist ein Zustand, der mit der ausdehnenden Kraft am wenigsten übereinstimmt; gewiß weniger, als jedes geplagte Daseyn.

Die Neigungen, welche nach dem ordentlichen Laufe der Natur zu entstehen pflegen, heißen natürlich; deren Entstehung aber außerordentliche Umstände vorausseßt, heißen unnatürlich. S. 36. 37. Vortrefflich!

S. 39. Charakter des Sylla. Die Erklärung desselben zu allgemein. Die bloße Geschäftigkeit nach Empfindungen bestimmt weder Wollust, noch Kriegesmuth.

Die Eintheilung der Neigungen in ihre Elaffen und Verwandtschaften fehlt überhaupt.

Unnatürliche Neigung kann auch heißen: die Fertigkeit, das Wahre oder anscheinende Gute an einem gewissen Objecte, das sehr verborgen und mit vielen widrigen Umständen verbunden ist, sinnlich zu begehren. Nein! Blutschande ist vornehmlich eine unnatürliche Neigung.

[ocr errors]

Blu

S. 45. No. 1. Ein näherer Grund zur Entwickelung des oben S. 39 angeführten Charakters des Sylla. tige und wollüstige Scenen gewähren beide Sinnenlust.

S. 57. Von der Dunkelheit bis zur Klarheit ist das Steigen in Absicht 1) auf die Menge oder 2) auf die Kraft der Merkmale extensive oder intensive Klarheit; so wie die deutlichen an Leben und an Deutlichkeit zunehmen können.

S. 64. So lange die Beziehung eines Gegenstandes auf uns noch nicht festgesezt ist, macht ihn die Neuheit angenehm. Ist sie aber einmal festgeseßt, so kann die Neuheit sowohl das Vergnügen als den Abscheu lebhafter machen. Ist die Neuheit verschwunden, so geht abermals eine Crisis vor. Angenehme Gegenstände können aus den Ursachen, die Hr. Cochius anführt, unangenehm, und unangenehme angenehm werden. Behalten die Gegenstände aber, wenn sie aufhören neu zu seyn, noch immer die vorige Beziehung auf uns, so wird diese durch die Gewohnheit immer stärker; die angenehmen Gegenstände werden uns unentbehrlich, und die unangenehmen unausstehlich. Die erste Bekanntschaft einer Person hat zuweilen einen lebhaften Reiz. Ein näherer Umgang kann uns ihre Fehler entdecken und sie unangenehm machen. Ist aber diese Crisis überstanden und die Vollkommenheiten überwiegen, so entsteht mehrentheils eine Freundschaft, die durch die Gewohnheit immer verstärkt wird und die Fehler selbst beinahe lobenswerth macht. Eine ähnliche Beschaffenheit hat es mit dem Abscheu. Die Gegenstände sind unangenehm 1) durch Ermüdung, 2) durch Unthätigkeit. Jene können durch die Gewohnheit angenehm, diese höchstens nur erträglich werden.

S. 67. Nicht die übereinstimmung in Dingen, fon= dern das Zunehmen" etc. Die bloße übereinstimmung erregt

« 이전계속 »