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geschrieben, entstand um dieselbe Zeit. Bald nach seiner Zurückkunft in Frankreich wurden Fragmente von dem årgerlichsten seiner Gedichte, der Pücelle, bekannt. Von dem übrigen Theile seiner Lebensges schichte wird es genug seyn, hier nur Einiges in Erinnerung zu bringen. Die Verbindung Vols, taire's mit der gelehrten Marquise Du Chatelet veranlaßte feine Schriften über die Newtonische Phofit und Astronomie. Eben diese Dame mit der Welt und Staatengeschichte bekannter zu machen, schrieb er seine historischen Werke. Zwischen diesen ernsthaften Urbeiten entstanden seine komischen Ers zählungen und Romane. Die ungerechte Hinrichs tung des Jean Calas gab ihm Gelegenheit, sich dem Publicum als eifrigen Menschenfreund zu zeigen. Aber sein vorzüglichstes Augenmerk blieb immer das Theater; und weil er selbst fühlte, daß er zur Lusts fpielpoesie wenig Talente hatte, arbeitete er desto fleißiger, feinen Ruhm durch Trauerspiele immer höher zu heben. Dem Trauerspiele eine philosor phische Tendenz zu geben, versuchte er durch seinen Mahomed, den er, um den Schein freigeistiger Nebenabsichten abzuwehren, dem Pabste zuzueignen wagte. Seine Verbindung mit dem großen König von Preußen gab seiner litterarischen Thätigkeit keine besondere Richtung, desto mehr Veranlassung aber zu Privatanekdoten, die seinen persönlichen Charakter beschimpften. Voltaire, der mit seinen übrigen Talenten auch die Kunst, Geld zu erwerben, vers band, und besonders dazu seinen Umgang mit den Großen benußte, häufte in der leßten Hälfte seines Lebens Schäße über Schäße. Gehaßt, verfolgt, verabscheuet in ganz Europa, aus mancherlei Grüns den, aber auch in ganz Europa bewundert, wie

wenige berühmte Männer seiner Zeit, und von seinen Bewunderern fast vergöttert, wurde Voltaire vier und achtzig Jahr alt. Man kann wohl sagen, daß er vor Freude gestorben, nachdem er bei seinem lekten Aufenthalte zu Paris im Jahre 1778 seine Büste auf dem Theater, mit den Ceremonien einer förmlichen Apotheose, krönen gesehen. Was dem Geschichtschreiber der Litteratur über Voltaire's pers sönlichen Charakter zu sagen verstattet ist, so fern ein solches Urtheil auch zur richtigen Schäßung des Geistes seiner Schriften gehört, läßt sich in wenigen Worten zusammenziehen. Wenn man Alles, was von Voltaire's Feinden und Freunden zu seiner Schande und Ehre erzählt wird, ganz unparteiisch mit den unbezweifelbaren Zeugnissen vergleicht, die er selbst in seinen eigenen Schriften niedergelegt hat, wo er feine Denkart und Gesinnung nicht etwa gefliffentlich verbergen will, so erscheint Voltaire im ganzen Laufe seines Lebens als ein Mensch ohne allen Charakter, bald äußerst gutmüthig, voll wahrer Humanität, bald eben so boshaft, besonders rachsüchtig und neidisch; jeht voll edeln Eifers für Wahrheit und Vernunft, jeßt ein frecher Wikling, dem das Wahre so wenig, wie das Gute, heilig ist, wenn ihm der Mißbrauch seiner Talente Gelegenheit giebt, fie glänzen zu lassen; schwerlich irgend eines Menschen wahrer Freund, aber ein unversöhnlicher Feind des Vorurtheils, außer, wenn Eitelkeit und Gewinnsucht ihn zum Heuchler machten; fast noch mehr eitel, als ehrgeizig; nicht selten liebenswürdig, aber niemals groß; ein Mensch, zu dessen Bilde man, wie jener Grieche zu einer üppigen Statue des Adonis, sagen darf: “Es ist nichts Heiliges an dir."

