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hatte ein französischer Dichter den Muth, selten nur einmal das Bedürfniß, wie Dante, Petrarch, Cas moens, Klopstock, aus der Fülle und dem Inners sten seines Herzens zu singen, oder, wie Ariost und Wieland, entschlossen seinem Sinne zu folgen, und zuerst sich selbst Genüge zu thun, ehe das Pus blicum, und vollends ehe das Hof: Publicum ges fragt würde. Der Beifall der großen Welt schweb: te ihnen fast unablässig als der leitende Stern an ihrem Horizonte und als der höchste Preis der Kunst vor. Dieser allgemeine Charakterzug der französ fischen Poesie, der sich in dem Jahrhundert Luds wig's XIV. völlig entwickelt hat, ist schon in der Periode der französischen Litteratur vor jenem Jahrs hundert nicht zu verkennen. Diese Periode, von der Regierung Franz I. an bis auf das Ende der Administration des Cardinals Richelieu, ist eigents lich die Zeit, da alle charakteristischen Züge, die der französischen Poesie eigenthümlich geblieben sind, bes stimmt hervortraten. Das Jahrhundert Ludwig's XIV. hat in dem Geiste der französischen Poesie wenig geändert. Es hat nur ihre Formen vers edelt, und durch größere Talente Epoche gemacht.

Aber der Geschmack des französischen Hoses, der sich seit dem sechzehnten Jahrhundert in der französischen Poesie gespiegelt hat, war unter Franz I. noch nicht, was er unter Heinrich II. und Carl IX. (vom Jahr 1547 bis 1574) wurde. Die Theater zu Paris konnten auch nachher den Hof nur wenig in: téressiren, so lange die bürgerlichen Kriege, die über ein Jahrhundert den französischen Staat zerrütteten, unter den wildesten Stürmen politischer und religió, fer Factionen den Königen und den Großen des

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Reichs eine ganz andere Beschäftigung gaben, und keinen fröhlichen Hofstaat aufkommen ließen. Was Jodelle, ein Schauspieldichter, den matt außerhalb Frankreich kaum dem Nahmen nach kennt, schon um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts ans fing, konnte erst durch Corneille, der in Jo delle's Fußstapfen trat, hundert Jahr später vollens det werden. Die Theater zu Paris waren aber feit Jodelle beståndig das sichtbare Band zwischen der französischen Poesie und dem Hofe. Die Religions: unruhen in Frankreich hielten überhaupt alle åsthes tische Consolidirung der Nation auf, bis es dent gewaltigen Richelieu gelang, den Protestantismus im ganzen Reiche politisch zu vernichten und durch eben die Mittel, die er anwandte, die so genannten Huguenotten zu Boden zu strecken, auch die res bellischen Großen an unbedingte Unterwerfung uns ter die Gnade des absoluten Monarchen zu gewöh nen. Der Zusammenhang der Geschichte der frans zösischen Poesie und Beredsamkeit mit der politischen Geschichte von Frankreich seit Franz 1. ist so enge, daß man nothwendig einen Blick auf die öffentlis chen Angelegenheiten der Nation und auf die Denka art ihrer Monarchen in dieser Periode werfen muß, wenn man mit pragmatischem Interesse den Gang der schönen Litteratur der Franzosen in eben dieser Periode verfolgen will.

Am Hofe Franz I. glänzte die alte Herrlich keit des Ritterthums zum leßten Male, wie ein Licht auflodert vor dem Erlöschen. Aber der muthige, oft unbesonnene, zuweilen sogar leichtsinnige, und doch immer edle und liebenswürdige König, der selbst ein Muster aller Rittertugenden seyn wollte, und,

von schwärmerischer Heldenluft hingerissen, seine Nation aus einem unglücklichen Kriege in den ans dern stürzte, war Enthusiast für alles Große und Schöne; und sein: ritterlicher Sinn hinderte ihn nicht, auch den Beinahmen des Vaters der Wiss fenfchaften in Franfreich (le Pere des lettres) zu verdienen. Seine Regierung macht Epoche in der ganzen franzöfifchen. Litteratur; und er selbst war nicht etwa, wie nachher Ludwig XIV., zufällig der Mann, um den sich das Jahrhundert bildete; von ihm selbst, von seiner liberalen Liebe für Alles, was den Menschen auszeichnet und ehrt, ging der neue Geist aus, der die französische Litteratur nach allen Richtungen durchdrang. Franz hatte wenig gelehrte Kenntnisse, verstand kaum. etwas Latein, und gab das Griechische: bald wieder auf, nachdem er noch in seinem reiferen Alter es zu lernen vers sucht hatte; aber er interessirte sich, selbst im Laufe seiner beständigen Kriege, für Wissenschaft und Kunst mit einer Wärme, wie kein französischer Monarch vor und nach ihm, Romantisch, in dema selben Style wie seine ganze Denkart, war sein Ges schmack; und für classische Veredelung des romans tischen Geschmacks nach dem Beispiel, das die Itas Hener gegeben, hatte Franz selbst nicht mehr Sinn, als damals seine Nation; aber ihm genügte nicht das Gegenwärtige und Alte in der Litteratur und Kunst seiner Nation; er strebte weiter; und es war fein ernstlichster Wille, daß die Franzosen in litz teratur und Kunst nicht länger hinter den Italies nern zurückbleiben sollten. Jeht erst wirkte ends lich die italienische Cultur nach Frankreich hinüber. Franz zog in Italien, dem gewöhnlichen Schaus plaße seiner Kriege, nicht nur Künstler an sich, die

