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Wie diese drei ersten Theater in Paris bald un: ter einander, bald mit der öffentlichen Polizei in Streit geriethen; wie bald das eine, bald das andere die Oberhand gewann; wie Verbote gegen sie erlassen, und wieder zurück genommen wurden; alles dieß ums ständlich zu erzählen, ist hier um so weniger Raum, da diese Theaterhåndel die Litteratur nicht anges ben. Von den komischen Zwischenscenen, die unter dem possenhaften Titel: Spiele mit gestos Benen oder gerüpften Erbsen (Jeux des pois pilès oder pillès) von den Passionsbrüdern in die Mys sterien eingeschoben wurden, damit das Publicum dem geistlichen Froste des Mysterientheaters nicht ungetreu werde, läßt sich noch weniger Litterarisches melden. Die Geschichte des Untergangs dieser drei Theater ist nur als ein Ereigniß merkwürdig, das in der folgenden Periode der französischen Litteratur eine nothwendige Folge der totalen Reform der dramas tischen Poesie in Frankreich war.

Neben der poetischen Litteratur der Franzosen vom dreizehnten Jahrhundert bis in die ersten Des cennien des sechzehnten kommen einige prosaische Werke französischer Schriftsteller aus demselben Zeits raum als Documente des Geschmacks und der lits terarischen Bildung der Nation weit mehr in Bes tracht, als die Litteratoren bisher geglaubt zu has ben scheinen.

Schon oben in der Geschichte der alten franzds sischen Romane ist erzählt, wie sich die französische Sprache in der ersten Periode ihrer Cultur gewissers maßen in zwei litterarische Dialekte theilte, einen poes

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tischen,

tischen, der fast unverändert das älteste Französis sche erhielt, und einen prosaischen, der sich mit der Sprache des gemeinen Lebens ånderte, auf diese Art immer weiter von dem poetischen entfernte, und schon in den Schriften aus dem dreizehnten Jahr hundert mit dem Französischen, das jekt eine clas fische Autorität erhalten hat, in den wesentlichsten Formen der Sprache beinahe völlig übereinstimmt. Die Sprache des gemeinen Lebens zur Richtschnur der litterarischen Prose zu wählen, fühlten also die Franzosen, ohne theoretisch es selbst zu wissen, uns gemein früh das Bedürfniß; und in der graduellen Veredelung dieses Bedürfnisses erkennt man die ganze Geschichte des ausgezeichneten Geistes der Französischen Beredsamkeit. Natürliche, nicht pedantische Prose zu schreiben, bemühten sich Die Franzosen eher, als irgend eine neuere Nation. Der Styl ihrer Prose sollte der treue Abdruck der Sprache des geselligen Lebens, nur in veredelten, die Natur der mündlichen Unterhaltung zwar nicht verläugnenden, aber sie hier und da berichtigenden Formen seyn. Ein solcher Styl mußte, wenn er nicht nachläffig ausfallen und auf rhetorische Würs de Verzicht thun wollte, von selbst sich den Vors zügen nähern, durch deren Bereinigung die französ Fische Prose sich zur Höhe der classischen Vortrefflichkeit gehoben hat. Die Schriftsteller mußten nach Klarheit streben, um so verstanden zu wers den, als ob man sie sprechen hörte; und sie strebten so früh darnach, daß Voltaire's merkwürdiger Auss spruch: "Was nicht klar ist, ist nicht Frans zösisch" in der ganzen Geschichte der französischen Beredsamkeit seine Anwendung findet. Man muß te fich bestimmt ausdrücken, um nicht aus der

Spra

Sprache des gemeinen in die Sprache des vulgåren Lebens zu fallen. Man mußte auf Wohllaut und gute Perioden achten, um zu zeigen, daß man sich nicht vernachlässigte, indem man natürlich schrieb. Durch gefällige Leichtigkeit mußte man den wahren Ton der französischen Geselligkeit zu treffen suchen. Nur schwärmerische Phras fen konnten so wenig, als tiefsinnige, in eine solche Prose Eingang finden. Aber so verschieden die Formen der französischen Geselligkeit im dreis zehnten, vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert von denen waren, die im Jahrhundert Ludwig's XIV. legislatorisch auf ganz Europa wirkten, so merklich unterscheidet sich die französische Prose aus jenen Zeis ten von der späteren, die mit dem Jahrhundert Lude wig's XIV. anfångt. Ritterliche Treuherzigkeit, guts müthige Naivetät, ceremonidse Urtigkeit, mit froms men Aeußerungen, nicht ohne scholastische Verbrås mung, gemischt, find Grundzüge der altfranzösis schen Beredsamkeit. Noch hatte das Studium der griechischen und römischen Classiker keinen Einfluß auf die rhetorische Bildung der französischen Schrifts steller. Um so merkwürdiger ist diese Bildung. Sie ging ganz aus dem Geiste des Zeitalters und der Nation hervor.

