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Ueber den Geist der preußischen Staatsorga= nisation und Staatsdienerschaft. Vom Regierungsrathe Dr. Wehnert. Potsdam, 1833, Riegel. VIII und 106 S. gr.8. (in farbigem” Umschlage.)

Die Leser der Jahrbücher" kennen den Verf. bereits aus der Anzeige feiner frühern Schrift „über die Reform der preußischen Städteordnung" (Jahrb. 1828. Sept.) als einen ausgezeichneten practischen Staatsmann, der aber keinesweges, wie so viele bloße Practiker, die Theorie vornehm verachtet, sondern zwischen Theorie und Praxis eine Vermittelung sucht, die beiden förderlich ist.

Wer, wie der Verf., (S. IV) das Ergebniß seiner im zwanzigjährigen Staatsdienste eingesammelten Ueberzeugungen und des dabei fortgesetten Studiums der Wissenschaf= ten dem Publicum mittheilt, darf eine vollgültige Stimme in Anspruch nehmen. Sie gebührt dem Verf. als Vertheidiger der preußischen Staatsorganisation, welche, im Augenblicke der Gegenwart, im europäischen Staatensysteme entschieden als die in sich am meisten zusammenhängende und durch alle Verwaltungszweige gleichmäßig durchgeführte sich ankündigt, obgleich viele Stimmen des Auslandes in neuester Zeit gegen dieselbe sich erhoben haben. Wenigstens behauptet dieser Organismus der preußischen Verwaltung den großen Vorzug vor den übrigen bestehenden Verwaltungssystemen, selbst in mehrern constitutionellen Staaten, daß fie die geistige Wirksamkeit der Staatsdiener ungleich weniger beschränkt, als in andern Staaten geschieht, wo noch immer der unrichtige und abgelebte Begriff einer „Staatsmaschine“ vorherrscht. Ref. hat nåmlich die feste Ueberzeugung, daß in der Mitte eines, in der Eivilisation

fortschreitenden, Volkes nur diejenige Verwaltung Festigkeit und Dauer haben kann, welche den geistigen Kräften der Staatsbeamten den weitesten Spielraum verstattet, ohne daß doch durch die Wirksamkeit derselben der innere und nothwendige Zusammenhang der ganzen Staatsorganisation gehemmt werden kann. Diese Aufgabe scheint dem Ref. in der preußischen Staatsverwaltung, wie sie der Verf. schildert, gelöset zu seyn. Sehr bezeichnend sagt derselbe (S. IV): ,,Lobreden ohne Grund sind nicht von Geschäftsmånnern zu erwarten, deren Unsichten durch die Erscheinungen der Wirklichkeit, durch die in der Mitte der Verwaltung erwor bene Reife geläutert werden. Die öde Pedanterie oder die gewagte Speculation, welche einseitigen Gelehrten eigen ist, kann wahren Beobachtungsgeist nicht erzeugen; von abstra= cten Lehrsägen, von einer nur nach dem Neuen' haschenden Systemsucht läßt sich wenig Fruchtbares für den Staatszweck hoffen; desto mehr von den Resultaten des GeschäftsLebens, wenn sich wissenschaftliche Cultur damit verbindet." Seiner Schrift bestimmte er die Aufgabe (S. VII): „Wenn diese Blåtter mit der Kraft der Wahrheit etwas dazu beitragen, das lebendige Fortschreiten des preußischen Staatsorganismus im Geiste der Civilisation des Jahrhunderts anschaulicher zu machen; bekannten Principien neuen Eindruck und neues Gewicht zu verleihen; die Pflichten der Unterordnung unter die höchsten Puncte der Gefehmäßigkeit und der bürgerlichen Ordnung darzuthun, und zugleich die Aufmerksamkeit auf Vervollkommnung des Staatsdienstes zu vermehren; so ist der Zweck des Verfassers erreicht."

Ref. ist der Meinung, daß der Verf. diesen Zweck er

reichte. Er giebt in gedrångten Umrissen die Uebersicht der preußischen Staatsverwaltung, nach ihren einzelnen Theilen, und weiset den innern Zusammenhang dieser Theile nach; er zeigt, wie dieser Organismus in neuerer Zeit sich bildete, und wie durch ihn die Hauptzwecke des Staatslebens verwirklicht werden; und dies alles führet er in einer Elaren, lebenswarmen, und jeden gebildeten Leser völlig be friedigenden, Form der Darstellung aus.

Indem Ref. seine Leser ersucht, die Durchführung der einzelnen Verwaltungszweige bei dem Verf. selbst nachzu'Lesen, hålt er es für Pflicht, einige allgemeine Ansichten des Verfs. über Staatsdienst und Verwaltung mitzutheilen, weil bei wenigen politischen Schriftstellern der Gegenwart ein so gleichmäßiges Berücksichtigen der Praxis mit der Theorie sich finden dürfte, wie bei dem Verf., und weil, im Geiste seiner Darstellung, der Staatsdienst selbst nach seiner hohen Würde und Wichtigkeit, und nicht blos als ein todter Mechanismus erscheint, bei welchem es blos darauf ankommt, daß jedes einzelne Rad an der rechten Stelle steht und, als solches, den ruhigen Fortgang der Maschine befördert.

