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mals so wenig, als vorher seit dem Tode Franz I., etwas Großes oder irgend Bedeutendes, die fran zösische Poesie in das Interesse des Hofes zu zies hen. Die Dichter und Reimer suchten von selbst die Treppen, die zu den Zimmern des Königs und der Großen führten, und in Paris für Stufen zum Parnasse angesehen wurden.

Die bürgerliche Wiederherstellung des Reichs unter der beglückenden Regierung des unvergeßlichen Heinrich IV. schien auch auf die französische Littes ratur wohlthätig wirken zu müssen. Aber verglis chen mit dem, was der Staat gewann, zog die Lits teratur von Heinrich's Siegen und großen Gesins nungen nur geringen Vortheil. Die gute Prose rückte mit der veredelten Sprache des gemeinen Les bens einige Schritte vor. Damals schrieb der feis ne Montaigne seine in ihrer Art unnachahmli: chen Versuche.. Um dieselbe Zeit cultivirte der Odendichter Malherbe die poetische Diction und die Versification in französischer Sprache zu einer solchen Höhe, daß einige Litteratoren mit ihm eine neue Epoche in der französischen Poesie anfangen Jassen möchten. Aber der Geist des Zeitalters in Frankreich während der glücklichen siebzehn Jahre von 1593, da Heinrich IV. durch den Uebertritt zur katholischen Kirche sich der Frucht seiner Siege versicherte, bis zum Jahre 1610, da ihn Ravail, lac's Messer traf, war kein poetischer Geist. Der liebenswürdige Heinrich selbst hatte bei aller romans tischen Heiterkeit seines Charakters keine besondere Empfänglichkeit für poetische Unterhaltung; und er war aller Affection zu abgeneigt, auch seines vers dienten Ruhms in anderer Hinsicht zu gewiß, als

Daß

daß er, um der Ostentation willen, wie nach ihm Ludwig XIV., ein glänzendes Patronat der Künste und Wissenschaften håtte affectiren sollen. Mit echt französischer Jovialität mochte er gern scherzen. Aber seine bald naiven, bald kaustischen Einfälle, die fast immer ein eignes Charaktergepräge hatten, waren nur Ergießungen seiner Laune, ohne alle Ans sprüche auf cultivirten Wih. Man erzählt Aneks doten von ihm, die beweisen, daß er es auch mit der munteren Satyre, die vom Theater gegen ihn selbst gerichtet war, nicht strenge nahm. Aber er bezeigte weder dem Theater, noch der Poesie übers haupt eine besondere Aufmerksamkeit. Vielleicht hatte auch der calvinische Protestantismus, in wels chem er erzogen war, einigen Antheil an Heinrich's Gleichgültigkeit gegen die Poesie. Denn wenn gleich mehrere Franzosen, die damals Verse machten, sich zu der reformirten Kirche bekannten, so konnte doch die antipoetische Tendenz des calvinischen Protes stantismus ihre natürliche Wirkung auf einen jungen Fürsten nicht verfehlen, der zum Dichter nicht ges boren, und zum Beschüßer der reformirten Kirche durch die Umstände berufen war. Gleichwohl find die ruhigen Jahre der Regierung Heinrich's IV. der schönen Litteratur der Franzosen nicht ungünstig gewesen. Sie bildete sich im Schooße des öffentlis chen Friedens immer fester nach dem neuen Style, der nun überall den alten verdrängte. Heinrich harte auch nichts dagegen, daß ihn Malherbe in Oden besang, deren Sprache sich bei Hofe hdren lassen durfte. Und Heinrich's zweite Gemahlin, Marie von Medici, fand wenigstens ungefähr so viel Wohlgefallen an Versen, als vor ihr Catharis ne von Medici, die Mutter Carl's IX., gefunden

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hatte.

hatte. Die alte Familiendenkart der Mediceer du, Berte sich noch immer von Zeit zu Zeit in den Sprößlingen des verdorrenden Stammes. Ohne Marie von Medici hätte sich vermuthlich auch die Sonet, tenpoesie früher wieder aus der französischen Litteras tur verloren.

