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war es 1), welche auf den Feuergeist Hutten's einen so tiefen Eindruck machte, dass er dem unter dem Drucke schwerer Sorgen und körperlichen Leidens ermattenden Genossen zurief?): „O saeculum! o litterae! Iuvat vivere, etsi quiescere nondum iuvat, Bilibalde! Vigent studia, florent ingenia!" Wahrlich, wenn schon die Entschleierung des russischen Flachlandes ihrer Zeit die Gemüther so tief bewegte, dass die Freude über den Sieg der Erkenntniss sich in so ungestümer Bewunderung des Zeitgeistes äussern konnte, so besteht für uns Geographen der Gegenwart, die wir im ablaufenden Jahrhundert so viele und weit grössere Räthsel gelöst oder doch der Lösung näher gerückt gesehen haben, alle Veranlassung, uns nicht von den Humanisten beschämen zu lassen. Schon hat denn auch ein deutscher Geograph die Gelegenheit wahrgenommen), in einem weihevollen Augenblicke der akademischen Jugend Hutten's Worte ins Gedächtniss zu rufen und sie dadurch zur eigenen Arbeit anzuspornen.

1) Jak. Burckhardt, De Ulrichi de Hutten Equitis fatis ac meritis Commentarii, Wolfenbüttel 1717, 1. Theil, 54ff. Hutten hatte zuvor mit Pirckheymer über Wolga und Don korrespondirt, war aber von dessen, wesentlich auf die antiken Autoritäten zurückgreifender Darlegung nicht ganz befriedigt. Jetzt standen bessere Hilfsmittel der Belehrung zu Gebote. Der junge Ritter hatte den kaiserlichen Gesandten beim moskowitischen Hofe S. v. Herberstein, persönlich kennen gelernt und hatte von ihm Dinge erfahren, welche der weiteren Öffentlichkeit erst durch das ziemlich viel später gedruckte Reisewerk (Hantzsch, a. a. O., S. 513) zugänglich wurden. Ausserdem beruft er sich auf den Auctor libelli de duobus Sarmatiis inscripti“, der aber auch über den Lauf der Wolga genau genug unterrichtet sei. Damit ist angespielt auf den Polen Mathias de Miechow, dessen hier gemeinte Schrift 1517 in Krakau und in deutscher, von Joh. Eck besorgter Übertragung 1518 in Augsburg erschienen war; vgl Michow's Vortrag (Das Bekanntwerden Russlands in vorherbersteinscher Zeit, der Kampf zwischen Autorität und Wahrheit, Verhandl. d. 5. Deutschen Geographentages, S. 121 ff.), der auch Hutten's Stellung zu diesen Fragen präcisirt. Zwei Ergebnisse neuester Forschung stehen diesem zufolge im Jahre 1518 fest: Die Wolga („Rha" des Ptolemaeus) ergiesst sich in das Kaspische, nicht in das Schwarze Meer, und es giebt nirgendwo in den russischen Ebenen die Rhipäen, jene hohe und lange hyperboreische Gebirgskette, welche seit Hippokrates zum eisernen Besitzstande der Erdkunde gehört hatte, sich aber vor den Augen des ersten Westeuropäers, der ernstlich nach ihr suchte, in nichts auflöste. So sah der Kämpe des Fortschrittes, der allenthalben das Veraltete zu beseitigen, Neues an dessen Stelle zu setzen bestrebt war, in dem Schicksale der Rhipäen ein Prototyp für die Vernichtung der Vorurtheile überhaupt. Und in der That bietet ja auch das Entdeckungszeitalter die treffendsten Belege, dass die hergebrachten geographischen Dogmen schwanden, sobald man sie nur erst mit der Fackel der Forschung zu beleuchten wagte.

2) Burckhardt, S. 59 ff.

) J. Partsch, Die geographische Arbeit des 19. Jahrhunderts, Rede gehalten beim Antritte des Prorektorats, Breslau 1899, S. 17.

Gruppe VI. Historische Geographie.

