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DER

JEN AISCHEN

ALLGEMEINEN

LITERATUR-ZEITUNG

VOM

JAHRE 1 8 17.

BIBL

VIERZEHNTER JAHRGANG.

JENA,

in der Expedion diefer Zeitung

und Leipzig,

in der königl. fächfifchen Zeitungs-Expedition.

der

JENAISCHEN

ALLGEM. LITERATUR-ZEITUNG

; Numero I.

DEN 1 JANUAR 1 8 17.

LITERARISCHE NACHRICHTE N.

I. Uebersicht der neueften engl. Literatur. (Gröfstentheils aus Briefen.).

(Fortsetzung vom Intell. Blatt 1816. No. 39 u. f.)

Die allgemeinen Klagen, welche der Handels

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ftand in Europa und Amerika über fchlechte Zeiten führt, dehnen fich auf den englifchen Buchhandel nicht aus. Zwar gab es auch in England während der Jahre 1314 und 1815 etliche bedeutende Bankerotte unter den londoner Buchhändlern, und noch jetzt ist, wenn man diefen Leuten glauben will, die Stockung im Bücherverkehr grofs. Aber man kann es ihnen bey einiger Kenntnifs von dem, was erfcheint, nicht glauben; wenigftens mufs es fehr mit Einfchränkung angenommen werden. Denn wie hätte fonft in diesem Einen verflollenen Sommer eine fo bedeutende Anzahl theurer Prachtwerke erscheinen können? Wenn man die Ankündigungen der Werke betrachtet, welche von den beiden gröfsten Buchhändlerhäufern, Longman et Comp. und Murray, vor einigen Monaten gedruckt wurden: fo kann man nicht umhin zu erftaunen, dafs diefs zu einer Zeit gefchieht, wo der Staat und der Bürger, der Landbefitzer und der Manufacturift, fo wie bey nahe der ganze Mittelstand, vou Nichts als von Einfchränkung (prechen, und wo an hunderttaufend Menfchen der niedrigen Volksclaffen im brittifchen Reiche von ihren bisherigen Brod herren abgedankt worden find, und defswegen in eine allgemeine Rebellion auszubrechen drohen. Aber die Literatur ift auch im brittischen Deiche fo fehr zum Luxus geworden, dafs man es nur in Deutschland damit noch weiter treiben kann, welches an glühendem Eifer für alles Wilshare, an Schreibfucht, an Lefeluft, an Bücherwuth, an grofsmüthiger Honorirung der vorzüglichen Schriftsteller und der compilirenden Autoren, kurz in Allem, was mit der Literatur in Ver. bindung fteht, ohne Zweifel den Vorrang hat. England hat hierin feit etwa 20 bis 25 Jahren, entweder ohne es zu ahnen, oder ohne es vor Stolz geftehen zu wollen, dem Lande feiner al

Und

ten fächfifchen Vorältern nachgeahmt. follte das brittifche Reich noch einige Jahre lang fortblühen: fo wird es fich noch deutlicher zeigen. Auch die verfloffenen Monate find in England an guten Producten der Literatur fo ergiebig gewefen, als die Freunde der Friedenskünfte es nur immer wünschen können. In keinem Fache weder der höheren Willenschaften noch der Redekünfte trat ein Stillftand ein.

Ehe wir aber von den erfchienenen Werken einzeln Bericht erstatten, wird es nicht undienlich seyn, einige Hauptmomente herauszuheben, welche in den beften Cirkeln der brittischen Hauptstadt während der letzten Monate vornehmlich besprochen wurden, weil man daraus ficht, welche Gegenstände den gebildeten Britten der jetzigen Zeit vorzüglich zusagen. Solche Hauptmomente waren: 1) Der Roman Glenarvon, oder die chronique scandaleufe des Tages, wovoa Jeder spricht, der nur lelen kanu. 2) Die Memoiren des Schaulpiel- und RomanDichters Holcroft. 3) Afrika, befonders Tombuctoo. 4) Keatinge's Bemerkungen über Spanien. 5) Der Streit über Lord Elgins Marmors. Schon unfer voriger Bericht zeigt durch die Ausführlichkeit, mit welcher wir von einigen diefer literarifchen Erfcheinungen, die damals noch ganz neu waren, fprachen, das allgemeine Interelle an denfelben, das fich feitdem noch nicht verloren hat. Es fey daher erlaubt, noch einige Augenblicke dabey zu verweilen.

