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n. Chr. fiel. 1) Besonders berühmt ist der erstere, dessen zahlreiche Gedichte, vorwiegend beschreibender Natur, in den Jahren 1059 und 1065 zuerst gedruckt wurden und noch jezt der ausgebreitetsten Popularität genießen. Die durch Tu-fu und Li-thai-pe eingeführte metrische Gesetzgebung und Poetik gilt noch heutzutage und das Formelle derselben besteht hauptsächlich darin, daß jeder chinesische Vers einen vollständigen Sinn einschließen muß, daß das Ueber= greifen des Sinnes aus einem Vers in den andern durchaus untersagt ist und daß neben der Silbenmessung auch noch der Reim beobachtet wird. Der bis zum Aeußersten getriebene Regelzwang, welcher in der Literatur herrschend wurde, that indessen der Hervorbringung keinen Abbruch und die Lust, Verse zu machen und Bücher zu schreiben, schien mit der Schwierigkeit nur zu wachsen, wozu noch der Sporn kam, daß in China die literarische Thätigkeit und Auszeichnung von jeher im größten Ansehen stand, zu den höchsten Aemtern befähigte und noch befähigt. Deßhalb ist auch der Held in den zahllosen chinesischen Romanen und Novellen, welche Gattung poetischen Schaffens im neuen China vornehmlich kultivirt wurde, meistens ein Literat, der vor allem darnach trachtet, die Staatsexamina mit Ehren zu bestehen und den Doktorhut zu erwerben, um dann seine kleinfüßige Schöne heimführen zu können, die übrigens ihre Ansprüche nicht allzu hoch spannt, indem sie es sich gewöhnlich gefallen läßt, daß ihr Geliebter neben ihr, der seine Herzensflamme geweiht ist, auch noch irgendein zweites Mädchen heiratet, welches ihm von seinem Vater oder vom Kaiser zur Gemahlin bestimmt ist. Die Liebe ist in China zwar sehr sentimental, aber daneben auch höchst praktisch und sie weiß die Forderungen des Herzens ganz wohl mit den Bedingungen einer Staatskarriere in Einklang zu bringen. Uebrigens ist es auffallend, wie sehr die chinesische Novellistik an unsere eigenen sozialen und geselligen Formen erinnert. Die Theevisiten und Punschgelage, das akademische Leben mit seinen Trinkgesetzen, die Doktorhüte und Staatsprüfungen, die Posteinrichtungen, die Hofzeitungen, die Besuche und Kränzchen, die wohlgeölte, es mit den Mitteln zur Erreichung eines Zweckes nicht eben genau nehmende Moral, das Herrendienern und Protektionswesen, die ängstliche Rücksicht auf das Herkommen, das Heucheln und Schmeicheln, Lügen und Betrügen, die Unterthänigkeit nach oben und die Hochfart nach unten, die gesellschaftliche Fäulniß und der konventionelle Firniß, die sittliche Korruption und die gewissenhafte Beobachtung des Anstands, das Haschen nach Genuß und Effekt, die Nichtigkeit der Männer und die Hohlheit der Weiber, die Verzweifelung der Armuth und der Uebermuth des Geldes tout comme chez nous. Auch in Stil und Form geben uns die chinesischen Romane vielfach Bekanntes, z. B. die in den Text eingewebten Verse, die Ein

1) Ausführlich handelt von diesen beiden Dichtern D'Hervey-Saint-Denys in seinem Buch „Poésies de l'époque des Thang," 1862,

theilung in Kapitel, die Motti. Die Erfindung ist indessen in diesen Darstellungen meistens arm, die Verwickelung gekünstelt, die Katastrophe prosaisch. Am bekanntesten ist unter uns der von Remusat unter dem Titel,,Les deux cousines" (deutsch unter dem Titel „Die beiden Basen“ 1827) ins Französische übertragene Roman Yu-Kiao-Li geworden, welcher in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts geschrieben ist und die Schicksale des Dichters und Gelehrten Sse-Yup und der Jungfer Hung-Ju erzählt. Die eingestreuten Genrebilder aus dem chinesischen Leben übertreffen an Interesse die Haupthandlung weit. Was man in der chinesischen Romandichtung durchaus vers mißt, ist eine reiche, schöpferisch gestaltende Phantasie; der chinesische Novellist erzählt viel zu trocken, ich möchte sagen viel zu historisch, er kommt nie über die Konvenienz hinaus und deßhalb sind auch seine Helden so ordinäre Bursche, seine Heldinnen so hölzerne Anstandsdamen. 1)

