페이지 이미지
PDF
ePub

wessen Seite der Sprachgebrauch sei Genug, Hr. Selle nennt einen Sah nur alsdann synthetisch, wenn das Prädicat nicht aus dem Subjecte erwiesen werden kann; und dergleichen kann es in der reinen Mathematik nicht geben.

Noch hätte ich gewünscht, Hr. Prof. Selle hätte eigentliche Begriffe von Urtheilen und Säßen unterschieden. Sein Thema ist es giebt keine reine Vernunftbegriffe, und sein Bes weis spricht nur von Säßen; wiewohl die Begriffe als Mate= riale des Denkens offenbar ihren Ursprung nicht von der reinen Vernunft haben können, welche sich bloß auf das Formale des Denkens bezieht.

Indessen kann die Seele das Formale selbst zum Gegen= stande ihres Nachdenkens nehmen, und in so weit reine Vernunft= schlüsse herausbringen, die aber, wie in der Logik, abermals identisch seyn werden.

überhaupt habe ich die größte Verehrung für identische Säße dieser Art. Wenn man sich in metaphysischen und moralischen Dingen nach mathematischer Evidenz sehnt, was will man anders, als die Säge in denselben auf Identität dieser Art hinführen zu können?

(1784.)

Wenn Weltweise von entgegengeseßten Grundsäßen ausgehen, nach den Regeln der Vernunftkunst richtig fortschließen, und im Resultate gleichwohl sich nåher kommen; wenn ihre Schlußfäße einander nicht so entgegengesest sind, als ihre Vordersåse; so muß die Verschiedenheit Anfangs mehr in der Sprache, als in den Gedanken, mehr im Gebrauch der Wörter, als in den Begriffen gelegen haben. Man verwirft oft mit Recht den Zwang der Schulsprache, und vermeidet die Kunstwörter, die in einer Wissenschaft eingeführt sind; weil diese auf zu sehr gebahnte Wege führen, immer auf der Heerstraße zu bleiben zwingen, das Genie aber gern abschweift, um neue Wege zu suchen. Allein eben dadurch verliert man auf der andern Seite auch den Vortheil, den die Kunstsprache mit sich führt, die Bestimmtheit und den festen Umriß der Begriffe, dessen Gränzen schwankend werden

und sich dem Auge entziehen. Es sei mir erlaubt zu sagen, daß ich im vorliegenden Streite über die Grundfäße der Regierung etwas ähnliches zu finden. glaube; mehr Einstimmung im Resultate, als in den Grundmarimen, und also vermuthlich mehr Streit im Gebrauch der Kunstwörter, als in den Begriffen. Im Vorbeigehen gesagt, mich dunkt auch, Herr Prof. 381lner befindet sich mit dem Verf.,,des Jerusalems", wenigstens in Einem ihrer Streitpunkte, in einem ähnlichen Fall. In seinem vorigen Aufsage scheint er die ganze Theorie von vollkommnen und unvollkommnen Pflichten, dem Inhalte und den Gedanken nach, nicht nur zuzugeben, sondern auch mit guten Gründen zu bestätigen; dieselbe Theorie, die er in seiner Abhandlung über Jerusalem" bestritten und verworfen hat. Er hat also bloß die Kunstwörter vollkommne und unvollkommne Pflichten und Rechte für unschicklich gehalten; und stimmt in der Sache, so viel ich einsehen kann, mit dem Verfasser "Jerusalems" völlig überein. - Jedoch hier ist der Ort nicht, dieses zu erörtern. Ich kehre zu dem vorliegenden Streite zurück, und bitte mir die Erlaubniß aus, einige zum Grunde liegende Hauptbegriffe meiner Meinung vorzutragen.

Wenn ich weiß, daß der Genuß eines Guts nur unter einer gewissen Bedingung gewährt wird, und ich schicke_mich_an, dieses Gut zu genießen; so gebe ich eben dadurch zu verstehen, daß ich mir die damit verbundene Bedingung gefallen lasse. Wenn mir bekannt ist, daß gewisse Rechte nur unter der Bedingung eingeräumt worden, daß ich mich gewissen damit ver bundenen Pflichten unterziehe, und ich gebe durch Worte oder durch Handlungen zu verstehen, daß ich mir die Rechte anmaße; so ist offenbar, daß ich mich eben dadurch verbindlich gemacht habe, die Pflichten zu erfüllen, unter welchen jene eingeräumt sind. Diese moralische Verpflichtung, fie mag ausdrücklich verabredet oder bloß aus den Handlungen abzunehmen seyn, gründet sich offenbar auf ein pactum; und wird in dem lehten Falle ein pactum tacitum genannt: ein Vertrag, der nicht ausdrücklich verabredet, aber doch aus dem Betragen und den Handlungen der Paciscenten mit Gewißheit anzunehmen ist.