Entdeckungsgeschichte von England

im Alterthum.*)

Von W. Sieglin,

Professor der historischen Geographie an der Universität Berlin.
(Vormittags-Sitzung vom 3. Oktober.)

Die Geschichte der Entdeckung Grossbritanniens durch Phönicier, Griechen und Römer ist in ihren Anfängen von der des Zinnes nicht zu trennen. Dieses Metall, dessen das Alterthum in erster Linie zur Herstellung der Bronce bedurfte, gehört zu denjenigen, die am seltensten auf unserer Erde vorkommen. Unter den Ländern, die dem Handelsverkehr der Antiken erschlossen waren, findet es sich nur in Spanien, in der Bretagne sowie im Limousin, in Cornwall und dem angrenzenden Devonshire; endlich im Quellgebiete des Hilmend, im Osten des Persischen Reiches. Die Gruben dieser letzteren Landschaft wurden aber, da sie, Herodot unbekannt, von Ktesias zum ersten Mal genannt werden, vor Ausgang des 5. Jahrhunderts nicht eröffnet. Das hinterindische Zinn gelangte, soweit wir wissen, niemals nach den Ländern des Mittelmeeres. Hingegen im Kaukasus und im nordwestlichen Arabien, in Midian, finden wir einige, wenn auch schwache Spuren eines alten, früh unterbrochenen Abbaues. Die Lager des sächsisch-böhmischen Erzgebirges wurden erst im Mittelalter entdeckt.

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Wir verstehen es, dass die Antiken, sobald sie den Werth des kostbaren Metalles erkannt, ist doch die Bronce viel glänzender, härter und weniger oxydirbar als das reine Kupfer, und von den Gruben des Atlantischen Oceans Nachricht erhalten, den früher kaum

*) Der ursprüngliche Entwurf dieses Vortrags hatte bei der knapp zugemessenen Zeit in manchen Theilen eine Verkürzung erleiden müssen. Hier ist die erste Niederschrift gegeben; nur wenige Stellen erscheinen mit leichter Hand geändert. Mit durchgehenden Belegstellen versehen, wird der Vortrag auch in den von mir herausgegebenen „Quellen und Forschungen zur alten Geschichte und Geographie" im Herbst 1900 als besonderes Heft erscheinen.

besuchten Nordwesten immer häufiger zum Ziel ihrer Fahrten wählten. Schon in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. hatten die Phönicier in kühnen Zügen den Mittelmeer-Küsten folgend, die Strasse von Gibraltar erreicht, und auf beiden Seiten derselben Handelsniederlassungen gegründet. Gades ward nach antiker Tradition zur Zeit der dorischen Wanderung, im 12. Jahrhundert v. Chr. erbaut; noch älter waren Sexi und Onoba, sowie Lixus an der Westküste Mauretaniens.

Der Reiz, den Spanien selbst auf die fremden Kauffahrer ausübte, bestand in der ältesten Zeit freilich mehr in dessen Silberals in dessen Zinn-Reichthum. In den Bergen Andalusiens fand man zwar im Alterthum reichliche Lager von Zinn; auch der Guadalquivir führte nach glaubhafter Überlieferung dieses Metall. Beide Fundstätten wurden jedoch erst im 5. Jahrhundert v. Chr., nachdem die Karthager hier festen Fuss gefasst, in umfangreicherem Maasse ausgebeutet; und selbst die Zinnschätze, die die Berge Callaeciens in sich schlossen, wurden erst kurz vor Beginn der römischen Herrschaft bekannt.