Freier bewegt sich die Einbildungskraft der Chinesen in ihrem Drama, aber leider meist nur spektakelnd oder possenreißerisch. Ihre Literatur zählt eine Menge von Schauspielen, allein ihre dramatische Kunst befindet sich troßdem noch in der Kindheit. Ihre Theater sind auf Pfählen erbaute Baraken, die Gesichter der Schauspieler dick mit allerlei Schminke überschmiert, das Orchester spielt unisono, es fehlt ganz an scenischem Apparat. Soll die Oeffnung einer Thüre dargestellt werden, so macht der Schauspieler eine Gebärde, als öffne er die Flügel derselben; aus einer Bewegung der Schenkel eines Helden muß der Zuschauer erkennen, daß derselbe zu Pferde gestiegen sei; mit der Erscheinung von Dämonen und Gespenstern, mit der Darstellung geschichtlicher Auftritte, Schlachten u. s. f. wird ein gräßlicher Lärm verführt. Neuestens scheint sich die Schauspielkunst in China jedoch einigermaßen gehoben zu haben, wenigstens den Berichten Lay's zufolge, der besonders die Pracht der Gewandung und die Richtigkeit der Mimik rühmt. 2)

1) Eine Sammlung von chinesischen Novellen befißen wir in den „Contes chinois, trad. par David, Toms, d'Entrecolles," Paris 1827 (deutsch, 1827).

2) Vgl. Lay's "The Chinese as they are" (deutsch von J. Wilfert, 1844), S. 98-108, wo von den dramatischen Spielen der Chinesen in der Gegenwart ausführlich die Rede ist; ferner Klaproths „Asiatisches Magazin" Bd. 1, S. 66—68 und 91–97; Bazine, „Le siècle des Youen;" Edelstane Du Méril, „Histoire de la comédie" (I. pér.) und Klein, „Geschichte des Drama's," III. 378-498, wo alles zusammengefaßt ist, was über das Theater und die dramatische Literatur der Chinesen bislang in Europa bekannt geworden. Das erste chinesische Drama brachte der Pater Prémare 1731 zu uns herüber und zwar in einer Ueberseßung, welcher er den Titel „L'orphelin de Tchao" gab. Nach diesem Stücke hat Voltaire sein Schauspiel „L'orphelin de la Chine" gearbeitet. Erst hundert Jahre nach Prémare lehrte der Engländer Th. Davis die Europäer das erste chinesische Trauerspiel kennen (,,The sorrows of Han," 1830). Zwei Jahre später überseßte Saint-Julien das Drama „Hoeilan-ki,“ d. h. die Geschichte des Kreidezirkels, ins Franzöfifche. Dann gab Bazin in seinem „,Théatre Chi

Die gelehrte Literatur China's ist zu einem ungeheuren Umfang ange schwollen. In zahllosen Bibliotheken sind naturhistorische, mathematische, astronomische und medizinische Bücher aufgestapelt, der encyklopädische Fleiß der chinesischen Gelehrten ist unermüdlich und im vorigen Jahrhundert wurde der Druck eines Werkes begonnen, welches eine Auswahl der Literatur aus allen Zweigen enthalten und zu 180,000 (?) Bänden anwachsen soll. Schr gerühmt wird die Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit der Chroniken und Annalen, welche die Chinesen besitzen, und als Historiker stehen unter ihnen insbesondere Sse-ma-thsian (um 100 v. Chr.), Sse-ma-tsching (um 600 n. Chr.), Sse-ma-kuang (um 1050 n. Chr.) und Matu-an-lin (1300 n. Chr.) in hohem Ansehen.

2.

Indien.

