페이지 이미지
PDF
ePub

nannte f). Die Basoche war eine alte priviles girte Verbindung von Advocaten, Procuratoren und andern Justizofficianten zu Paris. Diese Gesells schaft war schon seit geraumer Zeit, ehe die Passions: brüderschaft ihr Privilegium erhielt, im Besiß des Vorrechts gewesen, die öffentlichen Ceremonien und Feste zu reguliren. Sie wollte nun auch, wie die Passionsbrüder, durch dramatische Vorstellungen sich dem Publicum empfehlen. Aber die Passions; brüder wollten ihnen die Befugniß nicht einräumen, Mysterien aufzuführen. Die Schreiber von der Basoche erfanden also dramatische Surrogate der Mysterien. Sie nannten sie Moralitäten, gaben aber diesem Begriffe bald eine so ausgedehnte Bedeus tung, daß mehrere ihrer so genannten Moralitäten fast ganz Dasselbe, wie die Mysterien, nur unter einem weltlichen Titel, waren. Man wählte zum Stoffe der Moralitåten entweder biblische Geschichten von besonders moralischer Bedeutung, zum Beis spiel die Geschichte vom verlornen Sohne, oder man dramatisirte die Moral in freien Dichtun: gen allegorisch, aber doch so, daß man die christs lichen Mysterien in die Allegorie herüberzog. In folchen Moralitåten durften denn auch der Him: mel und die Hölle eben so wenig fehlen, als in den eigentlichen Mysterien. Die Personen der Gott heit, die Engel und Erzengel, Lucifer mit seinen höllischen Geistern, treten in den Moralitäten, wie in den Mysterien, auf. Das Allegorienwesen ers hielt dadurch eine neue Stüße; denn so in's Unges heure hatte man vorher nur selten allegorisirt. In einem

f) Ueber die Entstehung und Einrichtung dieser Gesells schaft . die Hift. du théatre françois der Brüder Parfait, Tom. II. p. 71 ff.

[ocr errors]

einem Schauspiele dieser Art, betitelt Der Wohl berathene und der Uebelberathene (Le bienadvifè et le mal-advifè) figuriren beinahe vierzig allegorische Personen, und unter ihnen sogar persos nificirte Formen eines Zeitworts, nahmentlich Res gno, Regnavi und Regnabo, zu denen sich noch ein Sine: Regno gesellt. In eben diesem Stücke ist die Reihe der Teufel verlängert durch vier Teufelchen (Diablotons), die zum Gefolge des bösen Endzwecks (Male-fin) gehören. Die Com_position ist übrigens sinnreich genug; und moralisch im Geiste ihrer Zeit kann sie auch heiffen ). Als Verfasser einiger Moralitäten werden Nahmen ges nannt, die nicht berühmter sind, als die Nahmen der Mysteriendichter h).

Mit dem Moralitåtentheater der Schreiber von der Basoche erhob sich nun plöhlich auch das frans zösische Lustspiel. Bis dahin waren die Farcen, dramatischen Satyren, und Possen, die von Zeit zu Zeit ben besonderer Veranlassung gespielt wur: den, keiner litterarischen Cultur werth geachtet. Die Schreiber von der Basoche, die in ihren ernsthafs ten Schauspielen mit den Passionsbrüdern, wetts eifern konnten, waren nicht, wie diese, durch geists liche Bedenklichkeiten gehindert, auch komische Stücke aufzuführen. Sie brachten also Farcen auf das Theater, wie man sie bis dahin noch nicht gesehen hatte; kleine Lustspiele, in denen Charaktere nach dem wirklichen Leben auftreten, voll Uebermuths und komischer Kraft, ungefähr von gleicher Gat:

[ocr errors]

tung

g) S. den Auszug in der Hift. du théatre fr. T. II. p.

102.

h) S. ebendas. S. 209 ff.

[ocr errors]

tung mit den Zwischenspielen des spanischen Theas

[ocr errors]

Matr

Vers

Aber

ters, die aber weit später entstanden sind. wandte auf die Politur dieser Farcen fast mehr Fleiß, als auf die der Moralitäten selbst. muthlich waren sie auch alle versificirt ). nur eine von ihnen, die berühmteste unter allen, macht eine Art von Epoche in der Geschichte der französischen Lustspielpoesie. Dieß ist die Farce vont Meister Pachelin dem Advocaten. Die Pariser Stadtanekdote, die diesem Lustspiele zum Grunde zu liegen scheint, mag immerhin schon lans ge im Umlaufe gewesen seyn, ehe sie durch die Schreis ber von der Basoche auf das Theater gebracht wurs de. Daß aber schon im dreizehnten Jahrhuns dert eine dramatische Farce vom Meister Pathelin vorhanden gewesen, und daß diese Farce ursprünge lich gar in Prose geschrieben sey, hat noch kein Litterator bewiesen. Eben so unzuverlässig ist die Notiz, nach welcher ein gewisser Peter Blans chet, ein Geistlicher, der im Jahr 1459% geboren seyn soll, für den Verfasser dieses Stücks in der Form erklärt wird, in der es berühmt geworden und auf die Nachwelt gekommen ist *).*. Die Schreis

