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ceremoniós muß diese Schriftstellerin wohl übers haupt gewesen seyn. Ihr Styl schreitet stattlich und zierlich in einer nicht gemeinen Folge prägnans ter Wörter und gewöhnlich in langen Perioden fort, nicht ohne Anmuth. Die kräftige und heitere Leichs tigkeit des Joinville scheint ihr nicht edel genug vor: gekommen zu seyn. Håtte sie weniger pretios ges schrieben, so würden ihre Memoires in rhetorischer Hinsicht noch merkwürdiger seyn '). Aber auch wie fie sind, verdienten sie einer Erwähnung in der Ges schichte der französischen Beredsamkeit. Sie beweis sen zugleich, daß nicht nur Prinzessinnen, wie die berühmte Anna Comnena zu Constantinopel, zu dies ser Art von weiblicher Autorschaft Beruf fühlen können, wenn das Interesse der Memoires mehr auf Personen ruht, als auf Sachen ").

Im funfzehnten Jahrhundert machten sich schon mehrere Ritter und Herren in Frankreich ein Ges schäft

t) Man merke auf das Frauenhafte der rhetorischen Diction in folgender Stelle. Es wird ein Herzog von Bourbon geschildert.

En fa juenece fu Brince bel, gracieux, amiable, jolis, joyeux, feftoyant, et de honorable amour, amoureux et fans pechié felon que relacion tesmoigne, joyeux et gentil en fes manieres, benigne en parolles, large en dons, menant en fes faiz, d'accueil fi gracieux, que tiroit à luy amer Princes, Princesfes, Chevaliers, Nobles, et toutes gens qui le frequentoyent et veyoent. En Angleterre fu prifonnieravec le Roy Jehan; au quel pays fi gracieufement se contint, que mesmes au Roy Edoart, à fes enfans et à tous tant plaifoit, qu'il luy eftoit abandonné d'aler esbatre et jouer par tout où il luy plaifoit.

u) Die Memoires der Christine de Pisan stehen, nur hier. und da ein wenig abgekürzt, in der Collection univerfelle, Tom. V.

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schäft daraus, denkwürdige Begebenheiten ihrer Zeit in der Form von Memoires zu erzählen. Aber die historische Kunst rückte darum durch die meisten dies ser Memoires nicht vor. Auch Styl und Ausdruck gewannen nichts bei der nun schon gewöhnlichen Art, zu berichten und zu beschreiben. Man schrieb im Ganzen gegen das Ende des funfzehnten Jahrhuns derrs noch eben so, wie gegen das Ende des dreis zehnten. Auch poetische Anlagen sicherten die Bets fasser der Memoires, wenn sie Prose schrieben, nicht vor den Einflüssen des Chronikenstyls. Der Ritter Olivier de la Marche, berühmt durch eine gros Be militärische und politische Rolle, die er in den Unruhen seines Vaterlandes spielte, schrieb seine Memoires in der zweiten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts. Aber so schäßbar ihr Juhalt ist, so schleppend und chronikenmäßig sind Sprache und Styl in den Memoires des Olivier de la Marche; und doch machte dieser Ritter auch Verse, die man damals vortrefflich fand. Es war also noch immer in Frankreich keine gemeine Kunst, Memoires mit einer so gefälligen, dem Geiste und Inhalt solcher Schriften vorzüglich angemessenen Beredsamkeit, wie Joinville, zu schreiben. Joinville blieb, uners reicht, bis in der zweiten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts, um dieselbe Zeit, als Olivier de la Marche vergebens nach wahrer Beredsamkeit strebs te, Philippe de Comines auftrat, der geist reichste, cultivirteste, und überhaupt in rhetorischer und pragmatischer Hinsicht erste aller Verfasser frans zösischer Memoires vom dreizehnten bis gegen das Siebzehnte Jahrhundert.

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Philippe de Comines, aus einer der ans gesehnsten Familien des flandrischen Adels, geboren

