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Indem wir uns diesem Werke nähern, das nicht bloß,

wie die alte Sphinx, Räthsel aufgiebt, sondern selbst das größte Räthsel ist, sollten wir billig zuvörderst einen Anruf an die Muse der Einfachheit und Bescheidenheit vorangehen lassen, die, freilich immer nöthig, hier als erste und lehte Bedingung walten muß. Wir stehen jezt vor einem wunderbaren Riesenschlosse, in welchem seltsame und tiefsinnige Geister hausen. Schon mancher wollte stürmisch eindringen: aber es ging ihm fast wie dem noch ungeläuterten Tamino, dem aus den verschlossenen Pforten das traurige Wort: Zurück! entge gentonte. Andere gelangten wirklich in den Vorhof, vernahmen einiges Wunderbare, wurden aber dann über

müthig und zürnten fast dem Geiste, der schweigend durch ihre Mitte ging und ihnen nicht Rede stehen wollte. Noch andere, höher begünstigt, drangen tiefer ein, be hielten aber entweder das Geheimniß für sich, oder deuteten doch nur einzelnes leise an, das wohl geeignet war den Trieb nach umfassenderer Belehrung noch mehr zu entflammen. Wer auch nur von der Tiefe dieses Drama's einige Ahnung hat, wird nie ohne eine gewisse ehrfurchtsvolle Scheu, die mit der Liebe Hand in Hand geht, von demselben reden. Es wird stets sein eben so freies als nothwendiges Studium bleiben, es wird ihm zuleht zur Allegorie eines großen Theils des modern tragischen Lebens werden; und wenn er erst gelernt hat es im Ganzen aufzufassen, so werden ihm selbst einzelne Stellen wie ein Blißesglanz erscheinen, der manche der bedeutendsten Partieen in der Geschichte der Völker wie der einzelnen Menschen plößlich wunderbar erhellt, wobei das lang gesuchte lösende Wort feierlich doch unumwunden ausgesprochen wird. Aber wir bedürfen auch einer ganz besondern Stärke und Eigenkraft, wenn wir diesem Schauspiele nahe treten, denn es schwebt um dasselbe und weht in demselben ein eben sowohl lockender als betäubender Zauberduft, so daß gar manche schon, während sie nur überschauen wollten, sich fast als Gefangene ergeben mußten, oder doch wenigstens selbst in eine der Hamlet'schen ähnliche Stimmung versezt wurden, in welcher man nicht mehr ganz klar zu sehen vermag.

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Wir wollen jedoch zuvörderst alle früherè èrnste und redliche Bemühungen, das Verständniß dieses Schauspiels zu eröffnen, mögen dieselben nun gestern, oder vor einen Jahrhundert, oder schon zu Shakspeares Zeiten begonnen seyn, in ihrem ganzen Werthe freudig anerkennen; dann aber zugleich für unsern Zweck gar vieles zu vergessen suchen, was wir jemals über dieses Stück gehört oder gelesen haben. Möge auch der günstige Leser daffelbe thun wollen, um jezt das ganze Stück, gleichsam alz wäre es noch nie betrachtet worden, von der ersten bis zur lehten Scene bald streng verweilend, bald rasch mit mir durchzugehen. Wir wollen, um es mit Einem Worte zu bezeichnen, versuchen, ob wir lesen können, was in den Zeilen steht, und hinter und zwischen denselben, und was wir gelesen haben, ruhig der Prüfung derer, welche prüfen können und wollen, übergeben.

§. 3.

Das in Alt: Dänemark herrschende Haus hat wie das ganze Land den größten Verlust erlitten. Der Kdnig, ein edler Heldenfürst, der, außer andern großen Thaten, einst auch den Fortinbras, Herrscher von Norwegen, überwand und einen bedeutenden Theil seines Gebiets als Lohn des fiegreichen Zweikampfes erwarb, ist plóklich aus seiner glänzenden Laufbahn gerissen und auf eine trübgeheimnißvolle Weise gestorben. Ein allgemeines Schrecken hat sich im Lande verbreitet: denn wenn schon der Tod eines allgemein bewunderten und gelieb

ten Fürsten eine schmerzliche Theilnahme erregen muß, so ist dieselbe hier noch gesteigert worden durch die Art des Verlustes. Wie in Griechenland: niemand den Tod in der Schlacht für ein Uebel hielt, sondern für den höchsten Triumph, wohl aber den Schmerzenstod des Hausvaters Kan einer Krankheit, in der Mitte der Seinigen: —so auch im alten Norden. Und nun hier noch das Geheimnißvolle der Krankheit des Dånenkönigs, der ➡ etwa in der lehten Hälfte der noch rüstigen Mannesjahre so jammervoll aus dem blühenden Leben abgefordert war: dieser Umstand vermehrte den Schrecken in der Fürstenburg wie im Lande. Diese Stimmung benußt. Claudius, der unkriegerische und vom Volke nicht geliebte aber listige:Bruder des Verstorbenen, und besteigt den verlassenen Thron. Hamlet, der Sohn des gefalle nen Königs, ist in eine so tiefe Schwermuth versunken, daß er das (hier nur locker gedachte und nicht entscheidende) Recht der Erbfolge nicht geltend macht, sondern wie betäubt geschehen läßt, was er nicht hätte dulden dürfen. Claudius wohl ahnend, daß sein Schritt nicht ohne Mißbilligung könne betrachtet werden, sucht seine geglückte Anmaßung durch einen zweiten Schritt zu verstårken, indem er sich mit der königlichen Wittwe, Gertrud, vermählt, obwohl noch kaum zwei Monate feit dem Tode des Königs verflossen find.

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S. 4.

Hier beginnt das Stück. Der Dichter führt uns

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