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Zwei ähnliche Mysterken, die man in einer alten Handschrift mit dem großen Passions: Myster beisammen findet, scheinen bald nach diesem entstans den und dramatische Fortseßungen desselben zu feyn. Das eine ist das Myster von der Empfängniß und Geburt der heil. Jungfrau, das ans dere das Myster von der Auferstehung 2). Jenes hat einige Stellen, aus denen man sieht, daß der Dichter nur zu früh lebre, um sich der dramatischen Beredsamkeit im Styl der franzó siz schen Tragiker aus den folgenden Jahrhunderten im Starken und im Rührenden ) zu nähern,

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Terre qui nous fouftient tous deux,
Pour nos pechez libidineux,

En tes lieux
Ténébreux

Nous transporte.

Die

Einen Auszug aus beiden enthält der Iste Band der Hift. du théatre françois von den Brüdern Parfait. b) Hier ist eine Probe des Starken, Lucifer haranguirt feine höllischen Geister.

Diables d'Enfer horribles et cornus,
Gros et menus, ors regardz bafiliques,
Infames chiens, qu'eftes-vous devenus?
Saillez tous nudz, vieulx, jeunes et chanus,
Boffus tortus, ferpens diaboliques,

Aspidiques, rebelles tyranniques,

Vos pratiques de jour en jour perdez,

Traitres, larrons, d'Enfer fortez, vuidez.
Parles-tu point, Sathan accufateur,
Perfécuteur de tout humain lignaige?
Toy Bélial noftre grand Procureur,
Faux rapineur, infame détracteur
Et inventeur de larcin et pillaige ?
Diables d'Enfer à vous je me complains:

Ton

Die neue Laufbahn der dramatischen Kunst in Frankreich war nun geöffnet. Zu den Mysterien, aus dem alten und neuen Testamente gesellten sich bald dramatisirte Lebensläufe der Heiligen. Auch diese hießen Mysterien d). Aber nur wenige Verfasser dieser Religionsdramer scheinen als Dich: ter haben berühmt werden zu wollen; und selbst die Nahmen dieser wenigen sind nur den Litterato ren bekannt geblieben dd). Einem Bischof Michel von Angers, den man gewöhnlich für den Verfass ser des großen Passionsmysters ausgiebt, haben

Tou courage canin rempli de raige

neuere

De Cerberus, traiftre chien à trois teftes,
Tes appreftes fais de mauvaise forte.
Esperitz dampnez, desraifonnables beftes,
Plains de déceptes, infames deshonneftes,
Faites vos queftes; faillez hors de vos portes,
Grandes cohortes de nos diableffes fortes,
Droictes et tortes avecques vous traisnez;
Venez à moy mauldis esperitz dampnez.

c) Wie schön spricht nicht die heil. Jungfrau zu ihrem Kinde:

Mon cher Enfant, ma très doulce portée,
Mon bien, mon cueur, mon feul avençement,
Ma tendre fleur que j'ay longtemps portée,
Et engendré de mon fang proprement:
Virginalement en mes flancs te conceuz,
Virginalement ton corps humain receuz.
Virginalement t'ay enfenté fan peine:
Tu m'as donné cognoiffance certaine
Que à ton pouvoir ame ne fe compere;
Parquoi te adore, et te clame à voix plaine,

Mon doulx Enfant, mon vray Dieu, et mon pere.

d) Auszüge aus einigen finden sich im 2ten Bande der eben angeführten Hift. du théatre françois.

dd) Vergl. die Hift. du théatre françois, T. II. p. 209 ff.