Wenn der weit mehr dem Verstand als der Einbildungskraft entsprungene Quell der chinesischen Poesie bald zu starrer Mechanik gefror, ohne sich frische Zuflüsse zu eröffnen; zu unmächtig, die beengenden Dämme philisterhafter Stabilität, innerhalb welcher er gefesselt ward, zu durchbrechen, und zu selbst= genügsam, um diese Beschränkung auch nur zu fühlen: so erwartet uns dagegen im alten Indien die außerordentlichste Macht und Pracht der Phantasie, welche sich aller Formen der Dichtung bemächtigt, im Heldengedicht, Schauspiel, in Lyrik und Didaktik schöpferisch auftritt, dabei aber in schrankenlosester Willkür Himmel und Erde, Göttliches und Menschliches in ein sinnverwirrendes Getümmel zusammenwirft, in welchem die Menschen zu Göttern, Götter zu Menschen, Pflanzen zu beseelten Wesen, Elephanten und Affen zu denkenden und bewußt handelnden Personen werden. Die behäbige Ruhe China's macht in Indien einer maßlosen Beweglichkeit Platz, und wenn dort die verständige Nüchternheit, welche den Grundcharakter von Land und Volk bildet, gar bald in Eintönigkeit und Kleinlichkeit überging, so reißt uns hier eine rastlose Bewegung in einen betäubenden Rausch, in eine athemlose Phantastik hinein, welche zwischen dem Schönen und Unförmlichen, dem Erhabenen und Gemeinen, Anmuthigen und Ungeheuerlichen unsicher umherschwankt und nur selten der Einbildungskraft

nois" (1838) eine lebertragung von 4 chinesischen Schauspielen, welchen er noch die Uebersetzung des berühmten Drama's „Pipa-ki“ (die Geschichte einer Laute) folgen ließ. Davis spricht davon, daß die chinesische Literatur 200 Bände Schauspiele von 187 Dichtern besiße, und Bazin gibt an, daß nur in der Zeit von 1260 bis 1333 n. Chr. in China 81 dramatische Dichter geblüht hätten, welche mitsammen 564 Stücke verfaßten.

Ruhe gönnt, um sich an das Herz zu wenden und aus dessen stürmischen Tiefen einzelne Perlen zu Tage zu fördern. Aber gerade dieses, gerade der Umstand, daß der altindische Geist mitten im Taumel der ausschweifendsten Phantasiethätigkeit sich oft plößlich zu fassen, zu zierlichen Formen, zu goldhaltigen Gedanken zusammenzudrängen vermag, ohne dabei auch nur einen Augenblick seiner schöpferischen Kraft verlustig zu gehen, ist ein kräftiger Beweis seines Reichthums, seines Werthes. Die maßvolle Schönheit, die plastische Dichtigkeit und Rundung, welcher wir bei den Werken der Griechen begegnen werden, konnte er freilich nie erringen und mußte deßhalb vom erhabensten Schwung immer wieder zu gestaltloser Zerflossenheit, zu nebelhaftem Unsinn herabsinken, wie eben alle Freiheit, die sich selbst nicht zu beschränken weiß, in Anarchie verläuft. Größe und Erhabenheit, selbst inniges Herzensleben vermag auch die Anarchie zu erzeugen, aber reine Schönheit ist ohne Maß und Geseß unmöglich. Die Freiheit der indischen Phantasie ist eine anarchische, die der griechischen eine gesetzmäßige.

Die Sprache, in welcher die Geisteserzeugnisse des alten Indiens verfaßt find, ist das Sanskrit, d. h. die heilige, die vollkommene Sprache, welche seit den Zeiten, in welchen das Land von den siegreich nach Osten vordringenden Mohammedanern unterjocht wurde, eine todte d. h. nicht mehr im gewöhnlichen Leben gebrauchte und verstandene Sprache ist und nur von den Brahmanen erlernt wird, damit sie die heiligen Schriften verstehen. Eine Hauptwurzel des großen indogermanischen Sprachstamms, ist sie mit der altpersischen, gothischen, griechischen, lateinischen und lithauischen Sprache verwandt und die Mutter einer Masse von Volksdialekten, die jest in Indien gebräuchlich, von der Schriftsprache aber oft so verschieden sind, daß in manchen Gegenden Sanskritinschriften ohne weiteres als unentzifferbar gelten. Aus dem Reichthum, der Geschmeidigkeit, Vielseitigkeit und dem wohlgeregelten Bau dieser Sprache hat man, auch abgesehen von den in derselben verfaßten Schriftwerken, mit Recht auf die hohe Kultur des alten Indiens geschlossen, bevor dieselbe durch die muhammedanische Invasion und Bejochung in ihrer ferneren Entwicklung nicht nur gehemmt, sondern auch in Verwilderung aufgelös't wurde. 1) Von