In der historischen Litteratur der Franzos sen muß man die ältesten Documente französischer Nationalberedsamkeit suchen; aber nicht in den Chros niken und ähnlichen Werken, deren Verfasser nicht selbst eine Rolle in den Begebenheiten gespielt, die fie erzählen. Nur Memoires, Denkschriften von Personen, die erzählen wollten, was sich zư ihrer Zeit und zum Theil vor ihren Augen begab;

die entweder selbst thätigen Antheil an dem Erfolg oder dem Mißlingen merkwürdiger Unternehmun: gen, oder wenigtens befondere Gelegenbeit gebabt hatten, selbst zu beobachten, was sich ereignete, und durch besondere Verbindungen den wahren Zusams menhang der Ereignisse zu erfahren; solche Denk schriften allein gaben den Våtern der französischen Beredsamkeit eine recht nationale Veranlassung, ihre Talente in der historischen Kunst zu versuchen. Denn dem Franzosen gefiel und gelang von jeher Die feine Beobachtung, besonders der Charaktere, und Sitten, im öffentlichen wie im Privatleben. Selten fortgerissen von der Gewalt einer großen Idee; selten ergriffen vom begeisternden Interesse für eine große Staats- und Weltbegebenheit, bet der nicht sowohl gewisse merkwürdige Personen, als der Fortschritt eines Volks zu einem Ziele des Glücks, oder der Macht, in Betracht kommt; ims mer mehr mit dem Einzelnen, als mit dem Allges meinen beschäftigt, und dabei voll Talent, das Ins teressante zu entdecken, auch wo es sich verbirgt, und es nach dem Leben klar und gefällig abzuzeichs nen; so vom Nationalcharakter selbst zu dieser eiges nen Art von historischer Autorschaft berufen, muß. ten die Verfasser der französischen Memoires bald Alles übertreffen, was sich von ähnlichen Werken in der Litteratur anderer Nationen findet. So ent standen biographische Memoires, militäris sche, eigentlich politische, und solche, deren wesentlichster Inhalt die historische Analyse von Hofs intriguen und Cabalen ist, die auf die öffents lichen Begebenheiten Einfluß hatten und oft über das Glück und Unglück der Nation entschieden. Die lehte Gattung bildete sich in der französischen

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Litteratur immer subtiler aus, je mehr der französ sische Intriguengeist selbst mit der Verfeinerung der Sitten fortrückte, und in dieser Verfeinerung im mer mehr Stoff und Nahrung fand. Von der geist: reichen Psychologie der französischen Menschenkens ner aus den neueren Zeiten waren die Verfasser der Memoires aus dem dreizehnten, vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert noch so weit entfernt, als von der vollendetèn Eleganz des Ausdrucks. Aber es war auch nur die Schuld ihres Zeitalters, daß der Weg sie nicht weiter führte, den sie mit eben so viel Beobachtungsgeist und Darstellungstalent, als ihre cultivirteren Nachfolger, betraten P).

An der Spike aller Verfasser in rhetorischer Hinsicht merkwürdiger Memoires der Franzosen steht der bekannte Ritter Jean de Joinville, Ses neschal von Champagne, der den König Ludwig den Heiligen auf dem Kreuzzuge nach Palästina begleiz tete, und nach dem Tode dieses Monarchen die Ges schichte des Lebens und der Thaten desselben schrieb. Der thatige und bildsame Geist dieses ausgezeichs neten Mannes scheint auch dem Umstande, daß er in Champagne geboren und erzogen wurde, etwas verdankt zu haben; denn damals lebte der König Thibaut von Navarra, geborner Graf von Chams

pagne,

p) Das Studium dieser Memoires ist jeht sehr erleichtert durch die höchst schäßbare Collection univerfelle de Mémoires rélatifs à l'hiftoire de France, London und Pa. ris, 1785 ff. Die ersten zwölf Bånde enthalten Mes moires vom dreizehnten bis zu Ende des funfzehnten J. H. Einen solchen Schaß von interessanten Spes cials Nachrichten aus jenen Zeiten besigt keine andere Nation.

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