Daß das moralische Band der Gesellschaft an diesem Grund: fake hange, leidet wohl keinen Zweifel. Was haben die Glieder eines Staats für Verbindlichkeit gegen das Ganze? Offenbar entspringt diese aus den Vortheilen des gesellschaftlichen Lebens,

die sie zum Theil genießen, zum Theil sich versprechen. Der Bürger eines Staats, der sich die Rechte und Vortheile anmaßt, die aus den Gefeßen und der Staatsverfassung ihm zufließen, unterzieht sich eben dadurch den Pflichten, die ihm das Vaterland auferlegt. Wer auf alle Vortheile des gesellschaftlichen Lebens Verzicht thun, oder das Vaterland für die Nugung der= selben schadlos halten kann, dem muß es frei stehen, sich auch den Pflichten des Bürgers zu entziehen und das Land zu verlaffen. Bedenke, Sokrates", läßt dieser Weise die Gefeße seines Vaterlandes sprechen, im Falle er gesonnen wäre sich der Todesstrafe zu entziehen, die ihm, zufolge der vaterländischen Geseße, zuerkannt worden ist, -,,bedenke, Sokrates, ob du nicht unbillig gegen uns verfährst. Wir haben dich gezeugt, erzogen und unterrichtet; wir haben dich und jeden atheniensischen Bürger, so viel bei uns gestanden, aller Wohlthaten theilhaftig gemacht, die das gesellschaftliche Leben gewähren kann. Und gleichwohl haben wir dir, und jedwedem, der sich zu Athen niedergelassen, die Erlaubniß gegeben, wenn ihm unsere Staatsverfassung nach einer hinlänglichen Prüfung nicht ansteht, mit den Seinigen davonzu=` gehen und sich, wohin er will, zu begeben. Die Thore von Athen stehn einem Jeden offen, dem es in der Stadt nicht ge= fållt; und er kann das Seinige ungehindert mitnehmen. Wer aber gesehn, wie es bei uns zugeht und wie wir Recht und Gerechtigkeit handhaben, der geht stillschweigend (d. i. nicht mit ausdrücklichen Worten, sondern durch eben so bedeutende Handlungen) einen Vertrag ein, sich alles gefallen zu lassen, was wir ihm befehlen; und wenn er ungehorsam ist, begeht er eine dreifache Ungerechtigkeit. Er ist ungehorsam gegen seine Ältern, ungehorsam gegen seine Zucht und Lehrmeister, und er übertritt den Vertrag, den er so gut als ausdrücklich mit uns eingegangen. ist." Das moralische Band der Gesellschaft, die Verpflichtung eines jeden Gliedes gegen das Ganze, beruht also, im Allgemei= nen betrachtet, offenbar auf der Verknüpfung zwischen Genuß und Preis des Genusses, zwischen Rechten und Pflichten; einer Verknüpfung, die die moralische Kraft des Vertrages mit sich führt, sie mag übrigens ausdrücklich verabredet oder durch Handlungen zu verstehen gegeben worden seyn; d. h. in der Schulsprache: sie beruht auf einem ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrage. Eine andere Frage ist es: worauf gründet sich die obrigkeitliche Gewalt in jedem Staate insbesondere?

Wie wird dieses allgemeine sittliche Band der Gesellschaft durch nåhere Bestimmungen eingeschränkt und abgeändert?

Jede Gesellschaft erfordert ihren Beitrag. Jedes Glied der= selben muß auf einen Theil seiner Rechte und Freiheiten, zum Besten des Ganzen, Verzicht thun; die Obliegenheit des Menschen, in Gesellschaft zu treten und sich einen Theil seiner natürlichen Rechte zu begeben, beruht hauptsächlich darauf, daß er als Mitglied mehr gewinnt, als er als Mensch verliert; und zwar in doppelter Rücksicht: einmal wird die Macht der einzelnen Theile durch den Zusammenhang zum Ganzen vergrößert; und also ist von dieser Seite schon der Antheil jedes Mitgliedes an den öffentlichen Gütern, wenn die Vertheilung im gehörigen Verhältnisse geschieht, größer als der Beitrag. Zweitens ist das Beitragen und die Aufopferung, selbst wenn es freiwillig ge= schieht, eine Äußerung des Wohlwollens, die einen Theil der Glückseligkeit ausmacht. Wenn Andere durch meinen freiwilligen Beitrag gewinnen, so habe ich von dem Überschusse meiner Kräfte den glücklichsten Gebrauch gemacht. Diese Beiträge zum allgemeinen Besten, so wie die Antheile der Mitglieder an demselben, machen einen Inbegriff von Rechten und Pflichten, wodurch die Gesellschaft zu einer moralischen Person wird. Gesellschaftlicher Beitrag also und gesellschaftlicher Antheil, öffentliche Rechte und öffentliche Pflichten, wer soll diese handhaben? wo sollen sie niedergelegt werden? wer soll die allgemeinen Regeln festsehen, nach welchen sie bestimmt werden sollen, und wer die Macht, diese Regeln in besondern Fällen in Ausübung zu brin= gen? welchen Personen im Staate soll die gefeßgebende, und welchen die ausübende Macht anvertraut werden?