Der Roman Glenarvon, 3 Bände, London bey Colburn, ift die Läfterchionik der grofsen Welt in England. Die Verfalferin ift eine Danie von Stande, Lady Caroline Lambe, eine junge, fchöne, fehr gebildete, aber fchwärmerifche Frau, Tochter des Mylord Besborough und vermählt mit Hn. William Lambe, Sohn des Lord Melbourne und dereinstigem Erben diefes Titels. Sie ist in den höheren Cirkeln dadurch bekannt, dafs fie vor etlichen Jahren in Lord Byron, den Dichter (der jüngft England, wie es fcheint auf immer, mit grofsem Scandal verliefs), verliebt war, und fich aus Eiferlucht auf ihn in einer öffentlichen Abendgesellschaft et

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liche Mefferfiche gab, die aber nicht tödtlich waren. Sie hat auch diefe Begebenheit mit in den Roman eingewebt, der zwar von Talenten und Gefchicklichkeit zeugt, übrigens aber nicht nach den Regeln der Kunft beurtheilt werden. darf. Die Charaktere find faft lauter Porträts von Perfonen der höheren Stände, beynahe nach dem Leben oder doch fo kenntlich gezeichnet, dafs, wie Mylady Caroline felbft fagt, ,,wohl an funfzig Perfonen ihr wegen diefes Buchs den Hals brechen möchten". Das Publi cum glaubt, dafs die Verfafferin felbft unter dein Charakter Calantha versteckt fey. Lord und Lady Holland find handgreiflich gemalt. Am deutlichften ift Lord Byron in Glenarvon felbft, dem Helden des Romans, mit den allergehäffgften Farben dargestellt. Im Herzoge von Altamont will man den Vater der Verfalfeiin, und in Lady Margaret die Herzogin von Devonshire erkennen. Ein Buch voller Pasquille und Caricaturen, und aus der Feder einer fo vornehmen Frau, welcher die Perfonen der gro. fsen Welt des brittifchen Reichs fo bekannt fiud, kann nicht anders als bedeutende Aufmerk famkeit erregen. Die erfte Auflage war gleich in den 14 Tagen nach der Erfcheinung vergriffen. Uebrigens ift die Moral des Buchs Luchft tadelnswerth, und wird, fobald die Kunftrichter Mufse haben es zu lefen, ohne Zweifel in den literarifchen Bann getlian werden.

Am

Holcroft, welcher vor wenig Jahren ftarb, war 20 bis 30 Jahre lang ein Schriftsteller, von dem man oft fprechen hörte. Er wird vornehmlich als Verfaller etlicher beliebter Schaufpiele noch lange genannt werden. Seine Romane find zwar keine Mufier, gehören aber doch zu den befferen der Mittelclaffe, Als Ueberfetzer hatte er kein geringes Verdienft. Aufser anderen europäifchen Sprachen verftand er auch sehr erträglich die deutsche, und übertrug Lavaters Phyfiognomik, Stolbergs Reifen, Goethe's Hermann und Dorothea u. a. m. interellanteften ift er wegen der Schwierigkeiten, die er auf dem Wege zu einer nicht unbeträchtlichen, obgleich späten, Bildung glücklich überwand. Seine Memoiren werden mit befonderem Antheile von der zahlreichen Claffe derer gelefen, welche in ihrer Jugend mit ähnlichem Ungemach zu kämpfen hatten, oder noch zu kämpfen haben. Holcroft wurde 1745 in London geboren. Sein Vater war erst ein Schuhflicker dort, und zog nachher in den Provinzen umher, wo er fich als Tagelöhner, Höcker u. f. w. elend unterhielt. Der Sohn, welcher in London nichts als lefen gelernt hatte, mufste feinen Aeltern von nun an in den niedrigsten Verrichtungen an die Hand gehen. Der Knabe

hob fich ein wenig aus dem äufserften Elend erft dann, als er in Newmarket, diefer wegen ihrer Pferderennen fo berühmten Stadt, einer von den

