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geleitet durch den Titel Roman, der doch in der Sprache der mittleren Jahrhunderte nichts weiter, als ein Buch in der romanischen Volkssprache, bes deutet, haben fast alle Litteratoren den Roman von der Rose in Ein Fach mit dem Amadis, dem Pals merin von Oliva, den fabelhaften Geschichten vom König Artus, und andern eigentlichen Ritterromas nen eingeschoben. Der Roman von der Rose ist nicht nur durchaus, freilich in Knittelversen, die zwar regelmäßig, das heißt in ordentlich abgezähls ten Sylben, fortschreiten, aber darum nicht weniger holpericht und barbarisch sind, versificirt; er ist auch übrigens, nach dem gewöhnlichen Sprachges brauche, ein Gedicht, und zwar ein didaktischs allegorisches Gedicht, dem die Erzählung nur zur Ausführung der Allegorie dient. Die Erfins dung hat keinen epischen Zug. Der Dichter erzählt einen Traum, den er im schönen Mat geträumt, als er selbst noch ein Jüngling gewesen. Aber um die Erfindung und den Werth des Ganzen zù bes urtheilen, muß man den Antheil des wahren Ers finders von der Arbeit des Fortsehers unterscheis den. Wilhelm von Lorris, ein Dichter, von dessen Lebensumständen sich keine merkwürdigen Das

Cy eft le Rommant de la Roze.
Ou tout art d'amour eft enclose
Hiftoires et auctoritez,

Et maints beaulx propos ufitez,
Qui a efte nouvellement

Corrigé fuffifantement,

Et cotte bien a l'avantaige

Com on voit en chascune page.

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An rohen Holzschnitten fehlt es dieser Ausgabe auch nicht. Schon in dem ersten liegt der Liebhaber mit seiner Schd, ne unter einer Decke.

ta erhalten haben, schrieb schon in der ersten Hälfs te des dreizehnten Jahrhunderts den Roman von der Rose bis zum viertausend hundert und funfzigsten Berse. Ihm gehört die Idee des Gedichts, ihm die Grundlage und der Geist und Charakter des Gans zen. Sein unvollendetes Werk wurde, vermuths lich zu Anfange des vierzehnten Jahrhunderts, forts gesetzt und beendigt von Jean de Meun mit dem Beinahmen Clopinel oder der Lahme, der im Jahr 1279 oder 1280 geboren seyn soll. Ob dies ser Jean de Meun Geistlicher, oder Rechtsgelehrs ter war, kann man dahin gestellt seyn lassen. Daß er aber ein gelehrter Mann war, sieht man aus der Zueignung seiner französischen Uebersehung des Boethius an den König Philipp den Schdr hen. Da melder er von sich selbst, daß er nicht nur den Roman von der Rose vollendet, sondern auch den Vegetius und noch andere Bücher aus dem Las teinischen überseht habe. Man bemerkt aber in dem Antheil, den er an dem Roman von der Rose hat, keine Einwirkung des classischen Geistes der Alten auf seine Poesie. Seine Belesenheit zu zeigen, hat er allerdings jede Gelegenheit benut. Uebrigens nahm er den Faden so auf, wie Wilhelm von Lors ris ihn hatte fallen lassen, und führte die allegoris sche Dichtung nur nach seinem Sinne zu Ende. Ob Wilhelm von Lorris fie in wesentlichen Zügen anders fortgesekt und geendigt haben würde, läßt sich aus dem Plane, der dem Ganzen zum Grunde Hegt, nicht errathen. Denn die allegorische Zurüs stung deutet wohl auf ein bestimmtes Ende, aber nicht auf einen besonderen Gang der Dichtung, um ihr Ziel zu erreichen. Züchtiger und feiner würde Wilhelm von Lorris vermuthlich zum Ziele geschrits Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek. V. B. C ten

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ten seyn; aber auch wie es ist, hat das Ganze eis men ausgezeichnet französischen Charakter. Deßs wegen noch mehr, als wegen der großen Celebritår, die es erhielt, verdient es eine genauere Anzeige. Der Erinnerung werth ist auch das chronologische Datum, daß um dieselbe Zeit Jean de Meun den Roman von der Rose, und Dante seine göttliche Comödie vollendete f).

