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Peter's des Ersten von Rußland und Carl's XII. von Schweden. Alle diese Schriften ausführlich zu mustern, ist hier kein Raum. Nur einige mús sen noch genauer charakterisirt werden.

Voltaire's dramatische Werke sind unter seinen sämmtlichen Schriften diejenigen, auf die er den meisten Fleiß gewandt hat. Ein halbes Jahr. hundert hindurch, von seinen Jünglingsjahren an bis in sein Greisesalter, dichtete er Trauerspiele. Warum einem Voltaire das Lustspiel nicht gelingen wollte, bleibt immer noch ein psychologisches Räth: sel, obgleich die Bemerkung keinen Zweifel leidet, die ein französischer Kritiker gemacht hat, daß Vol: taire das lächerliche nur in den Meinungen, nicht in den Charakteren, aufzufassen verstanden. Dem gesunden Verstande Voltaire's macht es desto mehr Ehre, daß er seiner Natur kein Talent abzwingen wollte, das sie ihm versagt hatte. Räthselhaft würde auch die Vorliebe scheinen, mit welcher sich dieser frivole Geist dem Trauerspiele widmete, wenn seine Frivolität ihn selbst überall so verfolgt hätte, wie Viele glauben, die ihn nur von Einer Seite kennen. Aber Voltaire hat auch durch andere Schriften hins länglich gezeigt, wie ernsthaft er seyn konnte, so: bald er wollte. Er war nicht für die tragische Kunst geboren, wie Corneille und Racine; aber der Gedanke, diesen Dichtern zu gleichen, oder gar sie zu übertreffen, hatte seinen Ehrgeiz entflammt. Er liebte überhaupt das Große, wenn gleich nur nach den französischen Geschmacksgeseßen. Sein eigener leidenschaftlicher Charakter konnte ihm Beiträge aus seinem Innern zur Zeichnung tragischer Leidenschaf ten liefern. Den tragischen Styl lernte er durch Nachs

Er hat

Nachahmung von Corneille und Racine. auch feine neue Bahn in der tragischen Kunst ge brochen, Daß er ein wenig mehr äußere Hands lung in das französische Trauerspiel brachte, als feine Vorgänger sich erlaubt hatten, kann eben so wenig für einen originalen Zug gelten, als, daß er ein Mal durch ein Trauerspiel ohne Liebe, Die Merope, und ein anderes Mal durch ein Traus erspiel mit einer philosophischen Tendenz, den Mas homed, dem Publicum etwas Neues zeigte. Alles, was Voltaire in der tragischen Kunst Eigenes hat, ist Werk der kalten, kritischen Ueberlegung, nicht Der poetischen Begeisterung Che man über seine Arbeiten für das tragische Theater ein Wort des Lobes, oder des Tadels, ausspricht, muß man ein Urtheil über die ganze Gattung gefällt haben, zu der sie gehören. Wer diese Gattung so mus sterhaft und allein vortrefflich findet, wie die Frans zosen fie finden, darf auch nicht läugnen, daß Vols taire in eben dem Sinne der dritte große Tragiker der neueren Nationen ist, wie Corneille und Ras eine die ersten sind. Wer über Corneille und Ras cine nicht nach französischen Geschmacksgesetzen, sons dern etwa so urtheilt, wie oben in dieser Geschichte Der Poesie und Beredsamkeit über sie geurtheilt worden, muß wenigstens gestehen, daß Voltaire in den vorgeschriebenen Formen der französischen Tras gödie mehr geleistet hat, als der Tragiker Crebillon, und überhaupt mehr, als irgend ein Dichter außer Corneille und Racine,

Voltaire's Henriade ist unter den erzählens den Gedichten, die sich der Epopde nähern, das vorzüglichste in der französischen Litteratur.

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2.

þat einen gut durchdachten, wenn gleich nur zum Theil epischen, Plan, interessante Charaktere, befón: ders gelungene Beschreibungen. Die Sprache ist rein und edel. Aber in die Reihe der wenigen Meisterwerke der epischen Kunst, sowohl in der alten, als der neueren Litteratur, darf die Hen: riade nicht gestellt werden. Es fehlt ihr, wie der Pharsalia Lucan's und der Geschichte des zweiten punischen Krieges von Silius Italicus, durchaus an poetischer Magie. Sie ist mehr ein historisches, als ein episches Gedicht. Da die Begebenheit aus der neueren Geschichte genommen ist, konnte sie nicht wohl auf eine schickliche Art durch Wunder und Einwirkung übernatürlicher Wesen gehoben werden. Schon der Anfang des Gedichts, besonders die Anrufung der Wahrheit, die doch hier nur die histos rische Wahrheit seyn kann, wirkt der epischen Tâuschung entgegen. Die Maschinerie, zu welcher Voltaire seine Zuflucht nahm, ist das Frostigste in der ganzen Composition. Die Vision, in welcher Heinrich den König Ludwig den Heiligen erblickt, macht nicht mehr Effect, als jeder poetisch erzählte Traum. Daß Heinrich im Traume, von Ludwig dem Heilis gen geleitet, in, den Himmel und die Hölle nach christlichen Religionsbegriffen blickt, ist erzwungene Ausschmückung der historischen Wahrheit. Noch mehr aber wird die epische Täuschung gestört durch Die allegorischen Personen, obgleich, nach einem uralten Herkommen in der französischen Litteratur, die Nation der falten, aus den scholastischen Zeiten herstammenden Allegorie in der Litteratur nicht müde zu werden schien d). Die allegorischen Personen,