So

Die lange Periode der Regierung Ludwig's XIII. (vom Jahr 1610 bis 1643) zerfällt in Bezies hung auf die Geschichte der schönen Litteratur der Franzosen in zwei Hälften. Die erfte Hälfte begreift die Zeit der Administration der Königin Mutter Marie von Medici, während der Minderjährigkeit des Königs und in den folgenden Jahren. lange diese, zwar nicht schwache, aber bigotte, und Durch verkehrte Politik alles Uebel, das Heinrich IV. gedämpft hatte, wieder aufregende Regentin an der Spike des kaum beruhigten Staats stand, gingen Poesie und Beredsamkeit in Frankreich ohne Geräusch den Weg der philologischen Verfeinerung fort, der nun schon gebahnt war. Die französische Sprache wurde fast ganz, was sie jekt ist. alte Sprache der Fabliaur, die sich in Versen noch lange erhalten hatte, nachdem sie aus der Prose und dem gemeinen Leben verschwunden war, verlor nun auch in der Poesie den letzten Rest ihres Unsehens. Sie wurde wegen ihrer naiven Wendungen nur noch in komischen Liedern und Erzählungen beis behalten. Die ernsthafte Poesie folgte entschieden den neueren Formen des französischen Sprachges brauchs. Sie ging zugleich immer fühlbarer in elegante Beredsamkeit über. Der litterarische Ge schmack der Franzosen wußte übrigens noch nicht recht mit sich selbst einig zu werden. Denn aus

Die

Italien kam damals zuerst der Marinismus nach Frankreich. Mit der Nachahmung des italienischen Sonettenstyls wußte man sich nicht zu behelfen, und doch wollte man ihn noch nicht ganz aufgeben. Dies ses Schwanken des französischen Geschmacks dauerte aber auch nicht länger, als bis der eben so energiz sche, als eitle, und in seiner Herrschergröße, wie in seinen Schwächen, ganz französisch empfindende Cardinal Richelieu die lekte Richtung, welche die poetische und rhetorische Cultur der Franzosen nehmen sollte, für immer entschied.:

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Die Zeit der Administration des Cardinal Ris chelieu (vom Jahre 1624 bis 1642) ist eine der merkwürdigsten in der Geschichte der französischen Poesie und Beredsamkeit. Sie bahnt den Uebers gang zum Jahrhundert Ludwig's XIV. so bestimmt, daß auf die Dichter und Schriftsteller unter Ri chelieu ein sehr bedeutender Theil des Epochenvers dienstes zurückfällt, das man gewöhnlich den eles ganten Männern aus dem Zeitalter Ludwig's XIV. ausschließlich zutheilt; und hätte Richelieu nicht achtzehn Jahre hindurch den Ton angegeben, einen poetischen Hofstaat mit dem politischen zu verbins den, so würde unter Ludwig XIV. zur Ermunterung poetischer Talente vom Throne herab vielleicht nur wenig geschehen seyn. Richelieu, nicht zufrieden mit dem verdienten Ruhme, der größte Staatss mann seines Jahrhunderts zu seyn, hatte die Grils le, auch oberster Geschmacksrichter seiner Nation, und sogar selbst ein Dichter seyn zu wollen. Wie

vielen Antheil auch die Eitelkeit an diesen Bestres bungen gehabt haben mag; das Interesse, das Richelieu für die schöne Litteratur empfand, war

uns

unaffectirt. Er liebte sie, wenn auch nicht ganz, doch wenigstens zum Theil, um ihrer selbst willen. Geistesunterhaltung war ihm zur Erhohlung von seinen Staatsgeschäften, Intriguen und endlosen Factionskämpfen Bedürfniß; und Werke der Poes sie und Beredsamkeit zerstreuten ihn dann angenehs mer, als wissenschaftliche Schriften. Aber er schäßte auch die schöne Litteratur aus Grundsäßen als eine unentbehrliche Gefährtin der Wissenschaf: ten. Sein Alles umfassender Geist verlor kein Mits tel aus dem Auge, durch Cultur der geistigen Kräfs te seiner Nation die politische Kraft des Staats zu verstärken, den Patriotismus zu beleben, und durch den Patriotismus wieder den Parteigeist zu unters drücken. Darum schonte er fein Geld, wenn er durch Geschenke und Pensionen Dichter und Ges Jehrte zu patriotischer Thätigkeit ermuntern und sie freilich eben dadurch auch an seine Person fesseln zu können glaubte. Daß diese Geschenke und Pensio nen nicht immer dem Würdigsten zuflossen, lag in der Natur solcher Begünstigungen; und Richelieu erreichte überdieß immer gern mehr, als Einen Zweck. Wie ernstlich es aber Richelieu mit der Litteratur und Gelehrsamkeit meinte, und welchen Nugen für den Staat er sich davon versprach, sieht man, wenn es auch sonst zu bezweifeln wäre, deutlich aus seis ner testamentarischen Verfügung, in der er ausdrück; lich erklärt, warum er gewisse Stiftungen mache, zum Beispiel seine große Bibliothek zum gemeins nüßigen Gebrauche bestimme, und einen ansehnlis chen Fonds zu ihrer Vermehrung hinterlassem). Darum

m) Auch dergleichen Urkunden muß der Litterator zus weilen lesen, wenn er den Gang der Litteratur prags

ma

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