Kann bei einer Staatsregierung, fagt der Verf., „irgend etwas die höhere Intelligenz, die Umsicht im Großen, das Durchdringen der gesellschaftlichen Bedürfnisse bethätigen; so ist es die Kunst, mit welcher die Wirksamkeit der Staatsbehörden geregelt wird, die Kunst, mit welcher die Antriebskräfte vertheilt werden, nach welchen die bürgers liche Gesellschaft in den größern Massen und in den kleinern: Kreisen sich bewegen soll. Die Verwaltungsgeschäfte eines ausgedehnten und cultivirten Staates find. von so unend

licher Menge und Mannigfaltigkeit, daß eine geordnete Führung ohne zweckmäßige Classification, ohne systematische Theilung und Unterabtheilung, gar nicht denkbar ist. Die Verwaltungszweige bedürfen, wenn ihre Lebensthätigkeit den ganzen Staat harmonisch erfüllen soll, einer wohlberechneten Gliederung nach Gebiets- und Geschäftsabtheilungen, und einer klugen Unterordnung der getheilten Organe unter den überwiegenden Willen des Centralpuncts."

Wenn aber der Verf. (S. 3) behauptet, daß Keinem, der die Gesinnungen der teutschen Völker beobachtete, es entgangen seyn könne, „daß der Sinn aller Classen ungleich. mehr auf administrative Verbesserungen, als auf Verfassungsfragen gerichtet sey" so muß Ref. eine Gegenrede sich erlauben. Ref. giebt im Voraus zu, daß eine, in allen ihren Theilen und Zweigen ümsichtig geordnete und zeitgemäß neu gestaltete, Administration die Verfassungsfrage als minder dringend erscheinen lasse; er giebt ferner zu daß diese Verfassungsfrage hauptsächlich in allen den Staaten mit größerer Allgemeinheit und Lebendigkeit sich ankündigte, wo entweder die Administration einen Stillstand, vielleicht von einem halben Jahrhunderte, gemacht hatte, oder wo fie, namentlich in der Besteuerung und in der Willkühr der Justiz, als höchst drückend erschien; allein von der andern Seite wird Keiner, der das südliche und west= liche Teutschland aus Erfahrung und Anschauung kennt, in Abrede stellen können, daß hier die Verfassungsfrage in allen Stånden und Claffen des Volkes angetroffen und besprochen wird, und daß man - bald im dunkeln Gefühle, bald im klaren Begriffe nur von der innigen Verbindung einer zeitgemäß gestalteten Administration mit einem zweckmäßigen

Grundgesehe das Heil des innern Staatslebens erwartet. Ref. läßt es jetzt dahin gestellt seyn, ob wirklich auf diesem Wege das Heil der neuern Zeit erreicht werde; allein als Thatsache besteht dieser Glaube, und die öffentliche Meinung kann in keinem Staate unserer Zeit, sobald sie mit Ruhe, Umsicht, und gestüßt auf das Gefühl eines anerkann= ten Bedürfnisses sich ausspricht, unberücksichtigt bleiben. Doch trifft diese Verschiedenheit der Ansicht zwischen dem Verf. und dem Ref. über die „Verfassungsfrage“ nur ein politisches Dogma, das mit dem Gegenstande, den der Verf. behandelt, mit der Zweckmäßigkeit der that sachlich bestehenden preußischen Staatsverwaltung in keiner unmittelbaren Verbindung stehet.

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Wir hören den geistvollen Verf. weiter: Die große Erfahrung von dem unzertrennlichen Zusammenhange der staatsbürgerlichen Freiheit mit einer unerschütterlich begründeten Regentenmacht verbreitet immer mehr das Bedürfniß der Einheit und Ordnung in der Staatsverbindung; und so wie die festbegründete Regierungsmacht die sicherste Ges währleistung der bürgerlichen Freiheit enthält, so ist auch wieder die geordnete bürgerliche Freiheit der sicherste Tråger der Regentenmacht. Die wahre Freiheit ist nichts anderes, als Herrschaft des Gesetzes. Eine solche kann der Regent um so leichter geben, als sie für ihn selbst Gewinn ist; jede (?) andere Freiheit ist nichts, als die Gewalt, eigenmächtig zu handeln. Es giebt ein echtes juste-milieu; es ist da, wo Vernunft, Måßigung und Pflichttreue, wo das Fortschreiten in der Intelligenz und Bil dung in der Staatsverwaltung, und Achtung gegen die heiligsten Befihthümer der Gesellschaft unter Einem

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