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zu suchen. Durch den sogenannten Schlüssel zur Astrea lernt man, daß die Schäferin Ustrea die Geliebte des Dichters, eine Frau von Char teaumorand, bedeutet, die zuerst - Gattinn seines Bruders war, und nach dessen Tode, als sie dem Dichter ihre Hand geben konnte, gar nicht in so zärtlicher Eintracht mit ihm gelebt haben soll, wie der Roman vermuthen läßt. Mit besonderer Feins heit hat D'Urfè die Person seiner Geliebten in der romantischen Dichtung verdoppelt. Unter dent Nahmen Diana kommt sie zum zweiten Male als eine Andere in der Erzählung vor. Auf dieselbe Art erscheint D'Urfè selbst als Schäfer und Liebhas ber unter dem Bilde zweier Personen. Solche kleinen Kunstgriffe erhöhen wenigstens die Delicas tesse der Erfindung. Uebrigens ist in der Astrea, wie in den älteren romantischen Dichtungen, für das Interesse der Wahrscheinlichkeit in der Fols ge und des Zusammenhanges der Ereignisse weder nach poetischen, noch nach andern Gesetzen gesorgt. Nur das Interesse der Situationen ist nicht vers nachlässigt. Die romantische Hirtenwelt ers scheint übrigens auch hier sehr verschieden von der arkadischen, die der theokritischen Hirten, und Schäferpoesie zum Grunde liegt. Die romantis schen Schäfer und Schäferinnen phantasiren und rås sonniren nicht nur ganz im Geist und Style der ritterlichen Galanterie; sie wechseln auch zärtliche und phrasenreiche Briefe, die denen völlig gleis chen, die man in den alten Ritterromanen findet. Die Astrea geht fast noch weiter, als die spani: schen und portugiesischen Schäferromane, in den Charakter des Ritterromans über. Auch übertrifft sie jene in der romantischen Mischung der ver: schter

schiedensten Zeitalter und Sitten. Alle Situationen beziehen sich auf Verhältnisse aus den Zeiten, in denen der Dichter' selbst lebte. Gleichwohl ist auch die Rede von den Kriegen der Römer, Franken und Burgunder. Nymphen spielen eine Haupt: rolle in diesem Roman; aber auch ein Druide. Diese Mannigfaltigkeit der Composition hålt aber doch der Monotonie der Empfindungen in der Astrea nicht das Gleichgewicht. Die romantische Sentis mentalität des Ganzen wird besonders ermüdend. Durch die unaufhörliche Wiederhohlung derselben unglücklichen Zärtlichkeit in Phrasen, die zu langen Monologen und Discursen mit einer Weitläuftigs keit ausgesponnen sind, ohne die auch das ganze Werk nicht zu fünf Bånden hätte gedehnt wers den können. Den Verehrern des ganzen Werks schien es doch nicht zu lang, weil gerade damals eine solche romantische Sentimentalität den Frans zosen etwas Neues war. Daher kam es auch, daß dieser Ton, den D'Urfè angegeben hatte, so gar in den historischen Romanen wiederhohle wurde, die in den ersten Decennien des Jahrhuns derts Ludwigs XIV. beliebt, und von Herren und Damen, denen die neu-französische Poesie nach ans tikem Zuschnitte zu kalt war, mit einer Art von romantischer Andacht gelesen wurden. Als man bald darauf nöthig fand, die Monologen und Diss curse in der Astrea abzukürzen, um den Roman in Unsehen zu erhalten, war die Periode seiner höchsten Celebritåt schon vorüber. Er wurde ims mer einstimmiger für ein langweiliges Buch ers klärt, und zuleßt, nach mehreren mißlungenen Umarbeitungen, unter die litterarischen Merkwürs

digkeiten, die fast niemand mehr lieset, in den Bibliotheken niedergelegt ).

Die Geschichte der historischen Romane von sentimentaler Art, unter deren Verfassern besonders die Frau von Scüdern glänzte, fångt mit dem Jahrhundert Ludwig's XIV. an.

2. Die eigentliche Prose ging in der frans zösischen Litteratur von den ersten Decennien des sechzehnten bis gegen die Mitte des siebzehnten Jahr. hunderts ungestört den Weg der musterhaften Ents wickelung fort. Sie wurde weder durch die ros mantische Kunst, noch durch die bürgerlichen und kirchlichen Unruhen aufgehalten. Aber sie nahm in mehreren Gattungen der eleganten Beredsamkeit das Gepräge des Zeitalters, und immer merklicher die unveränderlichen Züge des französischen Natios nalcharakters an.

