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3weites Capitel.

Seschichte der französischen Poesie und Beredsam teit in diesem Zeitraume.

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ie ältesten Gedichte in der Out- Sprache was

ren Lieder. Wann das Volk an der Seine und Loire aufgehört, in der Manier des alten, nur noch dem Nahmen nach bekannten Rolandsges fanges, und im verdorbenen Latein zu singen, läßt sich eben so wenig mit chronologischer Genauigs Peit melden, als, wie einige besondere metrische Fors men entstanden, durch die sich das französische Lieb ursprünglich von dem provenzalischen unterschied. Daß die nordfranzösische Liederpoesie nicht, wie man ehmals geglaubt, aus der provenzalischen entstans den ist, leidet nach den neueren Untersuchungen feis nen Zweifel mehr. Gewiß ist aber auch, daß die provenzalische Poesie im dreizehnten Jahrhundert auf die nordfranzösische wirkte und daß diese das mals in einem gewissen Sinne zum zweiten Male entstand "). Deßwegen scheint das eigentliche Lied

in

n) Außer der allgemeinen Geschichte der französischen Poes sie von Massieu, und der Abhandlung von La Raz valiere De l'ancienneté des Chanfons françoifes im ersten Bande seiner schon erwähnten Ausgabe der Poëfies du Roi de Navarre geben zur Kenntniß der ältes ften französischen Poesie gute Anweisung vorzüglich das Werk von Claude Fauchet, de l'origine de la langue et poëfie françoife in deffen Oeuvres (Par. 1610, Bouterwek's Gesch, d. schön. Redek, V. B.

in

in Frankreich nie in enger Verbindung mit den Ro manen und Fabliaux gestanden zu haben, die durchaus nordfranzösischen Ursprungs, und zum Theil alter, als die meisten der noch bekannten al: ten Lieder selbst sind. Vielleicht erhielt die alte lies derpoesie im nördlichen Frankreich nicht eher eine Art von Cultur, als bis die ältesten, sämmtlich in Versen geschriebenen Romane der Sprache schon mehr Festigkeit und Gewandtheit gegeben hatten. Aber nur dem Geschichtschreiber der Litteratur des Mittelalters kann zugemuthet werden, von den åltesten Liedern und Romanen der Franzosen ges nauere Nachricht zu geben. Sein Geschäft ist es denn auch, zu untersuchen, wie der lateinische Volks, gesang in Frankreich, von dem sich mehrere bemers kenswerthe Ueberreste erhalten haben °), in den frans zösischen überging, und ob die zärtlichen Lieder, in Denen der gelehrte Abalard seine verbotene Liebe ju

der

in 4to); dann einige Abhandlungen von dem feinen und gelehrten Grafen Caylus in den Mémoires der frans 3df. Acad. des Infcriptions, besonders T. XX. und ends lich die schäßbare Introduction vor der Bibliothèque poëtique (Paris, 1745, in 4 Octavbánden), und der neunte Band der Bibliothèque françoise.

o) 3. B. das Liedchen, dessen lieblicher Anfang sich bei La Ravaliere findet:

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Warum sucht man solcher Lieder nicht mehrere auf? Ihre metrische Form schwankt sonderbar zwischen dem spanischen und dem französischen Liede.

der schönen Heloise sang, schon französische, oder noch lateinische lieder waren P).

Gegen das Ende des dreizehnten Jahrhunderts, wo die Geschichte der neueren Litteratur anfängt, was ren Lieder und Romane in französischer Sprache schon nichts Seltenes mehr. Aber auch mit diesen Lies dern und Romanen fing in Frankreich noch keine neues re Litteratur an. Durch das ganze vierzehnte und funfzehnte Jahrhundert waren die Franzosen in Allem, was ästhetische Bildung heißt, im Verhältniß zu den Italienern dieses Zeitraums noch eine rohe Nation. Selbst hinter den spanischen und portugies fischen Liederdichtern standen die französischen im funfs zehnten Jahrhundert noch weit zurück. Ihre Werke gehören nur chronologisch den neueren Zeiten an. Geist und Sprache des Mittelalters dauerten in der romantischen Poesie diesseits der Alpen und Pyrenåen überhaupt bis in das sechzehnte Jahrhundert fort. Gleichwohl lernt man die schöne Litteratur der Frans zosen nicht als ein Ganzes kennen, wenn man nicht wenigstens bis zu der Periode zurückgeht, da sich der französische Geschmack durch Lieder und Romane von den Grenzen der Normandie herab immer weiter ges gen Süden zu verbreiten anfing.