Wann die Phönicier zum ersten Mal bis nach England und den später so sagenberühmten Zinn-Inseln an der Bretagne ihre Fahrten ausgedehnt, darüber fehlt uns jede Kunde. Plinius nennt Midacritus als den ersten, der das dortige Zinn nach dem Mittelmeer gebracht. Ob wir statt dessen Milacritus lesen, wie bisher fast allgemein geschehen, oder Mida Brigus, wie S. Reinnach neuerdings vorgeschlagen, und im ersteren Falle den phonicischen Melkart, im anderen den mythischen Phrygerkönig Midas in dem verstümmelten Namen erkennen wollen, - beide Annahmen bezeugen uns, dass der Handelsverkehr nach dem Norden älter war, als die gesicherte geschichtliche Tradition. Wenn wir in Erwägung ziehen, dass in der Bretagne alte Zinngruben entdeckt wurden, die nach den in ihnen gefundenen, zu ihrer Ausbeutung gebrauchten Werkzeugen schliessen, in der Übergangs-Periode von der jüngeren Steinzeit zur Broncezeit, zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert v. Chr., angelegt worden sind, und wir uns weiter erinnern, dass in den Gräbern der mykenischen Periode Zinn, das zu den Hellenen lediglich aus den Kassiteriden gelangte, seit mindestens dem 12. und 11. Jahrhundert zur Herstellung der Bronce verwendet erscheint, werden wir den Beginn der Fahrten nach den Zinnländern des Nordens noch in den Ausgang des 2. Jahrtausends v. Chr., in die Zeit unmittelbar nach der Gründung von Gades, setzen dürfen.

zu

In einer der ältesten Partien der Odyssee wird von dem wilden Volke der Lästrygonen gesprochen, in deren Lande Tag und Nacht so enge sich berühren, dass der des Abends von der Weide heim

kehrende Hirte bereits dem des Morgens ausziehenden Genossen begegne. Im Umkreise des Mittelmeeres hatten Griechen und Phönicier keine Möglichkeit, die hellen Nächte des Nordens auch nur mehrere Wochen hintereinander zu beobachten; weder Herodot noch Hippokrates noch irgend einer der Geographen, die den Pontus oder Gallien beschreiben, in älterer oder jüngerer Zeit, erwähnen dort eine ähnliche Erscheinung. Die geringen Anfänge einer länger andauernden Dämmerung, welche die Antiken in diesen Ländern wahrnehmen konnten, erschien ihnen begreiflicherweise nicht bemerkenswerth genug. Erst in Britannien fielen dem Mittelmeer-Bewohner die hellen, kurzen Nächte auf; nur als Eigenthümlichkeit dieser Insel werden sie von Griechen und Römern selbst in der Zeit, in der ihnen Nord-Deutschland bekannt war, immer und immer wieder hervorgehoben. Wir haben kaum eine Möglichkeit, die Kunde, welche die Odyssee in so früher Zeit von der Himmelserscheinung verräth, anders zu erklären, als durch die Annahme, dass sie den Griechen auf demselben Wege vermittelt wurde, auf dem diese das Zinn und, wie wir sehen werden, einen Theil ihres Bernsteins erhielten, durch phönicische Nordlandsfahrer. Der Umstand, dass die alte Lästrygonensage in der Odyssee willkürlich mit den erdgeborenen Riesen von Kyzikus, die Odysseus angeblich besucht, in Verbindung gebracht wird, darf uns an der wahren Heimath des Volkes an den Ufern des nördlichen Oceans keine Zweifel aufkommen lassen. Schon Krates von Mallos hat das Richtige gesehen, nur dass er in entschuldbarem Irrthum Odysseus selbst in diese Gewässer gelangen lässt. In der Sage von den Lästrygonen und den in ihrem Lande bemerkbaren Himmelserscheinungen treffen wir somit die erste schwache Spur einer Kenntniss des nordwestlichen Europas im Mittelmeer.

