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in diesen komischen Romanen den Reiz der genias Lischen Erfindung und des eben so pikanten, als durch hinreißende Natürlichkeit, in den behendesten Sprüngen des Wikes, das Interesse fesselnden Styls. In dieser Manier hatte Voltaire keinen Vorgänger, und kein Nachahmer hat ihn erreicht.

Die übrigen, ernsthaften und komischen Wers Fen dieses außerordentlichen Kopfs sind mehr, oder weniger, reich an gesundem Verstande und treffenden Wih, aber auch an Frivolität, menschenfeindlicher Satyre, offenbarer Bosheit, und unverantwortlis cher Verfündigung gegen das moralische Gefühl. Durch diese Versündigung werden nicht selten auch die komischen Gemahlde, die Voltaire übrigens mit Meis fterhand zeichnete, entstellt; denn er läßt nicht leicht eine Gelegenheit fahren, in solchen Gemählden die ems pörendsten Bilder des menschlichen Elends mit der bittersten Polissonerie zu mischen. Dadurch hat er unlåugbar den Verfassern einiger der neuesten Romane von scandalöser Art vorgearbeitet, zum Beispiel dem verworfenen Menschen, aus dessen Feder das fleißig gelesene Machwerk, die Justine, geflossen ist.

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Der Einfluß, den Voltaire auf die französis sche Litteratur überhaupt gehabt hat, drückt die Wagschaale des Schadens, den seine Schriften, ihrer Natur nach, stiften mußten, tief nieder. Nach Voltaire's Beispiele hat man in Frankreich fortges fahren, die ernsthaftesten Untersuchungen, sobald sie ein wenig verwickelt werden, durch ein Bon: Mot abzuthun, mit der philosophischen und historischen >Wahrheit wie mit einem Fangballe zu spielen, wikige Einfälle für gesunde Urtheile zu nehmen, 3 4

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durch dreiste Frivolität dem moralischen Gefühle zu troken, und sich für vollkommen - gebildet nách dèn Grundsäßen einer gesunden Philosophie zu. halten, wenn man sich nicht scheuete, in Versen und in Prose über Alles zu sporten, was unverdorbenen Menschen, auch ohne besondere Beziehung auf Res Ligions; und Glaubenssysteme, zu allen Zeiten ehrs würdig war, selbst wenn die Quelle der edleren Gefühle, durch die der Mensch mehr, als ein dena Fender Affe, ist, in der Brust sogenannter Philos sophen versiegte.

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Jean Jacques Rousseau.

Viel weiter, als Voltaire, entfernte sich von dem Wege, den die französischen Dichter und schō; nen Geister im Jahrhundert Ludwig's XIV. gangbar gemacht hatten, Jean Jacques Rousseau, den wohl niemand, wer seine Schriften kennt, auch wenn man nichts von seiner Lebensgeschichte wüßte, mit dem Odendichter Rousseau verwechseln würde, Aber seine Lebensgeschichte sowohl, als seine Schrift zen, sind so bekannt, daß es hier genug seyn wird, von beiden nur so viel zu erwähnen, als zur Ges schichte der französischen Poesie und Beredsämkeit nothwendig gehört.

Jean Jacques Rousseau war nur der Sprache nach ein Franzose, Die Bürger und Einwohner seiner Vatersadt Genf, wo er im Jahre 1712 geboren wurde, þatten sich von jeher durch ihre Sitten und ihren ganzen Nationalcharakter von den Franzosen unterschieden. Rousseau, obgleich

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nur eines Uhrmachers Sohn, erbte den republikas. nischen Stolz der Bürger dieses kleinen, blühenden Freistaats. Die Genfer standen lange schon in dein Rufe eines hellen Verstandes und einer unge: meinen Betriebsamkeit; aber durch Anlagen zur Poesie hatten sie sich nie ausgezeichnet. Rousseau unterschied sich durch die poetische Richtung seines Geistes auch von den berühmtesten seiner Mitbürger. Aber er selbst wußte in den ersten dreißig Jahren seines Lebens noch nicht, wozu ihn die Natur bes stimmt hatte, und wie er seinen Geist bilden- follte. Durch Erziehung und Unterricht hatte er weder von der Poesie, noch von der Philosophie, einen bestimmten, weder falschen, noch richtigen, Begriff bekommen. Seine Talente hatten sich in einer seløs samen Verwirrung unter einem unaufhörlichen Wechs fel von ganz verschiedenen Umgebungen entwickelt. Schwärmerisch war seine Denkart immer gewesen; aber er hatte selbst nicht gewußt, was er wollte. Aus einem Protestanten war er ein Katholik ges worden, von der katholischen Kirche wieder zur pros testantischen umgekehrt. Er war Bedienter in vors nehmen Häusern gewesen, hatte sich mit vielem Glück auf Musik gelegt, hatte der Frau von Warens gefallen, war von dieser Frau in ihr Bett aufge nommen, und þatte sich zu trösten gewußt, als er sich von ihr trennen mußte. In seinem dreißigstenLebensjahre kam er nach Paris. Noch vergingen beinahe zehn Jahre, ehe die Periode seiner Celes britåt anfing. Indessen hatten ihn seine Talente und die Kenntnisse, die er sich durch Lectüre ohne einen bestimmten Plan erworben, so weit gebracht, daß er bei der französischen Gesandtschaft zu Benes dig angestellt werden konnte. Von Venedig fam

