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chelieu sieht man schon, daß sich auch in der spes ciellen Geschichte der französischen Poesie und Ber redsamkeit das Zeitalter Richelieu's durch keine ges naue Grenze von dem so genannten Jahrhundert Ludwig's XIV. absondern läßt. Mit Corneille und Moliere fångt die folgende Periode der französischen Poesie an; aber Corneille erreichte schon unter Ris chelieu den Gipfel seiner Kunst, wenn gleich noch nicht seines Ruhms. Der herrische Cardinal. Pros tector der französischen Akademie that, was er mit Ehren thun konnte, das Genie des edeln Corneille, der ihm mit freiem Selbstgefühl gegenüber trat, zu erdrücken. Richelieu nahm öffentlich Partei gegen Corneille. Er reizte die ganze Akademie gegen ihn. Aber an diesem Felsen scheiterte seine Gewalt. Die Geschichte würde das Unrecht, das die französischen Akademiker gegen Corneille aus Furcht vor ihrem Beherrscher begingen, erneuern, wenn sie mit chros nologischer Aengstlichkeit, um der Dauer der lits terarischen Gewalt des Cardinals Richelieu wil Ien, den Mann, der als classischer Nationals dichter der Franzosen an der Spiße des Jahrhuns Derts Ludwig's XIV. glänzt, im Gefolge Richelieu's auftreten lassen wollte. Aber die Erzählung der litterarischen Ereignisse aus der Periode, die mit Corneille und Moliere anfängt, wird im folgenden Buche zur Geschichte der Dictatur des Cardinals Richelieu zurückkehren müssen.

3weites Capitel.

Geschichte der französischen Poesie in diesem Beitraume.

D

er Dichter, mit dessen Nahmen man die Epos che zu bezeichnen pflegt, die für die französi sche Poesie unter der Regierung des Königs Franz I anfängt, ist Clement Marot. Aber um das poetische Verdienst dieses geistreichen Mannes ge hörig schäßen zu können, muß man zuerst einen Blick auf die Gedichte seines Vaters Jean Marot wers fen, dem der Sohn einen Theil seiner Bildung vers dankte).

Jean Marst, geboren auf dem Lande in der Nachbarschaft der Stadt Caen in der Normandie, war schon gegen das Ende des funfzehnten Jahrs hunderts als Dichter berühmt. Aber er lebte auch noch eine geraume Zeit unter der Regierung Franz I. Vers

o) Notizen zur Geschichte der poetischen Familie. Maror finden sich in der Bibliothèque françoife, der Bibliothèque poëtique, und in den meisten Werken, in der nen die Geschichte der französischen Poesie erzählt ist. Die Gedichte des Jean Marot sind neu gedruckt in der ansehnlichen und eleganten Ausgabe der Werke des Sohs nes: Oeuvres de Clément Marot avec les ouvrages de Jean Marot, fon pere, et Michel Marot, fon fils, à la Haye, 1731, 4 Bande in groß Quart.

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Verdunkelt durch den helleren Glanz seines Soh: nes, hörte er doch nicht auf, Verse zu machen; und wenn er gleich mit diesen Versen nicht auch Epoche machte, spielt doch seine Poesie schon merklich in den Ton des sechzehnten Jahrhunderts hinüber. Durch seine Talente und Kenntnisse war er am Hos fe Ludwig's XII. mit Anna von Bretagne, der Ges mahlin dieses Königs, in Verbindung gekommen. Sie wurde seine erklärte Gönnerin, und nannte ihn ihren Dichter. Dann begleitete er den Kös nig in den Krieg gegen die Genueser und darauf ges gen die Venezianer, mehr, wie es scheint, mit den Gedichten beschäftigt, in denen er nachher diese Er: peditionen erzählt hat, als mit der militärischen Uns ternehmung selbst. Am Hofe Franz I. bekleidete er das Amt eines Garderoben-Intendanten (Valet de garderobe). Er starb vermuthlich um das Jahr 1523. Die Gedichte, die er hinterlassen hat, bes weisen, daß er wenigstens den Willen hatte, höher am Parnasse zu steigen, als seine Vorgånger in Frankreich. Zugleich documentiren sie wieder die besondere Richtung des französischen Geistes auf dies jenige Art von Gedichten, durch welche die' Poesie in die Prose übergeht. Die Anzahl der versificirs ten Werke des Jean Marot ist nicht unbeträchtlich P). Den größten Umfang unter ihnen haben zwei epis fche Versuche, in denen die Expeditionen des Kö:

nigs

p) In der oben angeführten Ausgabe der Werke, der dret Marot füllen die Verse des Jean Marot ungefähr zwei Drittheile des 4ten Bandes. Beiläufig lernt man da, daß die Familie Marot eigentlich Des Marets hieß. Marot war ein Diminutiv. Aber die Familie nahm den Diminutiv Nahmen an, den ihr das Publicum gegeben hatte.

