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VII.

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch.

Von W. Munzinger ').

Die abyssinische Gebirgskette, die vom Meere etwa 20 Meilen entfernt, wohl 7000 Fufs hoch, südwestlich von Massua sich hinzieht und der Küste parallel zu laufen scheint, erhebt sich zwar von fern gesehen wie plötzlich aus der Ebene, aber die Steigung ist durch zahlreiche Vorgebirge vermittelt, die den ganzen Strich zwischen dem Meere und dem Hochgebirge ausfüllen, und nach und nach, je mehr sie nach Norden fortschreiten, von der Küste zurücktreten und nördlich von Massua einer Wüste Platz machen, die mit wenig Undulationen sich von Beremi bis an den Fufs des Gebirges unter dem Namen Schäb und Kedked erstreckt.

Im Hintergrunde des Golfes von Massua liegt die Stadt Arkiko, am Fufse des vereinzelt aus dem Meere emporsteigenden Berges Gedem, der, den nahen Vorgebirgen Abyssiniens gegenüberliegend, nur eine schmale Thalstrafse nach dem nahen Zula (Adulis) offen lässt. Durch diese Vorgebirge führt die Strafse nach Halay, die nördlichste Pforte des Hochlandes, zu der ein durch den Waldstrom gebildetes, bis zum Fußse des eigentlichen Gebirgsstockes sanft aufsteigendes Thal hinleitet. Die Vorberge sind von den Schoho's bevölkert, die sich in Arkiko mit den Beduan, den Herren des Samhar, begegnen und durchkreuzen. So liegt Arkiko in der Mitte dieser beiden Zonen und seine Bewohner sind aus den beiden Völkerstämmen vermischt, reden die Sprache der Beduan, holen aber ihre Frauen meist von den Schohos.

Das Land der Beduan, südlich an die schroffen Vorgebirge der Schoho's sich anlehnend, bildet eine Vorstufe zu dem Hamazen; es verflacht sich aber in nordwestlicher Richtung gegen das Gebiet der Habab und endet schliesslich als förmliche Wüste. Die Beduan haben mehrere grössere feste Niederlassungen, von denen Otumlu und Saga

') Vergl. Zeitschrift für allg. Erdkunde. N. F. Bd. I, S. 289. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III.

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Massua gegenüber, Galala und Beremi etwas nordwestlich an der Küste liegen; Motad (der Gesammtname für Aylat, Asus, Gumhod) eine Tagereise vom Meere die Mittelstation zum Hamazen bildet; die grosse Ebene Kedked bleibt rechts von diesem Wege liegen.

Das abyssinische Hochland senkt sich vom Hamazen nordwärts nach Menza und zu dem Plateau der Habab; diese Landschaften bilden einen Gebirgssattel, der zum jenseitigen Gasch und Sennaar hinüberführt.

Menza hat, Dank seiner Isolirtheit, ungleich seinen Brüdern, den Beduan, das Christenthum bewahrt und bietet in Sprache und Sitten das wahre Bild der alten Hirtennation. Die Habab sind ebenfalls vom gleichen Stamm, doch politisch und religiös der muhamedanischen Umgestaltung, wie sie die Beduan des Samhar erfahren, unterlegen.

Hat man diesen doppelten Gebirgssattel passirt, so senkt sich das Land allmählich zum Plateau der Bogos, einem eigenthümlichen, den Beduan kaum verwandten Volksstamme, und plattet sich endlich zur Wüste von Barka, der Strafse zum Nil, nieder.

Man weifs, dafs das abyssinische Kaiserthum im Alterthum von den Gallas bis zum Meere sich erstreckte und selbst ins Jemen seine siegreichen Waffen trug. Es wurde erst im fünfzehnten Jahrhundert durch die unaufhörlichen Angriffe der Gallas und den neuen Aufschwung, den der muhamedanische Glaubenseifer in derselben Zeit nahm, in seine jetzigen Grenzen zurückgedrängt. Dies Werk wurde von Adel, dem Königreich der Somalis, das damals von Zeila bis Zula (südlich von Massua) sich erstreckte und von dessen Bewohnern wohl die Schohos, der letzte Ausläufer jenes Volksstammes gegen Norden, abstammen, erfolgreich begonnen. Doch da die Vorsehung zur rechten Zeit die tapfern Portugiesen an diesen Küsten landen liefs, wurde die muhamedanische Armee eben so schnell wieder aus Abyssinien zurückgetrieben, als sie eingedrungen war, und die ungewöhnliche Kraftentwickelung, die mit dieser verunglückten Expedition natürlich verbunden war, scheint das Königreich Adel so erschöpft zu haben, dafs es bald darauf aus der Reihe der grofsen Mächte dieses Welttheils für immer verschwand.

