ÆäÀÌÁö À̹ÌÁö
PDF
ePub

büßen mußte.

So beförderte König Franz I. das Interesse der schönen Litteratur und der Wissenschafs ten vorzüglich durch die Veranlassung einer liber raleren Denkart und einer glücklichen Erweites rung des alten engen Horizonts der regsamen Geis ster in Frankreich i).

Nicht ohne Verwunderung bemerkt man, daß unter der zwei und dreißigjährigen Regierung eines solchen Königs, wie Franz I., das französische Theas ter unverändert das alte blieb, Nicht eine Spur von Fortschritten der dramatischen Kunst der Franz zosen zeigt sich in diesen zwei und dreißig Jahren; und doch liebte Franz jede fürstliche Ergehung. Aber das Räthsel löset sich bald, wenn man den besondern Gang, den die schöne Litteratur der Frans zosen genommen, nicht aus dem Gesichte verliert und wenn man von da nach der allgemeinen Ge schichte der dramatischen Poesie des sechzehnten Jahrs, hunderts hinüberblickt. Von ihrer ersten Entstes hung an hatte die französische Poesie einen Ratios nalcharakter. Dieser entwickelte sich vorzüglich in den alten Liedern, den Fabliaux, und, so lange das Ritterthum in Frankreich dauerte, in den Ritters romanen. Das französische Theater hatte bei seiner Entstehung auch nationale Züge genug; aber es war doch kein eigentliches Nationaltheater. Die dramatis schen Mysterien und Moralitäten, deren Geschichte in

i) Eine Uebersicht der Verdienste, die sich Franz L. um die Litteratur erworben, findet sich im 7ten und 8ten Bane de von Gaillard's Hiftoire de François I. Roi de France. Gaillard ist ein pretidser Schwäßer; aber er hat die nöthigen Data gesammelt, und seine Gewährs månner angeführt.

in dem vorigen Buche erzählt ist, konnten den welt: lichen Ton des geselligen Lebens nicht treffen, in welchem sich das französische Publicum vorzüglich gefiel. Auch der vornehme Ton des Hofes fand in den Religionsdramen kein Echo. Die so genanns ten Sottisen der Kinder ohne Sorgen was ren zum Theil zu individuell, weil sie sich besons ders an die Satyre des Augenblicks hielten, und zum Theil doch zu abstract, weil sie jene Satyre fast nur in der Form von moralischen Allegorien vor. trugen. Die Farcen allein, die von der Passionss brüderschaft abwechselnd mit den geistlichen Stücken aufgeführt wurden, waren ein dramatischer Spie gel des wirklichen Lebens der Franzosen jener Zeit. Aber diese Farcen schränkten sich auf burleske Dars stellungen aus dem gemeinsten Leben ein. Die einzige Farce vom Advocaten Pathelin ausgenoms men, stand keine in besonderer Achtung. Jeht ers wachte, als unter Franz I. die griechische und römische Litteratur auf die französische zu wirs Fen anfing, das Bedürfniß einer eleganteren, dem antifen Geist und Styl einigermaßen gemas Ben und doch zugleich nationalen Geistesunterhals tung. Ehe dieses Bedürfniß dramatisch befriedigt werden konnte, mußten nicht nur Jahre vergehen, während welcher angehende Dichter den antifen Geist und Styl einstudirten; es mußte auch ein neues Theater gegründet werden, den schon bestes henden Mysterien:, Moralitäts:, und Sottisen Theatern gegenüber den Geschmack des Publicums von Grund aus zu reformiren; und diese älteren Theater waren durch das Herkommen und durch fds nigliche Privilegien im Besiße des Rechts, das Pus blicum dramatisch zu unterhalten. Rascher wäre

vielleicht die Umschaffung der dramatischen Poesie in Frankreich erfolgt, wenn die Italiener, von des nen die Franzosen endlich zu lernen anfingen, in Der dramatischen Poesie ähnliche Muster aufgestellt håtten, als in der lyrischen und epischen. Aber in Italien waren die Umstände der Entstehung eines litterarisch cultivirten Nationaltheaters noch ungüns stiger, als in Frankreich *). Es gab in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts noch nirgends ein wahres Nationaltheater; auch in Spanien nicht. Der französische Erfindungsgeist mußte sich also nach dem Muster der antiken Schauspielpoesie allein zu helfen suchen. Wie ihm dieses gelang, zeigte sich sogleich unter der Regierung des Königs Heinrich IL