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d) Vergl. den vorigen Band, S. 36., und nachher durch das ganze Wert.

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die 3wietracht, die Politik, die Wahrheit, die in der Henriade figuriren, erscheinen um so auffallender als abstracte Begriffe ohne Individua: litat, weil sie auf eine ähnliche Art, wie der hets lige Ludwig, eine historische Person, an der Hands lung Theil nehmen. Voltaire selbst hat die Hins derniß nicht verkannt, mit denen er zu ringen hatte. Er hat sich vortrefflich darüber in der Abhands. lung erklärt, die er seiner Henriade beifügte. Diese Abhandlung mag im Ganzen noch so unbe friedigend seyn; sie ist doch ein merkwürdiger Bes weis der Geistesfreiheit, mit der sich Voltaire, der alles Vorurtheil haßte, auch über Nationalvors urtheile zu erheben wußte, wenn nicht sein persöns liches Interesse ihn irre machte. Nachdem er den epischen Gedichten anderer Nationen nach seiner Einsicht Gerechtigkeit widerfahren zu lassen gesucht, sagt er ausdrücklich: “einem Franzosen müsse es schwerer, als jedem Anderen, werden, ein episches Gedicht zu machen; denn unter allen cultivir ten Nationen ei die französische am wes nigsten poetisch. Die dramatische Poesie habe noch das meiste Glück in Frankreich gemacht, weil fle conversationsmåßig set. Ein so offenes Geständniß aus der Feder eines der berühmtesten französischen Dichter darf in der Geschichte der fran zösischen Litteratur nicht übersehen werden *).

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e) Die ganze Stelle ist so merkwürdig, daß ich sie hierher fehe. Aber Voltaire dachte freilich nicht immer so, wie damals, als er in England diese Abhandlung schrieb.

Il faut avouer qu'il eft plus difficile à un Fran. çois qu'à un autre de faire un poëme épique; mais ce n'eft ni à caufe de la rime, ni à caufe de la féche.

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Wer poetisches Verdienst auf Kosten des mo ralischen dulden kann, muß die schaamlose Pucelle von Voltaire nicht nur der Henriade, sondern auch allen Gedichten vorziehen, die man komische Epo: poen ju nennen pflegt. Denn glücklicher, als in der Pucelle, ist das wahre Epos mit seiner poetis schen Maschinerie noch nie im Geißte der komischen Poesie umgestalter, um den höchsten, freilich auch scandaldsesten, Effect hervorzubringen, dessen die komische Erzählung fähig ist. Gerade in diesem Gedichte und in den komischen Romanen, der Prinzessin von Babylon, dem Candide, dem Mikromegas, dem Zadig, glänzt Voltaire's Genie vorzüglich. Da ist die Originalität, die seinen ernsthaften Werken fehlt, nicht zu verkennen. Der müthwillige Anstrich von Philosophie erhöhet

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reffe de notre langue. Oferai-je le dire? c'eft que de toutes les nations polies la notre eft la moins poëtique. Les ouvrages en vers qui font les plus à la mode en France font les pieces de théâtre: ces pieces doivent être écrites dans un ftyle naturel, qui approche affez de celui de la converfation. Des préaux n'a jamais traité que des fujets didactiques, qui demandent de la fimplicité: on fait que l'exactitude et l'élégance font le mérite de fes vers, comme de ceux de Racine, et lorsque Despréaux a voulu s'élever dans une ode, il n'a plus été Des préaux.

Ces exemples ont en partie accoutumè la poćfie française à une marche trop uniforme: l'efprit géométrique, qui de nos jours s'eft emparé des belles lettres; a encore été un nouveau frein pour la poéfie. Notre Nation, regardée comme i légere par des étrangers qui ne jugent de nous que par nos petitsmaitres, eft de toutes les nations la plus fage, la plume à la main. La méthode eft la qualité dominante de nos écrivains.

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