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erklärt Hamlet seinen Entschluß, in der nächsten Nacht die Erscheinung mit abzuwarten, und in den lehten fünf Zeilen (fie beginnen mit einem muthigen Auftact: „My father's spirit in arms!" meines Vaters Geist in Waffen! und endigen mit einer tiefsinnigen Betrachtung) ist abermals deutlich die Mischung von momentanem Aufschwung und Gesenktheit wahrzunehmen.

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§. 15.

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Wir können die Scene nicht verlassen, ohne noch des Verhältnisses des Prinzen zu Horatio zu gedenken. Man ist gewohnt diese beiden als Freunde in höherem Sinne zu betrachten, woran aber der Dichter nicht gedacht hat. Horatio ist ein pflichtgetreuer wackerer Unterthan, bescheiden bis zur Uebertreibung, mit der kleinften Sphäre begnügt, ohne großartige Erhebung, ja ohne besondern Geist, doch haushaltend mit dem was er ges lernt hat. Wie wenig es ihm selbst einfällt sich als Freund des Prinzen zu betrachten, zeigt er sogar beim ersten Wiedersehen desselben, wo sonst doch wohl das Gefühl sich höher aufzuschwingen pflegt, indem er sich nur einen armen Diener" Hamlets nennt. Ein folcher Mann kann als Stab und Stüße sehr schäßbar seyn, aber zu einem Freunde ist er nicht gut genug. Auch Hamlet ist über das Verhältniß zu ihm ziemlichy im Reinen, und die Anrede nach länger Trennung: ich bin erfreut, euch wohl zu sehen“ zeugt nicht von besonderm Feuer. Daß er den, armen Diener nicht

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gelten läßt, sondern in einen Freund" verwandelt, ist theils geselliger Anstand, theils wirkliche Schäßung von Horatio's Verdienst, die: sich bei jedem nicht ganz verwahrlosten Menschen, um so mehr zeigt, je tiefer fich eine achtbare Person selbst herabsetzt. Daß sich späterhin seine Schäßung noch, erhöht, ist leicht begreiflich, da fich Horatio's Unterthanentreue immer deutlicher zu erkennen giebt. Als er ihn aber endlich einmal vollstånbig lobt:

Du warst

Als littst du nichts, indem du alles littest;
Ein Mann, der Stöß' und Gaben vom Geschick
Mit gleichem Dank genommen u. f. iv.

(Act III, Sc. 2)

wozu macht er ihn da? Zu einem negativen Ideal oder zu einem Stoiker; und ein solcher möchte sich überhaupt wohl zur Freundschaft am wenigsten schicken. Warum aber hat Sh. den Horatio nicht geistig erhöht? Weil dadurch das ganze Stück würde aus seinen Angeln gehoben seyn. Wäre Horatio ein großartig kraftvoller Mann, so würde er den Freund mit sich fortgeriffen oder doch für ihn gehandelt haben, und alles wäre anders, So aber kommt er wie jener nur zur Einsicht, nicht aber zum Handeln; ja er steht in mancher Beziehung, z. B. in Scharfsinn, Wit, Phantasie, Beredsamkeit, tief unter dem Prinzen, obwohl er ihn in der moralischen Mäßigkeit der Gesinnung weit übertrifft. Ferner ist es wahrhaft tragisch, daß der arme Prinz in aller feiner Umgebung keinen höhern findet

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als diesen Horatio, und daß er sich an diesen schließen muß, weil kein anderer da ist. *) — Der ist doch wenigstens ein ehrlicher Mann, was allerdings sehr viel ist, wofür aber Hamlet dessen geistige Mittelmäßigkeit verschmerzen und sich überhaupt begnügen muß. Vollendete Liebe und Ehrfurcht hat dieser nur ein einziges Mal gefühlt, und zwar für den Vater, dessen Verlust nie erfest werden kann. 100k ja ajat

§. 16.

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Die dritte Scene führt uns in das Haus des Polonius und wir sehen den Laertes von seiner Schwester Ophelia Abschied nehmen. Der Bruder fürchtet schlimme Folgen von der zärtlichen Neigung des Prinzen für Ophelien, und warnt sie gutmeinend, aber vorlaut, unzart und altklug. "Er scheint nicht zu begreifen, daß ein Theil seiner Mahnung von der reinen Unschuld gar nicht würde verstanden werden können, und für befangene Halb-Unschuld nur phantasievergiftend seyn möchte.