ber

5. R

i) Was einige Litteratoren von alten französischen Farcen fagen, die in Prose geschrieben seyn sollen, ist bloße Wermuthung. Man muß sich bei dem Studium, dieses Theils der französischen Litteratur überhaupt an sichrere Gewährsmänner halten, als z. B. der bekannte Signos relli ist. Auch auf Flögel's Gesch. der kom. Litt. fann man nicht immer bauen.

k) Alles, was Flögel in seiner Gesch. der kom. Littes ratur (Band LV. S. 250) von der Geschichte dieses Lustspiels meldet, bedarf einer Berichtigung. Die åla teren Ausgaben des ganzen Stücks sind selten gewors

[ocr errors]

den.

4

[ocr errors]

A

ber von der Basoche brachten es in dem vorlekten Decennium des funfzehnten Jahrhunderts, vers muthlich im Jahr 1480 zum ersten Male, auf ihr Theater. Mit größerem Beifall hatte das franzds sische Publicum noch kein lustiges Schauspiel auf genommen. Nach dem Nahmen des Verfassers scheint man nicht sehr gefragt zu haben; aber das Stück selbst wurde von dem Publicum fast auswendig gelernt; und fein altes Lustspiel ist bis auf die neuesten Zeiten fo im allgemeinen Andenken geblie ben, wie dieses. Im fechzehnten Jahrhundert wurs de es in das Lateinische überseht. Dann verbrei tete es sich weiter durch Europa. In Frankreich selbst würde es nachher noch öfter als Stoff zu neuen Lustspielen benußt. Und es verdient sein Glück, wenn es gleich nichts weniger, als ein komisches Meis sterwerk ist. Denn bei aller Rohheit des Ganzen, und bei aller gemeinen Ungezogenheit einzelner Stels len, ist es in der Composition und Ausführung so voll komischer Kraft, wie wenig cultivirtere Far: cen. Die Situationen sind burlesk vom Anfange bis zu Ende. Der Charakter des Advocaten, von dem das Stück den Nahmen führt, ist das naivste Gemisch von ruhiger Schurkerei und Jovialitåt ohne eine Spur von Gewissen. Seine Frau Guil Lemette empfindet und radelt die gewissenlose Denks art ihres Mannes, geht aber, als seine Frau, in alle seine Schelmenstreiche ein, und spielt vortreff:

[ocr errors]

lich

den. Zu empfehlen ist die neuere, neben mir liegende, unter dem Titel: La Farce de Maiftre Pierre Pathelin, avec fon teftament à quatre perfonnages, Par. 1723, in Octav. Das angehängte Testament des Pathelin ist auch eine alte Farce, aber von einem andern Verfass ser, und von weit geringerem Werth.

lich die Rolle der Betrügerin nach seiner Vors schrift. Die Heftigkeit des Tuchhändlers, der auf die burleskeste Art betrogen wird, contrastire forte während mit der Ruhe des Advocaten. Die Vers bindung des Processes, den der Tuchhändler gegen den Advocaten anhängig macht, mit dem Processe des Schafhirten, dessen Vertheidigung gegen den Tuchhändler derselbe Advocat übernimmt, schlingt einen meisterhaft komischen Knoten der Intrigue.. Der Richter muß in dieser Verwickelung als der wahre Einfaltspinsel erscheinen. Und der Triumph der Intrigue ist, daß der einfältig scheinende Schaf hirt zum Beschlusse nach der Anweisung des Advos caten diesen selbst betrügt. Die Sprache und Versis fication der Farce vom Pathelin beurkunden ein merks würdiges Streben nach komischer Correcthelt des Ausdrucks selbst in den possenhaftesten Scenen. Der Dialog hat schon ganz die kecke Leichtigkeit, die in der Folge auf keinem komischen Theater so culs tivirt wurde, wie auf dem französischen 1).

Der

Geist

1) Es ist schwer, eine Stelle aus dieser Farce als eine der vorzüglicheren auszuheben. Zur Probe der Manter mag die folgende dienen:

Pathelin. Je feray femblant de resver,

[blocks in formation]

Le Drappier. Bon gré en ayt Dieu, vous riez,

[blocks in formation]
« 이전계속 »