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schichte da anfangen, wo sich das Hauptinteresse des Stückes hervorzuthun beginnt. Die Einfalt der Tragödie erfordert nicht nur eine einzige Geschichte, sondern auch vornehmlich ein einziges Hauptintereffe. Dieses vorausgeseßt, muß ein Jeder gestehen, daß der Tod Edward's und die Krönung der Johanna, womit der Dichter zwei ganze Aufzüge anfüllt, nicht eigentlich zur tragischen Simplicitåt gehören. Sie machen den historischen Urfprung der Begebenheit aus, und schaden noch vielmehr dem Interesse des Stückes. Denn was braucht der Zuschauer zu wissen, daß Edward nur heute gestorben, und Johanna kaum eine königliche Ephemeris gewesen? Der Dichter håtte da anfangen sollen, wo Johanna von dem Ausgange der Schlacht ihr Schicksal erwartet. Hier nimmt die große Handlung ihren Anfang. Alles vorhergehende, welches eigentlich nur darin besteht, daß Johanna ungern den Thron bestiegen, håtte in einem einsigen Auftritte erzählt werden können. Der Zuschauer würde an dem Schicksale der Johanna weit mehr Antheil nehmen, wenn er nicht wüßte, daß ihre königliche Würde gleichsam ein Traum von einigen Stunden gewesen; und wenn der Dichter in der einfachen Glücksveränderung der Johanna. Stoff genug gefunden håtte, die Aufmerksamkeit der Zuschauer durch fünf Aufzüge zu erhalten, alsdann hätte er sich rühmen können, dem Euripides nachgeahmt zu haben.

Der unverzeihlichste Fehler des Dichters aber ist, daß er dem Zuschauer am Ende des 4ten Aufzugs ganz ohne Noth entdeckt, Northumberland sei ein schändlicher Verräther, der aus Herrschsucht seine eigenen Kinder in das Unglück stürzt. Wir interessirten uns Anfangs für die leidende Tugend der Johanna; aber wir erfahren jest, daß sie sich über die Ihrigen mehr zu beklagen hat, als über ihre Feinde... Sie ist mehr eine betrogene, als eine verfolgte Unschuld. Sogar der Charakter des Gardiner verliert dadurch von seiner Häßlichkeit; und Maria verdient nunmehr weit weniger unsern Haß, nachdem wir wissen, daß fie gerechte Sache hat. Da der Dichter, wie er in der Vorrede. erinnert,,,nur die moralische Größe seiner Heldinn in ein helles Licht sehen wollte", so håtte nothwendig der Charakter Northumberland's, welcher in diesem Stücke ohnedem nur eine Nebenrolle spielt, unbestimmt bleiben müssen. Die Verråtherei dieses Lords, diese an sich große Triebfeder der Handlungen, welche in gegenwärtigem Stücke nur schädliche Folgen hat, würde zu einem

andern Plane passen, in welchem der Charakter des Northumberland und die daraus erstandenen Begebenheiten besser ausgeführt würden.

Wir bemerken zum Beschlusse noch dieses. Die Kunstrichter, welche den Dichtern rathen, nichts als vollkommen tugendhafte Personen aufzuführen, mögen aus dem Exempel dieses Trauerspiels lernen, wie schädlich ihr Rath für tragische Dichter sei. Der Charakter des schändlichen Gardiner's ist der einzige, der die ganze Action belebt. Ohne ihn würden alle Personen des Stückes einerlei Gesinnungen und einerlei Absichten haben. Die Lebhaftigkeit des Guilford unterscheidet ihn zwar etwas von den übrigen tugendhaften Charakteren. Sie erzeugt auch wirklich einiges Interesse da, wo ihn die Tugend zu verlassen scheint, und er wider die gesammte Menschheit in eine wilde Raserei ausbricht. Gardiner aber seht alles in Bewegung. Er bringt sogar die Gelassenheit der Johanna zur Ungeduld, erregt den heftigsten Streit der Gesinnungen, und seht die moralische Größe der Heldinn durch den Contrast selbst in das stärkste Licht. Wåre die Bosheit Northumberland's mit dem Hauptinteresse des Stückes zu vereinigen gewesen, so håtte die Handlung durch die Vollständigkeit des Contrasts weit mehr Leben, und der Charakter der Johanna einen weit stärkern Glanz bekommen; denn ihre Tugend würde sich mehr in Werken, als in erhabnen Sprüchen gezeigt haben. Die Lebhaftigkeit der Handlung ist die Seele des Trauerspiels; und die gelassenen tugendhaften Charaktere können uns nicht anders gewinnen, als wenn sie durch stark abstechende Farben gleichsam hervorgebracht werden.

Wir hoffen, Hr. Wieland werde sich durch unsere freimüthige Beurtheilung nicht abschrecken lassen, ferner an der Aufnahme der Schaubühne zu arbeiten. Er ist Dichter genug, künftig wenigstens ein deutscher Thomson zu werden, wenn er nur beffere Plane erfinden, und die Simplicitåt der Alten von ihrer wahren Seite kennen lernen wird.

Moses Mendelssohn's Antheil an den Briefen, die neueste Litteratur betreffend.

Aus den Briefen, die neueste Litteratur

betreffend.

Aus dem ersten Theil.

IX. Den 1 März 1759.

20ster Brief.

Sorgen Sie nicht! Sie sollen zeitig genug mit unsern neuen

Weltweisen bekannt werden. Sie werden zeitig genug das traurige Schauspiel, eine Wissenschaft in ihrem Verfall, erblicken; und eine solche Wissenschaft, in welcher wir vor kurzem so wichtige Progreffen gemacht, in welcher Deutschland die größten Männer aufzuweisen hatte; eine Wissenschaft, die dem unbestimms ten Nationalcharakter der Deutschen etwas eigenthümliches zu geben schien. Die Königinn der Wissenschaften, die sich sonst aus Herablaffung ihre Magd nannte, ist jego, dem Wortverstande nach, zu den niedrigsten Mägden heruntergestoßen worden.

Die arme Matrone! sagt Shaftesbury; man hat sie aus der großen Welt verbannt und auf die Schulen und Collegien verwiesen. Nunmehr hat sie auch diesen staubigen Winkel räumen müssen. Des Cartes hat die Scholastiker, Wolf den Des Cartes, und die Verachtung aller Philosophie auch endlich den Wolf verdrängt. Der Schauplah ist ledig, und dem

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