ÆäÀÌÁö À̹ÌÁö
PDF
ePub

provenzalischer Troubadour *). Wenn also auch Die feierlichen Gerichtshöfe der Liebe, vereinigt mit den Consistorien der fröhlichen Kunst, wie man die Versammlungen der Dichter nannte, im nordlichen Frankreich nicht einheimisch waren, so galt dafür in den galanten Zirkeln ein geistreicher Erzähler hier weit mehr, als in der übrigen ro mantischen Welt. Aber mit dem Enthusiasmus der Provenzalen, Italiener, Spanier und Portugies sen scheinen die Franzosen nie der Dichtkunst gehuldigt zu haben. Sie liebten in ihr mehr die Kunst der geist: reichen Unterhaltung, als des innigen Ausdrucks wirklicher Gefühle. Daraus erklärt sich ihre Vorliebe zu der allegorisirenden und zu der Art von erzählens Den Poesie, die sich der Prose nåhert. Nur in der rohen Poesie des eigentlichen Ritterromans ges fiel sich der ritterliche Sinn der Franzosen so ganz, daß diese Art von Dichtungen von wahrhaft poetischem Geiste belebt wurden, weil die wirkliche Denkart der französischer Ritter in den Ritterroman überging. Sobald aber das Ritterwesen selbst. aufhörte, war es auch um die Poesie desselben in der französischen Litteratur geschehen. Durch die leichten und größs ten Theils munteren Erzählungen oder Fabliaux, die in den Gesellschaftszirkeln der französischen Rits ter und Damen die Stunden verkürzten, ging die Poesie oft ganz in die unterhaltende Anekdote über. Allerdings fand diese Art von Erzählungen auch in Italien Eingang, besonders seitdem sie durch Bocs caz eine classische Bildung erhalten hatte. Aber in Italien herrschte sie doch nie über die eigentliche Poes fie,

[ocr errors]

k) Eine ausführlichere Nachricht von den poetischen Wers ken dieses Königs von Navarra wird man im folgenden "Capitel finden.

sie, und man nahm sie dort für das, was sie ist. In Frankreich war sie einer der blühendsten Zweige des Stammes der Nationalpoesie, oder Dessen, was man für Poesie hielt. Die Franzosen erzählten auch prosaische Anekdoten, wenn sie unterhaltend waren, in Versen. Die italienischen Novellisten borgten den französischen Fabliaur den Stoff ihrer munteren ·Erzählungen ab, übertrugen ihn aber in ungebuns dene Rede; denn, Poesie war für Italiener etwas anderes. Daß in Frankreich, wenn ein berühms ter Liedersånger die Städte durchzog, das Volk ihm nach geströmt wäre, wie in Italien, lieset man eben so wenig, als daß ein französischer Dichter, um seiner Poesie Ehre zu machen, wie ein Portugiese aus jener Zeit, in einsamen Wäldern gehauser und mit dem ganzen Ernfte des wirklichen Berufs zu ers leben gesucht hätte, was er sang. Die schwärmes rische Galanterie der französischen Ritter des dreizehnten, vierzehnten und funfzehnten Jahrhuns derts hatte zwar einen sehr poetischen Anstrich; aber sie vereinigte sich nie mit der Poesie, einen Dichter so zu begeistern, daß er Epoche gemacht hätte, wie Dante und Petrarch. Die Thaten der Vorfahren durch patriotische Volksgesänge an schönen Abenden zu verherrlichen, wie es bei den traulichen Zusams menkünften der Spanier Sitte war, fiel den Frans zosen nicht ein. Ulle diese Facta beweisen schon hin: reichend, daß die nordfranzösische Nation eine wes niger poetische Nation war, als die Provenzalen und die romanisch redenden Völkerschaften jenseits der Alpen und der Pyrenäen. Aber was zur rits terlichen Galanterie und eleganten Gea selligkeit gehört, scheint schon damals auf die rhetorische Bildung der französischen Sprache

ges

gewirkt zu haben. Die ersten Spuren dieser Wirs kung in den prosaischen Schriften der Franzosen aus der ältesten Periode ihrer Litteratur zu erkennen, ist nicht leicht, weil die französische Sprache sich seits dem so sehr verändert hat, daß man kaum noch ers rathen kann, was in der französischen Prose vom dreizehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert für Eles ganz des geselligen Ausdrucks gegolten haben mag. Ohne eine solche Eleganz würde aber nicht schon Damals die französische Sprache selbst von Italie nern und andern europäischen Nationen gelernt, gea sprochen und geschrieben worden seyn. Denn so uncultivist diese Sprache im Ganzen noch war, so beliebt wurde sie auch außerhalb Frankreich mit fast unglaublicher Geschwindigkeit. Brunetto Latini, Der Lehrer Dante's, schrieb schon Französisch und entschuldigte sich mit der Lieblichkeit der französischen Sprache und ihrer allgemeinen Verbreitung ').