nigs Ludwig XII. gegen die Genueser und darauf ges gen die Venezianer poetisch erzählt werden sollen.. Die Idee einer solchen Art von epischen Versuchen war nicht ganz neu in der französischen Litteratur. Jean Marot erhob sich über die versificirte Chronis kenprose des Martial d'Auvergne 9). Es ahndete ihm eine Art von poetischer Ausbildung historischer. Thatsachen durch mythische Dichtung. Aber seine,

trübe Ahndung verlor sich in der französischen Ans hänglichkeit an das alte Allegorienwesen; und er hatte viel zu wenig Dichtungsvermögen, die Al,› legorie selbst zu einer mythischen Maschinerie zu vers edeln. Allegorische Personen handeln in seinen epis schen Versuchen nur so weit mit, als es nöthig ist, um lange, größten Theils triviale Reden zu hals

ten.

Die Erzählung selbst geht einen durchaus proz saischen Gang. Die Sprache ist in einem merklichen Grade cultivirter, als in den etwas älteren franzö fischen Versen. Aber der Styl ist roh, zuweilen. prunkend, zuweilen bis zum Widerlichen niedrig. Die Verse sind die alten jambischen von fünf Füßen, oder vielmehr zehn Sylben, abwechselnd mit den lyrischen Sylbenmaßen, die damals nach alter Weis.. se üblich waren. Jean Marot nannte, vielleicht jovialisch, die beiden militärischen Expeditionen, die; er episch besingen wollte, Reifen. Die Reise nach Genua (Voyage de Genes) fångt allegorisch mit der Darstellung der unruhigen Laune des Mars an. Dame Pallas (von Einigen Bellona. genannt, seßt der gelehrte Dichter hinzu) råth ihm, die italienischen Republiken aufzuwiegeln. Er macht sich an die Genueser, die den Muth hatten, das frans

q). oben S. 90.

französische Joch abzuschütteln. Jean Marot, der nicht begriff, wie man etwas mehr zu seyn verlans gen könne, als ein Unterthan des Königs von Franks reich, greift sogleich die Genueser mit den niedrigs sten Invectiven an. Der Aufstand in Genua wird beschrieben. Genua als allegorische Person hält eis ne Rede an den Kaufmannsstand (la Marchandise), an das Volk, und an den Adel, sämmtlich allegos rische Personen. Wo die Erzählung fortrückt, ist sie zur Abwechselung in' Rondeaux eingekleidet. In chronologischer Ordnung wird berichtet, wie die französische Armee anrückte; welchen Widerstand sie antraf; wie die Verwirrung in Genua stieg; und wie die Franzosen siegten. Genua, als allegoris sche Person, lamentirt in einer langen. Rede. Die Reise nach Venedig (Voyage de Venife) von Jean Marot ist ein Seitenstück zu der Reise nach Genua. Die Composition nimmt ganz denselben Gang. Und so unpoetisch, wie die Composition, ist die Ausführung in beiden epischen Versuchen, einige wenige Stellen abgerechnet. Nirgends hebt sich die Darstellung zum Interesse der wahren Poes fie. Bei der Beschreibung der Gegenwehr der Ges nuefer heißt es ein Mal, daß die Franzosen ihrer so viele erlegten, "daß die Felder, die Gråben und die Häuser davon stanken" ). Wo die Bes schreis

r) De jour et nuyt ce peuple et vilenaille

Si très-fouvent leur livroient la bataille,
Que des Françoys les gens diminuoient,
Mais pour ung d'eulx eft à croire fans faille
Qu'ils tuoient tant de cette cocquinaille,
Que champs, foffez, et maisons en puoient;
Ce neantmoins tousjours en recouvroient,
Qui aux Françoys eftoit inrecouvrable;

Jus

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