neuere Litteratoren diese Ehre abgesprochen, die ihs nen sogar eine Beleidigung des Andenkens an dies sen sonst kaum bekannten Prälaten zu seyn scheint. Nach der Versicherung der französischen Litteratos ren soll man auch in der ganzen Reihe dieser Myfterien von ihrer Entstehung an bis in das sechzehns te Jahrhundert keine wesentlichen Verschiedenheiten des Styls und Geschmacks bemerken. Eine aus führliche Bearbeitung des ganzen Fachs kann also nur in eine specielle Geschichte der dramatischen Lits feratur aufgenommen werden. In der Dramatisis rung der Legenden von den Heiligen nahmen sich übris gens die Dichter mehr Freiheiten, als bei der Be arbeitung der Scenen, die sie aus der Bibel schöpfs ten. Es fehlt diesen dramatischen Biographien, die doch durchaus erbaulich seyn sollen, auch nicht an unfittlichen Stellen. Solche Stellen ohne Aergerniß in das Ganze zu verweben, bediente sich der Muthwille der Dichter eines eignen Kunstgriffs. Die Heiligen müssen irdischen Anfechtungen ausgesetzt werden; besonders müssen üppige Dirnen sie durch ihre Reize an das Heidenthum zu fesseln suchen. Das giebt denn Veranlassung zu den schlüpfs rigsten Possen. Durch die Darstellung des Mårs tyrertodes werden mehrere dieser dramátisirten Bios graphien zu einer Art von romantischen Trauers spielen. Die Situationen sind dann aber auch nicht immer mit merklicher Delicatesse gewählt. In dem dramatisirten Leben der heil. Barbara wird dies se Heilige auf dem Theater bei den Beinen aufgehängt. In dieser anstößigen Positur redet sie noch auf das rührendste zu dem Tyrannen, dem sie seine Grausamkeit und Brutalität besonders in Bes ziehung auf das Unanständige dieser Todesart vors.

wirft e). Vermuthlich wurde durch Bekleidung dem Uebelstande auf dem Theater ein wenig abges holfen. Wie es aber die Schauspielerin angefan gen, in dieser Positur noch zu declamiren, wird nicht angemerkt. Die Theaterkunst muß sich übers haupt damals auf eine ungemeine Art zu helfen ges wußt haben; denn in demselben Stücke wird die heil. Barbara, die durch gerechte Vorwürfe ihren Verfolger nur noch mehr erbittert, an demselben Galgen, wo sie bei den Beinen aufgehängt bleibt, gräßlich mit eisernen Kämmen zerfleischt und an Lampen gebraten.

Ueberhaupt war die anschauliche Darstellung des christlichen Gegensaßes zwischen Himmel und Hölle ein wesentliches Erforderniß eines französ sischen Mysters. Zu dem beständigen Theaters apparat gehörte ein hohes Gerüst, auf welchem gewöhnlich Gott der Vater in einem langen Tas lar, umgeben von seinen Engeln, saß. Am Fus ße des Gerüsts lag die Hölle. Zwischen dem Hims mel und der Hölle dehnte sich das Gerüst nach beis den Seiten aus; und diese Mittelpartie stellte die Welt

e) Sie spricht:

N'as-tu point honte ne vergogne,
De commettre telle befonge?
De pendre une pouvre pucelle
Par les piez: C'eft chofe cruelle.
Helas! pour l'honneur féminine,
Et pour celle qui tant fut digne
De te porter dedans fes flans,
Tu ne deuffes par faulce mine,
Commettre cefte euvre maligne,
Par courroux qui te font en flans.

Welt vor, in der man bald die Stadt Jerusalem, bald die Wohnung eines Heiligen, und was sonst der Inhalt des Schauspiels von irdischem Local vers langte, neben einander erblickte. Eine solche Zu rüstung auf dem Theater stimmte wenigstens mit dem Geist und Style der Schauspiele selbst zusams men. Die rohe, aber gewaltig in's Große arbets tende Phantasie wußte nicht, wo hinaus.

Die Geschichte dieser geistlichen Schauspiele in Frankreich mag hier zu Ende erzählt werden. Denn wenn sie sich gleich bis gegen die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts erhielten, veränderten sie doch ihre Natur nicht, und dauerten zuleht nur noch als ein Andenken an die frühere Zeit fort. Nach dem Muster des Pariser Theaters wurden ähnliche in allen großen Städten von Frankreich, und auch in mancher kleinen Stadt, errichtet. Man wetts eiferte in der Pracht und Kunst der Decorationen. In einem Myster, das im Jahr 1437 zu Meß aufs geführt wurde, sperrte der colossale Drache, der im Bordergrunde der Hölle paradirte, seinen unges heuren Rachen so furchtbar gegen die Zuschauer auf, daß alle bezaubert wurden, besonders weil in dem Drachenkopfe zwei große Augen von polirtem Stahl funkelten. Auch durch die Länge der Stücke such: te man einander zu übertreffen. Einige dieser My: fterien sollen vierzig Tage in der Aufführung gedauert haben.

Eine Abart der Mysterien waren die so genanns ten Moralitäten (Moralitès). Sie entstanden zufällig durch die Concurrenz der Passionsbrüder mit einer älteren Gesellschaft, die sich die Schreiber von der Basoche (les Clercs, de la Bazoche)

nannte.

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