1) Ueber das Kulturleben Altindiens, mit Inbegriff der literarischen Thätigkeit, find zu vergleichen: Fr. Schlegel, Ueber die Sprache und Weisheit der Jnder; A. W. Schlegel, Indische Bibliothek; Bohlen, Das alte Indien; Benfey, Indien (in der Erschund Gruber'schen Encyklopädie); Lassen, Indische Alterthumskunde; Rhode, Die religiöse Bildung der Hindus; Weber, Vorlesungen über die indische Literaturgeschichte; Weber, Indische Studien; Noth, Zur Geschichte und Literatur des Veda; Duncker, Geschichte des Alterthums, 2. A. II, 1—296; M. Müller, Chips from a German workshop (I, Essays on the science of religion; II, Essays on mythology, traditions and customs). Außer den gelegentlich im Terte namhaft gemachten Verdeutschungen indischer Poesie seien hier genannt Holzmanns Indische Sagen, 2 Bde.; Hoefers Indische Gedichte, 2 Thle.; Meiers Klaffische Dichtungen der Inder, 3 Thle.

dieser Bildung geben außerdem die zahllosen Ruinen Ostindiens und seiner Inseln Zeugniß, sowie die Nachrichten, welche sich bei Herodot, Arrian und andern Schriftstellern der Griechen, bei den ältesten arabischen Dichtern und in den Berichten alter Seefahrer und Reisenden, Vasco de Gama, Marco Polo und anderer, finden. Ganz zweifellos aber wird das Vorhandensein einer hohen Bildung im alten Indien durch den reichen Literaturschaß, dessen Fülle in Europa zuerst durch die reiche Sammlung von Sanskritschriften bekannt wurde, welche der verdienstvolle Colebrooke i. J. 1816 nach England brachte, und der seither von Jahr zu Jahr europäischen Augen mehr und mehr erschlossen worden ist.

Mit dieser erweiterten Kenntniß befestigte sich die schon geäußerte Ansicht, daß über alle geistige Thätigkeit Alt-Indiens die Phantasie eine wahrhaft zügelLose Oberherrschaft führte. Daher auch in der indischen Literatur die ganz unverhältnißmäßige Begünstigung der poetischen Formen auf Kosten der Prosa, eine so weit gehende Begünstigung, daß nicht nur die heiligen Schriften der Inder, sowie ihre Gesetze, ihre Sagen zum weitaus größten Theil in Versen geschrieben sind, sondern auch ihre Lehrbücher der Grammatik, Geschichte, Mathematik, Medizin und Geographie, während ihre Philosophie geradezu Lehrdichtung ist. Ihre ganze Kulturarbeit verwandelte sich in Poesie, deren formale Ausbildung darum auch eine beispiellose gewesen ist. Keine andere Sprache, selbst die deutsche nicht, kommt an Anzahl und kunstvoller Mannigfaltigkeit der Versmaße dem Sanskrit gleich. Bei dieser ungezügelten Vorliebe für dichterische Anschauungen und Formen konnte es aber nicht ausbleiben, daß in Indien die Einbildungskraft zu einer krankhaften Ueppigkeit vergeilte, welcher zufolge die indische Literatur im Ganzen und Großen, wohlverstanden! aller Vernunft Hohn spricht und Troß bietet. Schon die kolossale Willkür, womit die indische Einbildungskraft mit der Chronologie umgeht, kann dies darthun. Die Durchschnittsdauer vom Leben der Frommen und Heiligen beträgt da 80-100,000 Jahre. Der erste König, der erste Einsiedler und der erste Heilige der indischen Mythengeschichte brachte es sogar zu einer Lebensdauer von 8,400,000 Jahren 1). Bei einer solchen mit ganz sinnloser Verehrung für das Alterthum verbundenen Hyperbelhaftigkeit ist es ganz in der Ordnung, daß die Inder alles Bedeutende in unvordenkliche Zeitfernen zurückzuseßen lieben. Nach ihrer Berechnung ist z. B. das Gesetzbuch des Manu ungefähr zwei Milliarden Jahre alt, während die nüchterne europäische Kritik demselben nicht einmal ein Alter von 3000 Jahren zugesteht. Wie dieses Spiel mit Zahlen, so ist auch das indische Spiel mit Begriffen ins Monströse, Fraßenhafte gesteigert. Eine Märchenstimmung bes herrscht alles. Diese Stimmung ist aus dem indischen Religionsprinzip ers

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1) Asiatic researches, IX, 305.

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