Die Gedichte des Königs Thibaut von Nas varra kann man füglich als die ersten hinlänglich do: cumentirten Proben des Eigenthümlichen der frans zösischen Poesie benußen, da sie mit Fleiß gesams melt sind, und genau in die Periode fallen, wo der

rohe

P) Nach der gewöhnlichen Meinung sang Abalard im zwölften I. H. schon französisch. Andrer Meinung ist La Ravaliere, der doch sonst kein Datum aufgiebt, das Alter der französischen Poesie zu beweisen..

rohe Volksgesang des nördlichen Frankreichs durch die Einwirkung der Provenzalpoesie seine erste Bil dung erhielt. Unter der Regierung des französi schen Königs Philipp August gegen das Ende Des zwölften Jahrhunderts waren vermuthlich die ersten Troubadours aus der Provence nach dem nördlichen Frankreich gekommen. Sie hatten da den Frieden für ihre fröhliche Kunst gesucht, den der fanatische Kreuzzug des Grafen von Montfort gegen Raimond von Toulouse, den Vertheidiger des kühnen Protestantismus der Albigenser, aus dem Vaterlande der Troubadourspoesie auf einige Zeit verscheuchte. Damals sollen ein gewisser Chretien de Troyes und Andere zuerst den provenzalischen Gesang in französischen Versen nach: geahmt haben. Thibaut, Graf von Champagne, nachher König von Navarra, lebte vom Jahr 1201 bis 1253. Er hatte in seinem Jünglingsalter an der Wiederherstellung der Ruhe im südlichen Frank: reich ritterlich Theil genommen, und war bei dieser Gelegenheit vermuthlich mit der Provenzalpoesie vers trauter geworden, als die übrigen nordfranzösischen Ritter zu seyn pflegten. Die französischen Litteras toren streiten, ob die Dame des Herzens dieses Kd. nigs von Navarra, der Gegenstand fast aller sei. ner Lieder, wirklich die Königin Blanca von Castilien gewesen, der man gewöhnlich diesen Ruhm in der Litterargeschichte zuerkennt. Die Gedichte selbst sind unverkennbar den provenzalischen nachgebildet, aber nach dem Bedürfniß des nordfranzösischen Geistes. Man findet unter ihnen weder Sonette, noch eigentli che Canzonen und Gesänge in den künstlichen Sylbens maßen der Provenzalen. Es sind Lieder im Styl der einfachen provenzalischen Lais mit mancherlei Ab

ånde:

änderungen, die sich zuweilen der Canzone nås hern. Die Sprache weicht von dem neueren Franz zösischen so weit ab, wie die Sprache der schwäbischen Minnesiuger von dem neueren Deutschen 4). Die Verse sind mit Fleiß und mit provenzalischer Regels måßigkeit gebildet. Fast alle Lieder des Königs Thibaut, so verschieden auch übrigens ihre metriz sche Form seyn mag, haben, wie die provenzalischen, jedes nicht mehr und nicht weniger Strophen, als fünf; und hinter der fünften Strophe folgt gea wöhnlich noch das provenzalische Anhängsel oder Ges leit (envoi), das die Italiener in ihren Canzonen beibehalten haben. Fast alle sind Klagen der Liebe im Styl jener Zeit, aber nicht so stürmisch, wie in den alten spanischen Liedern. Einige wenige sind moralischen und religiösen Inhalts. Die lyrischen Klagen der Liebe des Königs Thibaut fangen, wie die provenzalischen, gewöhnlich mit einer Beschreis bung des Frühlings an. Und doch hat diese das mals schon gemein gewordene Wendung dem König Thibaut selbst in einem seiner Lieder zum Gegenstande des Spottes dienen müssen. Durch eigenthümliche Züge zeichnen sich übrigens diese Lieder so wenig aus, als durch eine hervorstechende Schönheit. Eine Eleganz des Ausdrucks, über die man aber ohne ges naue Kenntniß der Sprache jenes Zeitalters nicht mehr urtheilen kann, scheint zu ihrer Celebrität ets

+

was

9) Ohne Hülfe eines Glossariums, wie dasjenige ist, das La Ravaltere seiner Ausgabe beigefügt hat, kons nen Franzosen selbst kaum noch eine Strophe dieser Ges dichte verstehen. Mehrere seitdem untergangene Wors ter lassen sich nach der Analogie des Italienischen und Spanischen errathen,

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