er nach Paris zurück, noch immer nicht ahndend, was für eine große Rolle er unter den Philosophen und schönen Geistern spielen sollte. Aber er machte Die genauere Bekanntschaft Diderot's und der so genannten Encyklopädisten; er hörte die schönen Geister mit einer bis dahin unerhörten Freimüthigs Feit und Kühnheit über metaphysische, politische, ästhetische Streitfragen råsonniren; er råsonnirte mit, phantafirte für sich, schwärmte für Ideen und Einfälle, wagte sich endlich im Jahre 1750 an die Beantwortung der Preisfrage der Akademie zu Dis jon über das Verhältniß der Künste and Wissen: schaften zur moralischen Veredelung des Menschen. Es ist gar nicht wahrscheinlich, was man neuerlich berichet hat, daß Rousseau durch Diderot bewogen fet, jene Preisfrage paradox zu beantworten, um Aufsehen zu erregen. Rousseau's frühere Lebensges schichte beweiser wenigstens, daß es nicht in seinem Charakter lag, so eitel er auch übrigens war, auf Hitterarische Celebritåt Jagd zu machen, wie Vols taire und Andere, die das Geschäft, sich berühmt zu machen, recht methodisch betrieben. Auch hat er nicht verdient, daß man seinem eigenen Berichte von dem Eindrucke, den die interessante Preisfrage auf ihn gemacht, und die Ekstase, in die sie ihn verseht habe, den historischen Glauben versage. Die Preisschrift selbst, die, bekanntlich, ihres paras Doren Inhalts ungeachtet, gekrönt wurde, ist auch mit einer solchen Wärme und Fülle der Beredsams keit geschrieben, wie wohl schwerlich ein Schrifts steller, der nur frappiren und sich einen Nahmen machen will, zu schreiben vermag. Es war die erste Lange zurückgehaltene Explosion eines energischen, auf mannigfaltige Art gebildeten Geistes, der sich

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endlich Luft machen mußte, und, als ihn der Vers such gelang, über seine eigene Kraft erstaunte. Aber Diesem energischen Geiste war ein sehr schwacher Charakter zugefellt. Schlag auf Schlag folgte nun ein überraschendes Buch von Rousseau dem andern. Zugleich drangen alle großen und kleinen Eigenschaften, Tugenden und Untugenden, dieses anomalischen Mens schen mit einem solchen Ungestüm in seine Schriften ein, daß seine Autorschaft, zu seinem Nachtheile, auf ihn selbst zurückwirkte. Nachdem er sich von dem Publicum, zum Theil ohne es zu wollen, zum Theil recht mit Lust und Liebe, als ein notorischer Sonderling zur Schau gestellt hatte, kannte er, auf deni Gipfel seines Ruhms, sich selbst noch weniger, als, da er zuerst der Welt bekannt wurde. Sein Freies, stolzes, für alles Große und Gute glühens des, aber auch immer unruhiges, eigensinniges, hypochondrisches, und leidenschaftliches Gemüth suchte und fand sich selbst in seinen Schriften wies der, aber im Lichte einer verschönernden Phantasie. Er hing mit zu vieler Lebhaftigkeit an dem Guten und Wahren, als daß er die Schattenseite seines eigenen Charakters in dem Spiegel håtte erblicken sollen, den er doch sich selbst unaufhörlich vorhielt. Sein Geisteszustand wurde immer träumerischer. Er war sehr eitel, und wurde es immer mehr, weil er im ganzen Ernste glaubte, über alle Eitelkeit erhaben zu seyn. Er wußte, wie vieles er gethan hatte und fortfuhr zu thun, was kein rechtlicher Mensch billigen kann; und doch hielt er, ohne Zweis fel mit voller Ueberzeugung, sich für den besten Menschen unter der Sonne. Er haßte alle Sophis sterei, und wurde sogleich ein Sophist, wenn seine Laune einen zufälligen Gedanken in Schuß nahm. Wenn

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