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ihm in Frankreich sein Schloß Fontaineblau verschös nern mußten; er zeichnete auch italienische Dichter Während der vorigen Kriege der Franzosen in Italien hatten die Könige von Frankreich vielleicht nicht einmal an italienische Dichter gedacht; Franz erwarb sich in die Wette mit seinem Nebenbuhler, dem Kaiser Carl V., Lobredner unter ihnen. Der berühmte Alamanni folgte ihm nach Frankreich "). Aber eben dieser Alamanni mußte freilich, seinem Gönner Franz zu Gefallen, einen alten französischen Ritterroman in italienische Verse übertragen. An Einem alten Ritterromane war dem Könige Franz vielleicht mehr gelegen, als an allen italienischen Gedichten. Auch bildeten sich die französischen Dichs ter, die von Franz begünstigt wurden, eben so wenig, als er selbst, wenn er Verse machte, nach dem itas lienischen Geschmacke. Die eigenen Gedichte des Königs waren Lieder im üblichen französischen Styl. Auch Margarethe, Königin von Navarra, die geists reiche Schwester des Königs, blieb in ihren poes rischen Werken dem Nationalgeschmacke treu. Aber die poetische Verbindung zwischen Frankreich und Italien war eingeleitet; und schon unter Heinrich II., dem Nachfolger Franz I., zeigten sich die Fols gen des Studiums der italienischen Dichter in der französischen Poesie. Weit mehr wirkte indessen auf die Poesie und auf die ganze Litteratur der Franzos sen das Studium der griechischen und rồ: mischen Classiker, zu dessen Aufblühen in Franks reich Franz I. vorzüglich vieles beigetragen hat. Bis auf diese Epoche gab es in ganz Frankreich, nach

h) Vergl. diese Gesch. der Poesie und Bereds. Band II,

.99 ff.

Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek. V. B.

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nach der Bemerkung eines französischen Litterators, wahrscheinlich keinen einzigen Gelehrten, der Gries chisch verstand, und gewiß keinen, der in der lateis nischen Redekunst die Muster des Alterthums nachs zuahmen bemüht gewesen wäre. Franz, den Alles interessirte, was ihm groß und vortrefflich schien, berief den bekannten Laskaris aus Italien auf einis ge Zeit nach Paris. Das Studium der griechis schen Sprache kam nun plöhlich in die Mode uns ter den französischen Gelehrten. Aber diese Mode

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wäre vielleicht, wie so manche andere, ohne bleibens de Wirkung vorübergegangen, hätte Franz nicht seis ne Verdienste um die Litteratur gekrönt durch die Stiftung des Königlichen Collegiums (Collège Royal), einer neuen Lehranstalt, die mit der alten Universität zu Paris in Verbindung geseht wurde, deren nächster Zweck aber war, durch hus manistische Studien der scholastischen Barbaret der Pariser Universität entgegen zu wirken. Franz fühlte den Werth eines solchen Instituts, wenn er ihn auch nicht eigentlich begriff. Welche Mühe gab er sich nicht, den berühmtesten Humanisten seiner Zeit, den Erasmus von Rotterdam, nach Frankreich her über zu ziehen, um ihm die Organisirung der neuen Lehranstalt zu übertragen! Erasmus kam zwar nicht; aber das Königliche Collegium kam zu Stande. Hier wurden nun außer den alten Sprachen auch Mathematik und Naturwissenschaften ges Tehrt, auf die man bei der scholastischen Universitåt zu Paris nur beiläufig um des Aristoteles willen ges achtet hatte. Aus diesem Collegium ging bald nach, her der vortreffliche Ramus (La Ramée) hers vor, der in der blutigen Bartholomäusnacht seinen Eifer für helle Menschenvernunft mit seinem Leben

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