Die historische Kunst in ihrem ganzen Ums fange wurde den Franzosen bekannt, als das Stu dium der alten Classiker in den ersten Decennien des sechzehnten Jahrhunderts auf alle Zweige der französischen Litteratur wirkte. Aber der einzige Mann, der damals etwas Großes als Geschichts schreiber seines Vaterlandes mit pragmatischem Ins

teresse

g) Die ersten vier Bånde der Astrea, so wie sie aus der Feder des Verfassers geflossen sind, erschienen zum ersten Male zu Paris im J. 1610, in 4to. Eine Ausgabe, in welcher man nur die langen Discurse abgekürzt, und die Sprache modernisirt, übrigens aber das Werk uns verändert gelassen hat, ist die vom Jahre 1733, Paris, in fünf Octavbánden. Der fünfte Band enthält auch den Schlüssel, und biographische Notizen, den Verz faffer betreffend.

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teresse zu unternehmen und mit glücklichem Dars stellungstalente auszuführen, unter den französischen Historikern Geist und Kraft hatte, wurde eben durch jenes Modestudium seiner Zeit verleitet, seiner Muttersprache untreu zu werden. Håtte dieser Mann, der vortreffliche De Thou, seine befann: ten und von allen Geschichtsforschern geschäßten Annalen französisch geschrieben, so würde mit ihm eine Epoche in der Geschichte der französischen Beredsamkeit anfangen. Aber er schrieb lateinisch. Sein rhetorisches Verdienst zu würdigen, ist also hier nicht der Ort. Außer De Thou scheint in diesem ganzen Zeitraume auch nicht ein einziger vors züglicher Kopf in Frankreich das Bedürfniß gefühlt zu haben, durch ein historisches Werf, das nicht in die Reihe der Memoires gehört, die Beges benheiten seines Vaterlandes aufzubewahren. Aus dem Factionsgeiste, der damals Frankreich zerrûts tete, wird man nie erklären können, warum fein zweiter De Thou in Frankreich aufstand. Denn auch nachher, als alle bürgerlichen Unruhen ge dämpft waren, wartete die französische Nation vers gebens auf einen Geschichtschreiber, der sie als Nation zu würdigen bemüht gewesen wäre. Die Memoires harmonirten besser mit dem Geiste des französischen Publicums aus Gründen, deren schon oben gedacht worden. Und je verfeinerter mit den Sit: ten auch die Geistesfähigkeiten wurden; je mehr die Intriguen, in denen sich der Nationalcharakter gefiel, ein psychologisches Interesse für den Weltmann erhielten, der sich der feineren Menschenkenntniß bes fliß; desto nachtheiliger wurden die immer belieb: teren Memoires der Cultur der höheren historischen Kunst.

Biographien kamen den Wünschen des französischen Publicums schon näher entgegen, weil sie mehr Aehnlichkeit, als größere historische Wers fe, mit den Memoires haben. Unter den biogras phischen Werken in der französischen Litteratur des sechzehnten Jahrhunderts zeichnet sich besonders das Leben des Ritters Bayard aus 1). Der Nahme des Verfassers ist unbekannt. Man weiß nur, das er Secretár des edlen Ritters "ohne Furcht und Tadel" gewesen, von dessen Thas ten und Charakter er die Nachwelt genauer unters richten wollte, so oft auch der berühmte Nahme dieses Mannes in anderen Memoires aus dem sech: zehnten Jahrhundert vorkommt. Der Ungenannte spricht nur mit Liebe und Verehrung von seinem Helden; aber so, wie er spricht, dachte und eme pfand die ganze französische Nation. In dieser Biographie erscheint zum letzten Male die reizende Naivetät, mit welcher der Ritter Joinville einige hundert Jahre früher das Leben des Königs Luds wig des Heiligen erzählt hatte ). Die Manier ist so anspruchlos, und doch so anziehend; die Sprache so natürlich, bestimmt und gefällig; und selbst in dem Bau und der Anordnung den rhes torischen Perioden zeigt sich eine solche Leichtigs keit und harmonische Abwechselung; daß selbst der Ueberrest der altvåterischen, noch an den Chros nikenstyl erinnernden Wörter und Phrasen den Reiz

h) Hiftoire du Chevalier Bayard et de plufieurs chofes mémorables advenues fous les regnes de Charles VIII., Louis XII. et François I., - avec les annotations de Théodore Godefroy, augmentées par Louis Vi. del. Nouv. edit., Grenoble, 1651, in 8vo.

i) Vergl. oben, S. 121. ff.

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