Die Erfindung des Romans von der Rose hat gar nichts Großes; sie ist nicht einmal sinnreich Unter dem Schleier des moralischen und ritterlichen Ernstes sollte zur Abwechselung sich der Muthwils le ein so frivoles Spiel treiben können, als dem Dichs ter beliebte. Dazu war die Vieldeutigkeit der Als legorie das bequemste Mittel; und durch das bes ständige Allegorisiren mußte von selbst eine Anspies lung aus der andern entstehen. Der Roman von der Rose sollte als ein romantisches Lehrges dicht im Geifte der Ritterzeit dem Dichter Gelez genheit geben, mit seinem Wike und seinen Erfins Dungsgaben zugleich seine moralischen und satyris schen Betrachtungen über die Welt, besonders über die Weiber, verbunden mit seiner Gelehrsamkeit, feiner Theologie und seiner scholastischen Weltweiss heit anmuthig vorzutragen, und abwechselnd zu lehs ren, zu spotten, und zu strafen. Rásonnirend also zeigt sich der poetische Geist der Franzosen schon in dem ersten Werke, durch das er ein weiteres Feld

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f) Nach dem Gutachten eines Franzosen Pasquier ist der Roman von der Rose dem großen Gedichte Dante's völlig gleich zu schäßen, und übertrifft alle übrigen itas Itenischen Gedichte in Ansehung der schönen Spras che und der schönen Sentenzen.

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zu gewinnen suchte; und durch das Sinnreiche nebst dem Moralischen empfahl sich schon das mals die Poesie in Frankreich mehr, als im südlis chern Europa. Im Roman von der Rose muß man die ersten Proben des französischen Reflexionsgeis sies suchen, der sich von jeher mit pikanten Betrachs tungen über das menschliche Herz, und ganz besons ders über die Vorzüge und die Schwachheiten des weiblichen Herzens, nicht wenig zu schaffen gemacht hat. Aber die rohe Psychologie des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts vertrug sich freilich nicht mit Bemerkungen, die man jeßt fein nennt. Wil: helm von Lorris war ein Beobachter im Geiste seis ner Zeit. Sein poetisches Gefühl, so viel ihm das von zu Theil geworden war, riß ihn zuweilen zu les bendigen Darstellungen fort. Aber dieses poetische Gefühl war doch nicht stark genug, ihn über die fros stige Reflexionsallegorie, die nicht einmal das Allgemeine anschaulich individualisirt, und im Gruns de nur eine gemeine Bildersprache ist, in das Reich der freieren und höheren Dichtung hinaufzurücken die mehr, als didaktische Ein kleidung, seyn soll. Er wollte nicht, wie Dante, seinem Herzen ein unz vergängliches Denkmal stiften; nicht sein innigstes Gefühl und seine ganze Seele in einer kühnen Dichs tung niederlegen. Der Roman von der Rose ist kein Werk des Enthusiasmus. Das Allegorienwes sen des Mittelalters erscheint in der Erfindung des Wilhelm von Lorris und seines Nachfolgers Jean de Meun ganz so roh, wie es die Mischung des poes tischen Bedürfnisses mit scholastischen Vorstellungen von der Poesie mit sich brachte. Auch in dieser Hins sicht ist der Roman von der Rose merkwürdig als Das erste größere Document des französischen Alles

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goriengeschmacks, der ganz am Sinnreichen hängt, und auf die poetische Bedeutung in einem höheren Sinne wenig achtet. Die herrschende Idee in der Erfindung dieses Romans oder Lehrgedichts läßtsich nicht wohl verfehlen. Es soll eine vollständige Kunst, zu lieben, seyn. Jean de Meun hat auch ganz nach dieser Idee das Gedicht fortgesett und beendigt. Ein Traum verseht den Dichter in die Nähe des Gartens der Liebe. Da erscheint ihm sogleich ein ganzes Heer von allegorischen Pers fonen, der Haß, die Felonie, die Niederträchtigs fett, die Begierde, die Habsucht, der Verdruß, die Traurigkeit, das Alter, die Heuchelei, und die Ars muth; im Französischen sämmtlich weibliche Persos nen. Die verschlossene Thür des Gartens der Lies be wird dem Liebenden geöffnet von der Dame Dis seuse, dem personificirten Müssiggange. So ges mein macht sich sogleich die Dichtung, um nur sos gleich zu moralisiren. Amor wird den Liebenden gewahr, und verwundet ihn mit seinem Pfeile. Eins geschaltet wird hierauf die Fabel vom Narciß, für die eben so gut an jeder andern Stelle des Gedichts Raum gewesen wäre. Jeht fühlt der Liebende das Verlangen, die Rose zu pflücken. Daß mit dies sem Bilde nichts anders, als der Genuß gemeint ist, den die deutschen Sänger der Liebe Minnes fold nannten, wird nun schon völlig klar. Aber durch das Spiel, das der Wiß des Dichters mit dem Bilde treibt, mischt sich die eigentliche Bedeus tung bald mit mehreren uneigentlichen. durch gewinnt wenigstens der Antheil, den Wilhelm von Lorris an der ganzen Dichtung hat, ein ziem lich züchtiges Ansehen, so viel frivole Anspielungen auch da schon zum Vorschein kommen. Der Lies

Das

bende

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