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Stalljungen war, die ein grofser Bereiter für die ihin anvertrauten Wettrennpferde hielt. Dejenige Theil der Memoiren, wo er fein damaliges Leben befchreibt, ift unterrichtend für Pferdeliebhaber, weil Holcroft da Manches über die merkwürdige englische Zucht der Wettrenner, die er genau kennen lernte, beybringt. In die Länge gefiel ihm, da er nun zum Jünglinge anwuchis, diefs niedrige Leben doch nicht. Im ahnte etwas Edleres. Er verfchlang jedes Buch, jedes bedruckte Blättchen, das er fand. Er übte fich aus eigenem Antriebe im Schreiben und Rechnen; auch nutzte er die Gelegenheit, fingen zu lernen. legenheit, fingen zu lernen. Sein Glück verfuchend entfchlofs er fich plötzlich, fich bey einer herumziehenden Schaufpielergesellschaft zu engagiren. Aeufserft anziehend ift diefer Theil und ein treues Sittengemälde, ein treues Sittengemälde, aber ganz national. Während feines Theaterlebens wurde er befonders mit der in der englifchen Schauspielerwelt fo berühmten Familie Kemble bekannt. Jeden müffigen Augenblick nutzte er zu feiner Bildung und verfuchte fich bald als Theaterschriftsteller. Als Comödiant blieb er nur mittelmäfsig. Indefs um als folcher fo hoch wie möglich zu fteigen, eilte er nach der Hauptstadt, dem grofsen Augenmerk herumziehender Schaufpieler. Hier kommen Unterredungen mit Garrick und Maclin vor. Eine lehrreiche Epifode ift die Reise nach Irland. Die Erzählung feiner damaligen Schickfale ift mit fo vielen Unglücksfällen, Fehlfchlagungen und Nothfcenen durchwebt, dafs man erftaunen mufs, wie der arme Mann fich durch fie alle hindurchwand, befonders da er fchon verheirathet war und Familie hatte. Mitten in diefer abfchreckenden Lage trieb ihn feine Wilsbegierde unaufhörlich an fortzuftudiren. Als Beaumarchais berühmte Hochzeit des Figaro To viel Auffehen machte, fchickte man ihn nach Paris, um eine Ueberfetzung des Stücks zu liefern. Da es noch nicht gedruckt zu haben war: fo konnte er blofs nach und nach im Gedächtnille fo viel aus den Vorftellungen hinwegtragen, als es fallen wollte, bis er endlich auf. diefe Art das ganze Schauspiel befass. Seinen Aufenthalt in Paris benutzte er auch fonft noch, um fich genau mit der franzöfifchen Literatur bekannt zu machen, und die franzöfifche Sprache lernte er fo vollkommeu, dass er fich ohne Mühe über alle Gegenftände richtig, fertig, und (was bey erwachfenen Engländern fchwer hält) ohne fremden Accent ausdrücken konnte. Sein überfetzter Figaro machte in England grofses Glück. Von nun an entfagte er dem Theaterleben, und wurde ein blofser homme de lettres. Literatur, Mufik und Kunft theilten fich in die wenige Zeit, die er den literarifchen Frohnarbeiten, von welchen er leben musste, abfparen konnte, und, obwohl ein fehr mittelmälsiger Kenner der Kunft, fing er an Gemälde zu

kaufen und zu verkaufen. Den übrigen Theil feines Lebens, wo er dann fich durch die Drangfale gleichfam hindurcbgeftritten zu haben fchien und wohlhabend wurde, zuletzt aber wieder in Armuth verfank, theilten wir bereits oben mit.

Auf manches andere Lieblingsthema der literarischen Cirkel in England,. die Entdeckungen in Afrika, die elginfchen Marmors, die Werke des Lord Byron u. f. w., werden wir, fo wie wir fchon anderer Zeit von ihnen fprechen mufsten, bey den einzelnen Schriften, die in Bezug auf fie erfcheinen, oft zurückzukommen Gelegenheit finden. Wir gehen jetzt zu einer Berichtserftattung von dem, was in jedem Fache als Neuigkeit bemerkenswerth ift, über.

(Die Fortsetzung folgt.)

II. Beförderungen u. Ehrenbezeugungen, Hr. Otto Gifeke, geiftlicher Infpector zu Ebeleben, Vf. einer Gefchichte von Hamburg, und der mit feinem Bruder Ludwig gemeinfchaftlich herausgegebenen Gemälde ländlicher Glückfeligkeit, fo wie mehrerer Auffätze in Zeitfchriften, ift von feinem Landesherrn, dem Fürften von Schwarzburg - Sondershausen, zum Confiftorialrath ernannt worden.

Hr. Medicinalrath und Prof. D. Dietrich Georg Kiefer zu Jena ist von Sr. M. dem König von Preullen zum Hofrath, und der feitherige Hofmedicus und Prof. med. extraord., Hr. D. Karl Wilhelm Stark zu Jena, von Sr. K. H. dem Grofsherzog zu Sachfen Weimar - Eifenach zum Hofrath und Leibarzt ernannt worden.

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III. Vermifchte Nachrichten.