Eine zweite finden wir fast gleichzeitig in dem ehrwürdigen Mythus von dem Sonnenkinde Phaethon und dem Eridanus-Fluss, mit dem die ältere Sage unzweifelhaft den Rhein bezeichnet, sowie der Entstehung des Bernsteins. Der Mythus, dessen hohes Alter schon durch die Thatsache, dass der Eridanus-Fluss in Hesiod's Gesängen. erwähnt wird, gesichert ist, verräth eine bemerkenswerthe Kenntniss von der Heimath und dem Ursprung dieses Fossils. Wie die Ausgrabungen Schliemann's und anderer Forscher ergaben, hatte deutscher Bernstein bereits in der mykenischen Periode seinen Weg nach Hellas gefunden; in der Odyssee wird er als phonicischer Handelsartikel genannt; umgekehrt aber sind Erzeugnisse altphonicischer Industrie in einigen Gräbern Nord-Deutschlands zu Tage getreten. Nun fügt sich der auffallende Umstand hinzu, dass das Fossil, indem es den Thränen der in Pappeln verwandelten Schwestern Phaethons entstammen soll, in der Sage von Anfang an als Baumharz richtig erklärt erscheint,

eine Erkenntniss, die eine Vertrautheit mit seinen Lagerstätten von Seiten der Urheber der Sage um so nothwendiger voraussetzt, als das spätere Alterthum trotz der Untersuchungen der angesehensten Naturforscher nur thörichte Hypothesen über seine Entstehung aufzustellen vermochte. Erst als die Römer nach Deutschland kamen und so die Antiken zum zweiten Male die Möglichkeit erhielten, die Fundstellen zu besichtigen, konnte die Erkenntniss, dass Bernstein eine Harzbildung sei, wieder auftauchen. Wenn wir dies Alles und die weitere Erscheinung erwägen, dass, wie Gräberfunde unzweifelhaft darthun, bald nach der Homerischen Periode gleichzeitig mit dem Sinken des phonicischen Handels auch der Bernstein-Import in Griechenland plötzlich abnahm, wird die Vermuthung kaum abzuweisen sein, dass vereinzelte Schiffe der Phönicier zu Ausgang des zweiten und zu Anfang des ersten Jahrtausends, wenn auch nicht bis zur Ostsee, so doch in die Nordsee vorgedrungen sind, um den kostbaren Schmuck in seiner Heimath zu sammeln oder zu erhandeln. Dass ein Theil der Bernsteinmengen, die im Alterthum nach den Mittelmeer-Ländern gekommen sind, auf dem Landwege, im Tauschverkehr von Volk zu Volk, dorthin gebracht worden sind, ist nach den in den Pfahldörfern der Po-Ebene gemachten Funden nicht zu bezweifeln; hatte doch das Harz vor dem Zinn den grossen Vorzug der leichteren Transportfähigkeit. Aber die grössere Hälfte ist wohl durch Oceanschiffe vermittelt worden.

Fassen wir alle Momente, die uns über die Handelsbeziehungen der Phönicier zu Gebote stehen, zusammen, so scheinen diese trotz der Schwierigkeiten, welche die grossen Entfernungen, die Gefahren des Meeres, die Habgier der Barbaren ihren Unternehmungen entgegenstellten, die Verbindung mit dem Norden mehrere Jahrhunderte aufrecht erhalten zu haben. Wir werden uns den Vorgang wohl so denken dürfen, dass sie in ähnlicher Weise, wie wir es bei ihren und Salomon's Fahrten nach Ophir sehen, in Zwischenpausen von einigen Jahren die Bretagne regelmässig aufsuchten, einzelne ihrer Schiffe aber ich wiederhole mit Absicht die Einschränkung in der Zahl und dem Ziel — mitunter bis England und selbst zur Rhein-Mündung sich vorgewagt haben. Erst die politischen Veränderungen, von denen die Länder westlich des Euphrat seit der Mitte des 8. Jahrhunderts durch das immer mächtiger sich ausdehnende Volk der Assyrer betroffen wurden, dessen Könige, von dem Reichthum der Küstenstädte angelockt, deren Besitz mit aller Macht erstrebten und zuletzt auch erreichten, vermochten der phönicischen See- und Handelsherrschaft ein Ende zu bereiten. Zwar wurden die über einen ansehnlichen Theil des Mittelmeeres ausgedehnten Kolonien der Tyrier von der Katastrophe nicht unmittelbar betroffen, aber des Schutzes des Mutter

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