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Er hört sich selbst gern predigen - der åchte Sohn des Polonius, 'dem Vater 'fast' wie aus den Augen geschnitten, kann es mit der Zeit wohl auch noch zum Horcher bringen — und rührt mit unzarter Hand ein

*) Wie oft wiederholt sich ein solcher Fall in der Weltgeschichte, wie im Leben einzelner bedeutender Månner! Je erfahre ner der Leser selbst im Leben ist, je mehr sprechen ihn des Dichters tragische Beziehungen an.

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stilles füßes Geheimniß an, wofür er jedoch von der sonst so sanften Schwester eine bittere Antwort bekommt. Polonius tritt ein, und da er den jungen Mann, der vor lauter Redensarten nicht zum Abreisen kommen kann, noch erblickt, so nimmt er sich zusammen und giebt ihm feierlich einige gute und mittelmäßige Lebens- und Reiseregeln mit auf den Weg. Beim Abschied ist fast jeder Mensch leidlich erhaben, rührend und gerührt. Ohnehin kommt Polonius so eben vom Hofe, ist noch im Ornat, und kann deshalb noch einiges Feierliche ausspenden, so wie denn überhaupt diese ganze Rede wohl schwerlich heut zum ersten Mal von ihm gehalten seyn möchte, da sich dergleichen Gelegenheiten öfter ereignen.. Jetzt aber, da der unbequeme Jüngling nun weg ist, macht Polonius es sich bequem, und, neugierig geworden durch ein paar aufgehaschte Worte des Sohnes, läßt er sich von Ophelien beichten. Die Sache ist ihm schon ziem lich klar und er hat längst nachgedacht, was dabei зи thun sey. An eine eheliche Verbindung seiner Tochter mit dem Prinzen (den'er ohnehin nicht liebt) ist schwerlich zu denken; darum hat er, wie es scheint, schon be schlossen dem Könige die Sache zu vertrauen. Dann steht er als ein überaus pflichttreuer Minister da, und das Band zwischen ihm und dem Fürsten wird immer enger. Für seine Tochter hat er nur unartige Verweise, ein Wortspiel, das aber leider mit ihm spielt, und den Wiz des Bequemen. (,, dummes Ding,“,, Ertrag,“ Sprenkel für die Drosseln" u. a.)

So charakteristisch aber auch die Reden des Laertes und des Polonius in Beziehung auf ihre eigene Individualität sind, so nicht minder in Beziehung auf Ophelien. Das Uebermaaß von Härte und Altklugheit abgerechnet, muß doch in der Richtung ihres Ermahnens, worin beide übereinkommen, einiges Haltbare seyn, und so ahnen wir schon jest in der liebenswürdigen sanften Ophelia dennoch einen leisen Anflug von sinnlicher Neigung, die ihr selbst freilich völlig unbewußt ist.,

§. 17.

Die vierte Scene führt uns zurück auf die Terrasse, wo wir Hamlet, Horatio und Marcellus auftreten sehen. Die Mahnung an Ort und Zeit låßt uns sogleich den Geist erwarten, aber es erschallen erst grelle Trompetenstöße und Geschüß wird abgefeuert, denn der König hålt Wort, schlemmt und zecht und läßt seine Siege verkünden. Es ist ein ungeheurer Gedanke: der König hålt oben im Schlosse Schmaus und taumelt den ge= räuschigen Walzer" und unten - wandelt der Geist des gemordeten Bruders! Hamlets Reflerion über das schwindelköpfige Zechen seiner Landsleute" ist eben so geistreich als zweckmäßig gerade an dieser Stelle, da wir verweilend, uns desto mehr auf die Erscheinung des Geistes vorbereiten. Er kommt, und alle Schrecken, die nur das von Phantasie gehobene Herz zu ahnen vermag, dringen auf Hamlet ein; vor der völligen Ueberwältigung durch den Moment schüßt den Prinzen nur

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