Den 13 Octobr. v. J. wurde Hr. Generalfuperintendent Dr. Karl Gottlieb Bretfchneider zu Gotha (vgl. Intelligenzblatt 1816. No. 38) vom Ha. Oberconfiftorialrath und Oberhofprediger Schäffer durch eine Rede öffentlich eingeführt. Die Antrittspredigt des Hn. Dr. BretSchneider handelt von den befonderen Hindernif fen, welche in un feren Tagen der nützlichen V ́erwaltung des evangelifchen Predigtamts entgegen fiehen, und ift zum Beften der dortigen FreyIchule in der Henning 'fchen Buchhandlung (25 S. in 8) im Druck erfchienen. Zu diefen Hindernillen werden gerechnet: 1) Die überhand ge nommene Kirchenfcheu. 2) Die hohen Anfprüche, welche der Zeitgeift an die öffentlichen Lehrvorträge macht. 3) Der religiöfe Unglaube der Zeit, und der ihm entgegenftehende Hang zur Schwärmerey. Alle Theile find mit der bey Hn Dr. B's. Predigten gewöhnlichen Gründlichkeit und in einer Elocution ausgeführt, welche dadurch die gröfste Kunft verräth, dafs fie ganz kunfilos zu feyn fcheint, und der Würde des Kanzelvortrags ganz entspricht.

Bey diefer Gelegenheit ift folgende Gratulationsfchrift erfchienen: Viro Doctiffimo et

fumme Venerabili Domino Dr. Car. Gottl. Bretfchneidero, confiliarii fupremi fenatus fa-, cri, Superintendentis generalis et Proto - Ephari Ducatus Gothani munus d. XIII Octobris CIDDCCCXVI fusceptum gratulatur Joh. Frid. Ern. Kirfien, Philof. Doctor et Eifchlebienfuum Paftor. Differitur de accommodatione Jefu et Apoftolorum ad errores Judaeorum (Arnftadt b. Trommsdorff. 8 S. 4). Der Vf. diefer Schrift hat einen Verfuch gemacht, einen Grundsatz für die Anwendung der Accommodation bey der Erklärung des N. T. aufzuftel len. Die geoffenbarte chriftliche Religionslebre fcheint nämlich, bey den ausdrücklichen Andeutungen von Accommodationen im N. T., in Gefahr zu kommen, indemn, da einmal der Satz, dafs wirklich Accommodationen im N. T. vorhanden find, zugegeben werden mufs, der Dog. matiker überall Accommodationen finden, und felbft die allgemeinen Wahrheiten der chriftli chen Religionslehre dafür erklären könnte. Der Vf. unterfcheidet daher in der chriftlichen Religionslehre die Materie und die Form. Zur Materie rechnet er die Religionspflichten (canones), zur Form aber die Antriebe zur Ausübung diefer Religionspflichten, die Glaubenslehren (dogmata), und behauptet, dafs fich diefe Form nach Zeit und Umständen ändern könne, die Materie aber, als eine Offenbarung, für alle Zeiten unverändert bleiben anüffe. Er ftellt daher, um einer verkehrten Anwendung der Accommodation vorzubeugen, den Grundfatz auf: Accommodationem locum habere poffe in locis, qui dogma quoddam proferant, in locis autem qui canonem contineant, nullam accommodationem effe fumen

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Wir machen bev diefer Gelegenheit noch auf eine andere treffliche Gelegenheitspredigt des oben erwähnten verdienftvollen Theologen aufmerksam: Das Feft der Ernte, als ein wirk fames Belebungsmittel der Religiofität. Eine Predigt in der Hofkirche zu Gotha am 20 S. v. Trinit. 186 gehalten von D. Karl Gottlieb Bretfchneider (in der reyherfchen Buchhandl. 19 S. 8). Zu den Textesworten dient Pf. 104, v. 24-35. Beleben kann und foll das Erntefelt die Religio fität, 1) weil es uns hinweiset auf die Weisheit und Güte des Schöpfers in der ursprünglichen Einrichtung der Welt; 2) weil es uns, in Rückficht auf die Erhaltung, unfere Ohnmacht und unfere Abhängigkeit von Gott und feinen grofsen Ordnungen lebhaft empfinden läfst; 3) weil es uns zum Eifer erweckt, unferer höheren Beftimmung würdig zu werden,

An die nach Rio Janeiro beftimmte öfterreichische Gefandtschaft werden fich mehrere Artiften und Naturforscher anfchliefsen. Unter den letzteren find befonders der berühmte k, k. Hoffchauspieler Hr. Ochfenheimer, einer der

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