Heinrich II., der Nachfolger Franz I., brachte

wenig von den großen und liberalen Gesinnungen seines Vorgängers mit auf den Thron. Nur in der Liebe zu ritterlichen Heldenspielen glich er ihm; und Dieser Liebe verdankte er seinen Tod, als er eigens finnig bei der Herausforderung des Ritters Monts gomery im Turnier beharrte und von der Lanze dies ses Gegners tödtlich verwundet wurde. Unter sei ner Regierung brach auch die Flamme der Religionss unruhen, die Franz I. nur mit Mühe gedämpft hatte, von allen Seiten aus. Die ausschweifenden

Sitten des Hofes entzweiten den König mit dem edelsten Theile seiner Nation. Ein wilder Factions, geist, von Hofcabalen geleitet, erstickte den französ sischen Patriotismus. Katholische und huguenottis sche Fanatiker benußten jene Cabalen. Unter dies sem

k) Vergl. diese Gesch. der Poesie und Beredsamk. Band LL. an mehreren Orten.

fem Gedränge unpoetischer Leidenschaften ereignete fich gleichwohl die Umschaffung des franz dz fischen Theaters, die unter der Regierung Franz I. im Stillen eingeleitet worden war. Jeht trat Jodelle, der erste französische Zögling der alten Tras gifer und Komiker, mit seinen Schauspielen auf, Die besonders den Hof in Erstaunen sekten, der von einer solchen Schauspielpoesie noch keinen Begriff gehabt hatte. An Jodelle schlossen sich die übrigen, Damals mit diesem Dichter unter dem Nahmen des Siebengestirns berühmten Aspiranten am frans zösischen Parnasse. Die Zeit der Regierung Heins rich's II. (vom Jahr 1547 bis 1559) ist die Perios de, in der sich der französische Geschmack in der Lite teratur nach den neuen Grundsäßen zu fixiren an fing. Damals schrieb auch der vortreffliche De Thou oder Thuanus seine classischen Geschichts: bücher; freilich in lateinischer Sprache.

Da die neue Bahn gebrochen war, konnten die französischen Dichter, so viel ihrer im Tumult der politischen und fanatischen Parteikämpfe sich res gen durften und mochten, auch ohne Mitwirkung des Hofes dem Ziele näher rücken, das nicht weit in der Ferne lag. Dreißig traurige Jahre (von 1559 bis 1589) der allgemeinen Zerrüttung Franks reichs machen in der Geschichte der französischen Lit: teratur keine neue Epoche. Die gräßliche Barthos Iomåusnacht (im Jahr 1573) schadete der Poesie nicht mehr, als die immer erneuerten und immer wieder gebrochenen Religionsfrieden ihr nüßten. Es waren bald Katholiken, bald Protestanten, nur jene vorzüglich, weil sie sich an den Hof anschlos: sen, die sich als Dichter auszeichneten. Wie sehr

[ocr errors]

sich selbst damals die französische Poesie nach den Wünschen des Hofes richtete, beweiset die plöß. lich verbreitete Mode der Sonette in Frankreich. Denn die Regentin Catharine von Medici, Mutter des minderjährigen Königs Carl IX., hat: te, bei aller unweiblichen Härte ihres Charakters, so viel italienischen Sinn, daß ihr die Formen der Poesie ihres Vaterlandes wenigstens nicht gleich: gültig waren. Wer sich ihrer Gunst poetisch 'ems pfehlen wollte, konnte es also am füglichsten in So. netten. Und mitten unter den bürgerlichen und kirchlichen Zerrüttungen des Landes glänzte Rabes la is als der erste Satyriker seiner Zeit. Der juns ge König Carl IX., der nie einen eigenen Willen haben und in die Staatsgeschäfte sich wenig mischen durfte, machte indessen Verse, und war auch sonst nicht gleichgültig gegen litterarische Unterhaltung. Auch fehlte es in Paris nicht an theatralischen Fest= lichkeiten, während der Religionskrieg die Provins zen verheerte. So blieb die französische Poesie ims mer mit dem Hofe in Verbindung. Der schwache Heinrich III, unter dessen ohnmächtiger Regie rung (vom Jahr 1574 bis 1589) die bürgerlichen Unruhen in Frankreich auf das höchste stiegen, ließ sich poetische Huldigungen, wie seine Vorgänger, gefallen. An seinem üppigen Höfe, wo die abwech: selnde Herrschaft der politischen Factionen alle mög: liche Licenz begünstigte, circulirten auch wohl scan: daldse Sonette, wenn ein besonderes Ereigniß Veranlassung dazu gab 1). Uebrigens geschah da:

[ocr errors]

mals

1) Wer Luft hat, sich davon genauer zu unterrichten, der lese nur die berüchtigten Memoires von Brantome, die unten genauer angezeigt werden sollen.

1

« ÀÌÀü°è¼Ó »