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Unter den Dichtern und geistreichen Schrifts Sellern würde Voltaire schon deßwegen höher zu Hellen seyn, als er von deutschen Kritikern gewöhns lich gestellt wird, weil ein Theil seiner Werke, wenn gleich nicht im moralischen Sinne, musterhaft und unübertrefflich ist. Aber auch seine sämmtlichen Echriften, als ein Ganzes betrachtet, sind ein Denkmal des Genies, bei dem der unbefangene Kritifer mit Bewunderung verweilen muß. Vols taire's Geist ergriff mit gleicher Leichtigkeit die hes terogensten Gegenstände, um sie seiner Phantasie und seinem Wiße zu unterwerfen. Mit derselben Leichtigkeit, wenn auch nicht mit demselben Glücke, bearbeitete er diese Gegenstände in jeder Form, die ihm gefiel. Was nicht dem französischen Nationals geschmacke gemäß war, konnte ihm nicht gefallen; denn nur dadurch, daß er sich in seinen Schriften ganz als Franjose zeigte, mit nicht mehr,' und nicht, weniger poetischem Gefühle, als in Frankreich ans -erfannt wurde, konnte er sich bei dem Publicum beliebt machen, um dessen Gunst er rastlos buhlte. Aber er überschauete mit einer Geistesfreiheit, wie kein französischer Dichter vor ihm, sowohl sein Pus blicum, als die ernsthafte und die komische Seite des gauzen menschlichen Lebens. Indem er sich allen Formen anschmiegte, die in seinem Vaterlande reis zend gefunden wurden, riß er seine Bewunderer mit sich fort. Er hatte durchaus keinen philos sophischen Forschergeist, aber einen hellen und eners gischen Menschenverstand; feinen Enthusiasmus, aber Liebe zur Kunst und zur Wahrheit; einen uns erschöpflichen Wiß, der ihm selbst den Mangel einer

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höheren Einbildungskraft bis auf einen gewissen Grad ersekte; einen redlichen Widerwillen gegen alles Phantastische und Affectirte; ein Talent, das Lächerliche der Vorurtheile zu erblicken und darzu stellen, wie niemand außer ihm; aber auch eine Gewandtheit der Phantasie, durch die es ihm ge: lang, das Große und Pathetische in tragischen Wers fen mit einer Geschicklichkeit auszuführen, als ob er es ernstlich empfände. Voltaire's Grundfehler ist seine Frivolität. Diese machte ihn zu einem flüchtigen und oberflächlichen Råsonnör und zu einem schaamlosen Possenreißer. Aber elegant und Delicat nach den Gesehen des Geschmacks aus dem Jahrhundert Ludwig's XIV. blieb er selbst dann, wenn er schwaßte wie ein Geck, und frech wurde wie ein Satyr.

Voltaire hat nie die Absicht gehabt, den Ges schmack seiner Nation zu reformiren, oder eine neue Art von Poesie in die französische Litteratur einzus führen. Er wollte nur durch dasjenige, was er für Philosophie hielt, die Poesie und Beredsamkeit gemeinnüßiger machen. Aber das ästhetische In teresse, so weit er dessen fähig war, riß ihr doch immer mehr, als jedes andere, hin. Wenn man den ganzen Vorrath seiner Schriften, die in stes benzig Bånden gesammelt sind ), nach ihrem ästhetischen Charakter, ohne Rücksicht auf ihren Inhalt zu nehmen, beurtheilen will, kann man sie

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c) Außer der bekannten, auch in Deutschland nachgedruck, ten, Ausgabe der Oeuvres de Voltaire von Beau marchais in 70 Bänden giebt es noch andere Ausgas ben, die man bei Defeffarts unter dem Artikel Vole tatre angezeigt findet.

in drei Claffen eintheilen. In die erste Classe gehören diejenigen poetischen und prosatz schen Werke Voltaire's, in denen er sich an die Dichter und beredten Schriftsteller seiner. Nation aus dem Jahrhundert Ludwig's XIV. anschließen, und die Lücken; die sie in der fränzösischen Litteratur offen gelassen hatten, als ein neuer Classiker qus, füllen wollte, ohne sich von dem Wege, den sie berraten, weiter zu entfernen, als es der veränderte Geist der Zeit verlangte. Fast alle seine dramatis schen Werke, die meisten seiner flüchtigen Poes sien, auch die Henriade, und selbst seine neue Dars stellung der Weltgeschichte, die ein Gegenstück zu der von Bossuet seyn soll, können hierher gerechnet werden. Die zweite Classe umfaßt die muthwils ligen und übermüthigen Gedichte, Erzählungen, und andere Schriften, in denen Voltaire den Abers glauben, oder, was er für Aberglauben hielt, und die Vorurtheile, an denen sein gesunder Verstand Anstoß nahm, mit allen Waffen feines Wikes, setz ner Phantaste und seiner Beredsamkeit verfolgt. Der starke Geist sucht in diesen Schriften den Vorrang seibst vor dem schönen Geiste »zu behaupten. In Diese Claffe gehören vorzüglich Voltaire's burlesks philosophische Romane und Erzählungen, das Alltags Evangelium (P'Evangile du Jour), und auch die Pucelle Die dritte Classe würde denn die Werke enthalten, in denen Voltaire ernsthaft als Philosoph råsonnirt, Loder als Gelehrter unterrichter, oder als Geschichtschreiber erzählt, also zum Beir spiel seine Abhandlung über die Toleranz, feine Darstellung der Newtonischen Physik und Astronos mie, feine Geschichte der Jahrhunderte Ludwig's XIV. und Ludwig's XV., feine Lebensbeschreibungen Bouterwek's Gesch, d. schön. Redek. VI, B. 3 Per

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