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Geist des ganzen Stücks wird endlich noch inters essanter in der Geschichte der Litteratur, wenn man erwägt, daß es Advocaten waren, die einen ihrer Amtsgenossen in dieser Farce darstellten, und daß dieselben Männer, die ihre ernsthaften Schauspiele als Moralitäten geltend machen wollten, in ihren Farcen die Moral umgingen, um nicht die Freiheit und Stärke der komischen Darstellung zu hemmey. Die liberale, Denkart der Schreiber von der Bas soche verdient also nicht weniger Bewunderung, als ihr richtiges Gefühl für den åsthetischen Gehalt des komischen Spiels. Etwas weniger mit Flüchen könnte zwar die Farce vom Pathelin, ihrer komis schen Kraft unbeschadet, ausgestattet seyn. Aber der Dichter wollte die Sprache des wirklichen Les bens komisch nachahmen; und diese Sprache war damals in Frankreich vermuthlich ganz durchdruṇgen von Flüchen und Schwüren. Auch die verschie= denen Dialekte der französischen Sprache sind kos misch benußt in der Scene, wo Meister Pathelin fich stellt, als ob er im Fieber delirirte.

Neben

Tant de langaiges, et barbouille;
Il ne vivra pas demye heure;
Par cefte ame, je ris et pleure
Enfemble.

Le Drappier. Je ne fçay quel rire,

Ne quel pleurer, à brief vous dire,
Il faut que je foye payé.

Guillemette. De quoy? eftes-vous desvoyé?
Recommencez-vous vostre verve ?

Le Drappier. Je n'ay point apprins qu'on me ferve
De tels mots, en mon drap vendant,

Me voulez-vous faire entendant

De vecies, que font lanternes ?

Neben den beiden Theatern der Passionsbrüs der und der Schreiber von der Basoche bildete sich noch ein drittes, dessen Stifter ihrer übermüthis gen Laune wohl nicht ein so freies Spiel håtten gestatten dürfen, wenn ihnen nicht die politische Zerrüttung ihres Vaterlandes zu Statten gekoms men wäre. Eine Gefellschaft von jungen Leuten aus den angesehensten Familien in Paris kam auf den Einfall, ein Theater zu gründen, von welchem hers ab die Mitglieder des Ordens in satyrischen Schaus spielen unmittelbar alle Narren züchtigen, mittelbar aber und vorzüglich die Parteien und Individuen aus der großen Welt, mit denen sie unzufrieden waren, ohne Schonung verspotten sollten. Die muthwillige Gesellschaft nannte sich Die Kinder ohne Sorgen (les Enfans fans fouci).

Auch sie

erhielten unter der Regierung des Königs Carl VI., the noch der englische Krieg wieder ausbrach, leicht ein Privilegium. Damals ließen sie sich die Schrans fen gefallen, die ihren Ausfällen gegen bedeutende Personen durch die Umstände gesetzt wurden. Als aber die Engländer, siegreich selbst in Paris einrücks ten, die Regierung des Staats ohne Kraft war, und die politischen Parteien, besonders die englis sche, die orleanische, und die burgundische, gar nicht ungern sahen, wenn ein Großer verspottet wurde, der nicht zu ihnen gehörte; da dehnten auch die jungen Herren, die sich Kinder ohne Sorgen nanns ten, ihr Privilegium aus, so weit es ihnen beliebs

te.

Während ihre Schauspiele immer mehr Beis fall fanden, bildete sich ihre Verbindung immer fes ster zu einer komischen Innung aus. Ihr Vorstes her hieß der Fürst der dummen Welt (Prince Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek. V. B. H

des

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des fots) m). Ihre Schauspiele selbst nannten sie Dummbartsspiele, Sottien, oder Sotti: sen. Sie selbst blieben Kinder ohne Sorgen, und stellten die Narren, die damals mit den Dummen noch in eine Classe gerechnet wurden, nur auf dem Theater vor. Da spielte man zum Beis spiel den liederlichen Narren (sot diffolu), den Betrieger (fot trompeur), den Idioten (fot ignorant), und dergleichen Charakterrollen mehr. Die alberne Lustigkeit wurde in der Frauenzimmerrolle einer Sorte folle vorgestellt. Nach der Wiederherstellung der alten Monarchie in Frankreich scheinen die Könige selbst ihr Intereffe dabei gefunden zu haben, die Gesellschaft der Kinder ohne Sorgen in ihren Spielen nicht zu stören. Wahrscheinlich wußten diese Kinder sehr gut, wen sie necken durften, und wen sie schonen mußten. Håtte ihre Satyre nicht politische Rücks sichten genommen, so würden sie sich unter dem. tyrannischen Ludwig XI., der ganz Frankreich mit eiserner Ruthe regierte, nicht haben erhalten fónnen. Und wie impertinent sie zu einer ans