Seine Rolle schienen die Türken übernehmen zu wollen, die sich kurz darauf Massua's und der Küste bemächtigten. Von den Eingeborenen, die dem Islam und den neuen Trägern desselben sich günstig zeigten, waren die ersten die Bewohner Arkiko's, die Belau. Als der türkische Pascha im Verein mit ihnen die Eroberung vollendet hatte und nach Djidda zurückzusegeln sich anschickte, liefs er einige hundert Türken als Garnison auf der Insel zurück, stellte aber diese und das Festland unter den Häuptling der Belau, der von dieser Regentschaft den Namen Naib (Stellvertreter) erhielt.

Die zurückgelassene Garnison vermischte sich in Kurzem mit den Leuten des Landes und wurde dadurch der einheimischen Regierung des Naib ganz ergeben. Massua wurde wegen seiner schützenden Insellage immer ausschliesslich für den Handel benutzt, doch blieb die Hauptstadt des Reiches Arkiko (in der Landessprache Dokono).

Diese Herrschaft war nie bedeutend: ihr Gebiet erstreckte sich eigentlich kaum über eine Küste von 10 Meilen. Doch wurde sie in Folge des militärischen Geistes der Belau, die insgesammt Soldaten waren und sich kaum mit andern Gewerben befafsten, stets in Ehren gehalten. Der Sold dieser Soldateska betrug 1005 Thaler, die bis auf die jüngste Zeit die Douane von Massua an Arkiko zu zahlen verpflichtet war. Eigentliche Unterthanen waren nur die Beduan des Sambar und die Schohos. Doch brachte die Klugheit der Nyab es dahin, dafs sie in dem ganzen Küstenlande bis zu den Grenzorten Abyssiniens die Gewalt von Schiedsrichtern bekamen, indem sie hier durch Heirathsallianzen ihren Einflufs begründeten, dort durch treulose Rathschläge Zwistigkeiten hervorriefen und dann leicht der in ihrer Vereinzelung schwachen Gegner Meister wurden. Nach einiger Zeit wurden sie ohne irgend welchen Widerspruch als Fürsten des Festlandes, so weit man Tigré spricht, anerkannt. Ihr Hauptbestreben war immer, die abyssinischen Karawanen sämmtlich nach Massua zu leiten, da diese ihnen die wichtigste finanzielle Hilfsquelle sicherten. Um dies zu erreichen, brauchten sie List und Gewalt. Ganz verschieden von den Fürsten von Adel sahen sie wohl ein, dass es in ihrem Interesse liege, mit dem mächtigen Nachbar von Abyssinien in gutem Einverständnils zu leben; daher traten sie nie offen gegen diesen auf und sicherten sich überdies durch Specialverträge die Freundschaft der abyssinischen Grenzstädte, deren zur Hälfte muhamedanische Bevölkerung in ihren Sitten mehr Verwandtschaft mit den Schohos, als mit den Abyssiniern hat. Gegen Schwächere wurde um dieses Zweckes willen rücksichtslose Gewalt angewandt. Als die Nyab im Anfange dieses Jahrhunderts merkten, dass das etwas südlicher in günstiger Lage befindliche Edd abyssinische Karawanen anziehe, die über die Salzebenen dorthin gingen, und so den Einkünften Arkiko's einen gefährlichen Abbruch zu machen drohe, überzogen sie dieses friedliche Land plötzlich mit Krieg und Verwüstung und zwangen den Häuptling der Stadt, auf das Buch feierlichst zu geloben, nie mehr Karawanen bei sich aufzunehmen, was seither treulich gehalten wurde; das aufblühende Edd wurde dadurch ruinirt und der Handel von Neuem an den Hafen von Massua befestigt.

Die beständigen Revolutionen Abyssiniens wurden von den Nyab benutzt, ihre Herrschaft und den Islam unter den Beduan auszubreiten.

Diese Hirtenstämme, Brüder der Abyssinier, Bewahrer der alten Religionssprache des Geez im Leben, blieben sehr lange wenigstens nominell dem Christenthume treu, und haben auch jetzt noch die katholischen Festtage nicht vergessen und den Islam fast nur dem Namen nach angenommen. Ihre Bekehrung ist wenig über hundert Jahre alt. Die Schohos waren der Landestradition zufolge noch vor Kurzem Katholiken und es existirt noch jetzt oberhalb Zula ein wohl 4000 Seelen starker Stamm, der katholisch ist und von der Lazaristenmission abyssinische Priester erhält. Die Habab wurden vor etwa 50 Jahren vom Naib mit Krieg überzogen und traten aus Furcht zum Islam über. Die Grofsväter der jetzigen Generation waren Christen, obwohl fast nur dem Namen nach. Doch läfst der Islam, sobald er einmal, wenn auch nur nominell, angenommen ist, kaum mehr eine Rückkehr hoffen. Um so erfreulicher ist es, dafs Menza und die Bogos in neuester Zeit vor einem ähnlichen Schicksal bewahrt wurden, und zwar durch die Festigkeit des Lazaristenmissionärs Herrn Joh. Stella. Der Naib machte in den letzten Jahren wiederholte Versuche, Menza unter seine Botmässigkeit und Religion zu bringen. Der Kantebay (König), ein alter Mann, wurde zuerst mit guten und bösen Worten vergebens bearbeitet, endlich das Land mit Krieg überzogen; ich habe unterhalb Menza die Wahlstatt gesehen, wo die nicht vorbereiteten Männer dieses Dorfes dem Naib ein Treffen lieferten, das freilich mit ihrer Niederlage endete. Der Kantebay wurde nach Massua abgeführt und erst vor Kurzem gegen Geifseln freigelassen, nachdem er dem Naib Unterwürfigkeit versprochen hatte. Die Unordnung, die seitdem in die Angelegenheiten der Nyab kam, liefs diese Eroberungsversuche allerdings unvollendet, aber die Furcht und die Versprechungen des Naib hatten schon Manche zum Islam bekehrt. Diese wurden jedoch durch das Bemühen des Missionärs wieder zum Christenthum zurückgeführt und ich hoffe, dafs man den Naib bei einem nochmaligen Besuche besser empfangen wird, als das erste Mal, wo man zu einem ernstlichen Widerstande nicht gerüstet war.