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im Jahr 1445; erzogen am prächtigen Hofe Phis lipp's des Guten von Burgund; als herangereifs ter Mann anfangs in burgundischen Diensten, dann vielleicht Verräther an dem burgundischen Hause, und seitdem erster Günstling und Rathgeber des vers haßten Königs Ludwig's XI.; dieser, in der Staas tengeschichte bekannte Mann verdient auch in der Geschichte der Beredsamkeit eine ausgezeichnete Stels le. Ueber den moralischen Werth seines Charakters find die Stimmen getheilt. Seinem Kopfe lassen alle Parteien Gerechtigkeit widerfahren. Wenn auch nur das Wenigste von dem wahr ist, was andre Schriftsteller seiner Zeit Nachtheiliges von dem Köz nig Ludwig XI. erzählen; oder selbst, wenn man diesen eben so schlauen und unternehmenden, als ges. fühl und gewissenlosen Despoten nur nach seinen Thaten beurtheilt; so besteht sein beredter Sach. walter Comines noch immer schlecht vor der moras lischen Gerechtigkeit. Aber ein Staatsmann und, praktischer Menschenkenner war Comines, wie es nicht viele gegeben hat. Einen solchen Mann wußte Ludwig XI. zu schäßen; denn er konnte ihn por tausend andern gebrauchen. Comines scheint in seis ner moralischen Denkart einer von Denen gewesen zu seyn, die der nüßlichen Marime folgen, die vers dorbene Welt gehen zu lassen, wie sie geht, in seis nem eigenen Betragen eine ehrenwerthe Honettetåt zu behaupten, im Streite der Parteien es mit der klügsten zu halten, und aus den Umständen jeden anständigen Vortheil zu ziehen. So zeigt er sich auch in seinen Memoires *). Mirgends spricht er wie

x) In der Collection universelle, Tom. X-XII. Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek. V.B.

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wie ein ängstlicher Advocat, der irgend nöthig hätte, einer schlechten Sache einen Mantel umzuhängen. Mit der ruhigsten Würde eines Mannes, der ers haben ist über das Geschwäß der Welt und über die beschränkten Ansichten der Menge, führt er den Monarchen, dessen Partei er genommen, so unbes fangen, als ob ein Trajan oder Marc Aurel sich. zeigen sollte, dem Publicum vor. Er wolle gar nicht loben, was nicht lobenswürdig sey; aber jes der Mensch habe seine Fehler; ein großer Herr ents behre mehrere Vortheile der moralischen Erziehung; und Eins gegen das Andere gerechnet, sen Ludwig XI. einer der vortrefflichsten Regenten gewesen ). Despotische Gewissenlosigkeit im Lauf eines ganzen Regentenlebens war also in den Augen des großen Weltmannes Comines nur ein Fehler, der durch die Tugend einer ungemeinen Klugheit vergütet · werden konnte. Aber man bemerkt kaum den Mans gel an moralischer Würde, wenn man diese Memois res lieset. Von der naiven Gutmüthigkeit des Joinville trägt zwar auch der Styl des Comines keine Spur; aber eine solche Fülle des praktischen Vers

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z) Hier sind die eigenen Worte des Comines.

En luy et en tous autres Princes, que j'ay connu ou fervy, ay connu du bien et du mal: car ils font: hommes comme nous. A Dieu feul appartient la perfection. Mais, quand en un Prince la vertu et bonnes conditions précedent les vices, il eft digne de grand memoire et loüange: veu que tels perfonnages font plus enclins en chofes volontaires, qu'autres hom mes, tant pour la nourriture et petit chaftoy qu'ils ont eu en leur jeuneffe, que pour ce que venans en l'aage d'homme, la pluspart des gens tafchent à leur complaire, et à leurs complexions et conditions.

Prologue.

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Berstandes, wie sich bei Comines findet, sucht matt bei Joinville umsonst; und die Marimen der ter bensflugheit, die Comines in seine Memoires vers flochten hat, beleidigen nicht leicht das Gefühl des rechtlichen Mannes. Die prácise und männliche Sprache des Werks harmonirt vortrefflich mit seis nem inneren Charakter. Sie hat noch viele Zus ge vom alten Chronikenstyl, aber im Ganzen doch eine Leichtigkeit, in der selbst Joinville den Comis nes nicht übertrifft. Man muß bei der Schäßung dieser Memoires nicht vergessen, daß bis dahin noch überall kein Geschichtschreiber in einer neueren Spras che dem Geist und Styl des Thucydides und des Tacitus so nahe gekommen war, als Comines. Man scheint dieß auch außerhalb Frankreich gefühlt zu haben; denn die Memoires des Comines wurs den bald, und gewiß nicht bloß um der historischen Aufklärung willen, in mehrere europäische Spra: chen und in das Lateinische überseht. Die Unschau: lichkeit der Darstellungen hat bei Comines, selbst wo er nichts Ungewöhnliches erzählt, den Charakter der Reflexion ). Comines verstand die Kunst des

wahren

a) Man lese die Stelle, in welcher von dem Betragent der französischen Truppen, die in Italien einrückten, Die Rede ist.

Toute Italie ne defiroient qu'à fe rebeller, fi du cofté du Roy les affaires fe fuffent bien conduits, et en ordre, fans pillerie; mais tout fe faifoit au contraire; dont j'ay eu grand deuil, pour l'honneur et bonne renommée que pouvoit acquerir en ce voyage la nation Françoife. Car le peuple nous advouoit comme Saincts, cftimans en nous toute foy et bonté; mais ce propos ne leur dura gueres, tant pour noftre desordre et pillerie, et qu'auffi les ennemis prefchoient le peuple en tous quartiers, nous chargeans

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