Vergebens würde man sich auf den gesellschaftlichen Vertrag berufen, wenn die Frage ist: wie sind die verschiedenen Staatsverfassungen entstanden? Ausdrückliche Verträge sind nur an wenigen Orten in der Geschichte anzutreffen; und stillschweigende sind nur da anzunehmen, wo die Regierungsform bereits eingeführt ist, insoweit sich Jemand derselben unterwirft. Allein hier ist die Frage von dem Ursprung der verschiedenen Regierungsformen selbst; was bewog die Menschen dazu, ihre gesellschaftliche Beiträge bei gewissen Personen niederzulegen, und diese damit schalten zu lassen?

Man sieht, daß man hier zu dem Grundsaße des Herrn Selle seine Zuflucht nehmen, und anerkennen muß, daß alle

obrigkeitliche Gewalt auf der Verpflichtung beruhe, sich der Führung eines Weisern zu überlassen; und daß daher die Menschen. verbunden sind, insoweit sie durch gemeinschaftliche Veranstaltung zur Glückseligkeit gelangen wollen, sich die Bessern und Einsichtsvollern leiten zu lassen. Allein nunmehr entsteht die Frage: muß es meiner Einsicht überlassen werden, wen ich für den weisern und bessern Menschen halte, oder kann sich ein Anderer mir zum Führer aufdringen? Dieses kann zerfällt wegen seiner Vieldeutigkeit in drei verschiedene Fragen: 1) ist es physisch möglich, mich zur Glückseligkeit zu zwingen? 2) ist es sittlich erlaubt, einen Andern durch Zwang zur Glückseligkeit zu bringen? und 3) wird es auch zuweilen nothwendig, d. h. ist nicht zuweilen der Weise verpflichtet, mich zur Glückseligkeit zu zwingen? Es kömmt hier vieles auf eine deutliche Bestimmung des Worts Glückseligkeit an. Es giebt Dinge, wodurch die Glückseligkeit der Menschen befördert wird; und Dinge, die zur Glückseligkeit selbst gehören und einen Theil derselben ausmachen. Wenn jenes die Mittel sind zur Glückseligkeit, so sind diese die Glückseligkeit selbst. Jenes sind die nühlichen Dinge, und es kann von ihnen gefragt werden: wozu? Diese hingegen werden nicht als nüglich, sondern als Selbstgut begehrt, und die Frage wozu? findet bei ihnen nicht statt. Sie gehören unmittelbar zum höchsten Endzwecke, machen das finis bonorum aus, um dessen willen alles übrige begehrlich wird, das aber selbst nicht wieder um eines andern willen begehrt wird. Jenes find bona secundum quid, dieses bona absoluta.

Im Grunde sind zwar alle nügliche Dinge zugleich Selbstgut. Die Eigenschaft, die sie haben, zur Glückseligkeit gebraucht werden zu können, giebt ihnen einen innern Werth, eine eigene Realität, wodurch sie als bona absoluta angesehen werden kön

nen.

So sind auch von der andern Seite alle Selbstgüter auch als nüßlich zu betrachten; denn das Gute ist nie ohne gute Folgen, d. h. nie ohne Nußen. Allein es kommt sehr viel darauf an, in welcher Rücksicht dasselbe Ding begehrt wird; ob als Mittel oder aus Absicht? als nüklich oder als Selbstgut? Groß und richtig ist der Unterschied zwischen dem Arzt, der das Wiederherstellen der Gesundheit für Selbstgut, und den Marktschreier, der es für nüglich hålt. Es kommt nicht wenig darauf an, ob die Regenten Aufklärung und Duldsamkeit

« 이전계속 »