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dern

m) Man hat den Titel Prince des fots Narrenkönig überseht, und die Sotties oder Sottifes Narrenposs sen im Deutschen genannt, z. B. Flögel in f. Gesch. der kom. Litteratur. Freilich kennt die ältere französis sche Sprache noch nicht die genaue Unterscheidung zwis schen dem Dummen und dem Narren, dem Sot, und dem Fou. Aber unter den Rollen auf dem Theater der Enfans fans fouci tommt doch eine besondre Sotte folle Der Prince des fots führte allerdings diesen Tis tel in Beziehung auf die Welt, deren Narrheit sein Reich begründete, und nicht in Beziehung auf die Ges sellschaft, deren Vorsteher er war. Aber das Wort Sot hat in dieser Verbindung nicht das Schneidende des deutschen Wortes Narr. Es klingt mehr jovialisch.

vor.

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dern Zeit wurden, bewiesen ihre Ausfälle gegen den guten König Ludwig XII., der sie gewähren ließ und, als sie seine nothwendige Sparsamkeit verspotteten, die schöne Antwort gab: "Ich will lieber, daß man über meinen Geiz lache, als, daß man über meine Berschwendung weine." An Keckheit und Selts samkeit scheint es auch den dramatischen Erfinduns gen dieser Gesellschaft nicht gefehlt zu haben. Aber zur Veredelung der dramatischen Kunst haben sie wenig, oder nichts, beigetragen. Ihr Geschmack folgs te den Spuren der mittleren Jahrhunderte. Ihre komischen Dichtungen hatten gewöhnlich einen als legorischen Zuschnitt. Eine Hauptrolle auf dies sem Theater spielte die Welt. Mit der Welt bes schäftigten sich dann gewisse personificirte Charakters formen ohne alle Individualität, zum Beispiel die Unwissenheit, die Liederlichkeit, die Betriegerei, in den Rollen des unwissenden Narren, des liederlis chen Narren, des betriegerischen Narren. In eiz ner solchen Sottise tritt ein Mal die Welt mit der Klage auf, daß ihr Reich nicht mehr bestehen wolle. Der Mißbrauch (Abus) erscheint, und råth ihr an, wieder der weltlichen Lust (Plai. fance mondaine) zu folgen. Sie schläft vor Mú: digkeit ein. Der Mißbrauch, als Wunderthäter, klopft an allegorische Bäume, die umher stehen. Aus dem Baume der Liederlichkeit springt ein lies derlicher Narr hervor, als Geistlicher gekleidet; aus einem andern Baume wird der großthuende Marr (Sot glorieux) hervorgezaubert im Costum eis nes Soldaten; aus einem dritten Baume der bes stochene Narr als Gerichtsperson. Solcher Nars ren kommen auf ähnliche Art noch einige zum Vor. schein. Diese sämmtlichen Narren berathschlagen

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sich

sich nun über die Erbauung einer neuen Welt. Jes der thut Vorschläge, die seinen Wünschen gemäß find. Sie fangen an, zu bauen. Der liederliche Narr will bei dem Bau eines Kirchenpfeilers die Andacht anbringen, findet aber, daß sie sich das zu nicht schickt. Er wählt die Heuchelei an ihrer Stelle. Nachdem der Bau schon von allen Seiten vorgerückt ist, wählen die sämmtlichen Baumeister die eigentliche Narrheit (Folie) zur Dame ihres Hers zens, suchen sie zu erhaschen, und rennen dabei ihr neues Weltgebäude um. Die alte Welt wacht über dem Lärm auf, moralisirt über die Narren, und en: digt das Schauspiel mit Lehren, die zu ihrer Zeit ganz nüßlich gewesen seyn mögen "). Der Wit der "Kinder ohne Sorgen" zeigt sich in der Auss führung ihrer allegorischen Farcen eben so roh, als in der Erfindung °).

Wie

n) Vergl. den Auszug aus dieser Sottise im 2ten Bans de der Hift. du Théatre françois.

Man lese z. B. wie jeder der Narren, die zusammen
eine neue Welt construiren wollen, über die Baus,
materialien seine Meinung sagt.

Sot trompeur. Je veulx le funder fur ùng poiz,
Sur aulnes courtes de deux doiz,

Ou au filet d'une balances.

Sot corrompu. Je voudrois que les circonftances
Du Monde, pour mes récompances,
Fut parchemin, papier, procez.
Sot ignorant. Sur mon agulhon à deux ances,
Pour le fouhet de mes plaifances

Le fonder me feroit affez.
Sotte folle. J'ay quatre fufeaulx amaffez,
Et ma quenoulhe, ores penfez,
Seroit-ce point bon fondement?

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