Unter den zufälligen Ereignissen, die auf die besondere Bildung der französischen Litteratur am frühesten mitgewirkt haben, scheint die Entste Hung der Universität Paris keine der ges ringsten gewesen zu seyn. Schon im zwölften Jahr: hundert wurde diese Universität, als die erste in ihs rer Art, der berühmteste Siß der scholastischen Phi: Josophie und Theologie. Nach Paris reiseten Schüs Jer aus dem Süden und dem Norden von Europa. Dort bildete sich vorzüglich die scholastische Dispus

-

tirs

1) Vergl. in Eichhorn's Gesch. der Cult. u. Litt. die Beilage Nr. 14. François, sagt der Italiener Brus netto Latini in der Stelle, die man auch dort anges führt findet, eft plus delitaubles langages, et plus communs que moult d'autres.

tirkunst aus. Die öffentlichen Disputationen wurden zwar in lateinischer Sprache gehalten; aber man sprach doch wohl nicht immer Lateinisch zusama men, wenn man im geselligen Leben bei Gelegen heit eine Disputation fortsette, für die man sich interessirte. Die Gegenstände, die man in den Hörs sålen zu Paris verhandelte, waren nicht so abges sondert von der allgemeinen Geistescultur, als die juristischen Händel und deren Erörterung, mit des nen man sich um dieselbe Zeit auf der italienischen Universität zu Bologna fast ausschließlich beschäft tigte. Diese hohe Juristenschule hatte auf die alls gemeine Cultur und Litteratur der Italiener nicht den mindesten Einfluß. Aber in Paris disputirte man über Alles; und wer ein rechter Doctor seyn wollte, ließ ausdrücklich ankündigen, daß er sich um eine gewisse Stunde auf den Kampfplatz stellen werde, um gegen jeden Opponenten über Als les (de quolibet) zu disputiren. Wenn nun auch durch die scholastische Kunstsprache die Bildung eis nes rhetorischen Geschmacks von der einen Seite gehemmt wurde, so wurde doch die Entwickelung der scholastischen Subtilitäten eine Veranlassung zur schärferen Scheidung der Begriffe und zu einer nicht gemeinen Präcision des Ausdrucks auch in der Muttersprache. Ja man wollte schon damals bes merkt haben, daß die französische Sprache wegen ihrer natürlichen Raschheit der feinen Dias lektik sehr zu Hülfe komme "). Aber das Gefühl

für

m) Nach der bekannten Stelle der Chronik des Arnoldus Lubecenfis aus dem dreizehnten J. H. in Leivníh'ens Scriptor. Brunsvic. Tom. II. p. 657, wo es heißt, daß sich damals in Paris auch junge Dänen in den Wiss

sens

für poetische Schönheit konnte bei diesen dialek: tischen Uebungen wenig gewinnen. Gleichwohl wur: de man vermuthlich zuerst in Paris aufmerksamer auf die Poetik des Aristoteles, als die sämmt: lichen Schriften dieses Philosophen zu immer hd: herem Ansehen in der Scholastik stiegen. So war wenigstens der Weg gebahnt, diese Poetik als ein untrügliches und jeden Widerspruch niederschlagen: des Gesetzbuch in die französische Litteratur einzus führen, so bald die Zeit herannahete, da die Fran, zosen sich nach einer Gesetzgebung des Geschmacks umzusehen nöthig fanden.

Die französischen Könige dieses Zeitraums haben sich um die schöne Litteratur ihrer Nation kein Verdienst erworben, das der Aufzeichnung werth wåre. Wenn einige unter ihnen einen Dichter, der sich schon berühmt gemacht hatte, mit ihrer Gunst beehrten, so geschah es weder aus Interesse für die Poesie, noch um des Glanzes willen, den ein poe tischer Hofstaat um einen König verbreiten konnte. Auch scheinen die englischen Kriege im viera zehnten und funfzehnten Jahrhundert weiter keinen Einfluß auf die französische Litteratur gehabt zu has ben, als, daß sie zufällig die Romandichter mit den alten Sagen vom König Artus und seiner Tafels runde bekannter machten.

senschaften hervorgethan und Französisch gelernt haben. Propter naturalem linguae celeritatem, seßt der Chronist hinzu, non folum in argumentis dialecticis fubtiles inveniuntur, fed etiam in negotiis ecclefiafticis tractandis boni decretiftae five legiftae comprobantur. Doch scheint sich das Lehte nicht mehr auf die naturalem linguae celeritatem zu beziehen.

a

« ÀÌÀü°è¼Ó »