Die Bogos, ebenfalls alte Christen, hinter Menza und den Habab nach dem Gasch hin wohnend, waren zu weit vom Meere entfernt, um je den Einfluss des Naibs zu fühlen. Doch hatten sie von einer anderen Seite, von den Egyptern in Takka, zu fürchten. Feindseligkeiten mit den arabischen Beduan von Barka, deren Gebiet sie berühren, veranlafsten oft Invasionen derselben in Verbindung mit den egyptischen Truppen. Vor zwei Jahren wurden sie ungeahnt von einer Armee, welche der Pascha des Gasch in Person commandirte, und von mehreren tausend Beduan überfallen, die Dörfer verbrannt und völlig geplündert, und was man von Kindern, Töchtern und Frauen vorfand

(denn die Männer waren meist mit den Heerden in den Bergen), nach Takka weggeschleppt, um als Sklaven verkauft zu werden. Das Unglück kam so unerwartet, dafs an Widerstand nicht zu denken war. Der brave Missionär, der sich in der Nähe befand, eilte auf die Nachricht davon nach Takka, um den Pascha zur Rückgabe des Geraubten zu bestimmen; als dies nichts half, wandte er sich an Mr. Plowden, englischen Consul in Massua, um durch Vermittelung seiner Regierung zum Ziele zu kommen, und die vereinten Gemeinden der Bogos richteten eine Adresse, in Amhariña abgefafst, an die Königin von England, worin sie um ihre Protection für die letzten Reste des Christenthums in diesem Lande baten. Der englische Consul reiste sogleich nach Takka, um sich persönlich über die Sachlage zu unterrichten, und sandte von dort seine Beschwerde mit Eilboten nach Cairo, wo der Generalconsul sogleich energische Schritte beim Pascha that und Befehle auswirkte, in Folge deren alles geraubte Gut zurückerstattet, an 300 Kinder und Frauen ihren Familien wiedergegeben und Sicherheit vor weiteren Ueberfällen versprochen wurde. Der Pascha, der diesen Heldenzug gemacht, wurde abgesetzt. So haben die Engländer auch hier mit der bei ihnen gewöhnlichen Energie den ersten Schritt zur Gründung ihrer Macht gethan. Freuen wir uns, dass er vor Allem der Civilisation und der Ehre Europa's zu Gute kommt.

Dieser Angriff von Seiten Takka's hatte doch den einen Erfolg, dafs die Halhal, Brüder der Bogos, zum Islam übertraten, wovon sie aber jetzt, da das Motiv ihrer Bekehrung, die Furcht, entfernt worden, wohl schnell zurückkehren werden.

Der Naib überschritt den Berg nicht, der Ati-Mariam (Habab) von dem Lande der Bogos trennt, obgleich der Islam in dem ersten Dorfe dieses Volkes, Wasentet, durch Handel und Heirathen mit den Habab bedeutende Fortschritte gemacht hat. Der Islam ist übrigens meist nur unter fremden Ansiedlern zu finden; ein Muslim hat nie Grundbesitz im Lande der Bogos.

Bei den Habab aber brachte es der Naib dahin, dafs ihm ein regelmässiger Zehnt von allem beweglichen Eigenthum gegeben und er als Richter zwischen den einzelnen Stämmen anerkannt wird, ohne sich in die einheimische Regierung derselben einmischen zu dürfen, Errungenschaften, die jetzt freilich nur den Türken zu Gute kommen.

Die Macht des Naib wurde meist durch friedliche Unterhandlungen aufrecht erhalten; doch sind der Stämme so viele und die Nachbarn besonders vom Hamazen so räuberisch, dafs oftmals Waffengewalt die Diplomatie unterstützen musste. Dann wurde der Heerbann aufgeboten, dessen Kern die Belau bildeten, die immer viele Feuergewehre mit sich führen, zu Tausenden vermehrt durch die Beduan und die Schohos,

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