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Wenn diese Laune einer andern Plaß machte, wis dersprach er sich selbst. Ein so hypochondrischer Ens thusiast, wie Rousseau, mußte der Welt und sich selbst zur Last werden, als es ihm unglücklich ging, wo er nur Dank und Ruhm zu verdienen geglaubt hattes Rousseau wurde Märtyrer feines Eifers für Wahrheit und Recht. Er gefiel sich in seiner Mår: tyrerwürde; aber er hatte nicht die Kraft, sich mit dem Schicksale zu messen. Er war zu sehr an ein weichliches Hinbrüten über edeln Gesinnungen ges wöhnt. So männlich er von republikanischen Tus genden sprach, so weibisch zeigte er sich in seinem Unglück. Jeder Gutgefinute mußte. ihn bedauern, als er, verfolgt und verbannt über Grundsäße, zu denen sich ungestraft so viele audere der, so genannten Philofophen öffentlich bekannten, aus einem Lande in das andere flüchtete. Aber wer konnte ihm hels fen? In der thörichten Einbildung, daß die ganze Welt gegen ihn verschworen sei, stieß er jede Hand, die ihm Trost und- Hülfe darreichte, mit cynischer · Rauhheit zurück. Die Gespenster, mit denen ihn seine Einbildungskraft.umgab, verfolgten ihn weit mehr, als die Menschen, gegen die er mit Recht zürnte. Daß er in der Ruhe, die man ihm zuleķt gönnte, sein trauriges Leben selbst abgekürzt habe, ist nicht erwiesen, aber auch nicht unwahrscheinlich. Er starb im Jahre 1778, also in demselben Jahre mit Voltaire. Der Tod beider berühmten Schrift: steller interessirte ganz Europa; aber Rousseau hins terließ ein ganz anderes Andenken, als Voltaire. Rousseau hat sich ein unvergängliches Denkmal in dem Herzen aller derer errichtet, die ihn selbst aus seinen Schriften kennen, und die nicht gegen die. Grundsäße eingenommen sind, welche er mit

einer Beredsamkeit vorgetragen hat, wie kein Schrift: steller außer ihm. Alle Menschenfenntniß, die von tief empfundenen Eindrücken ausgeht, müßte trügen, wenn Rousseau, mit aller Schwäche und allen Fehs lern seines Charakters, der Mann gewesen wäre, der er in dem Bildnisse zu seyn scheint, das einige, übrigens ehrenwerthe Sittenrichter, die ihn persönlich gekannt, zum Beispiele Marmontel in setten Memoires, von ihm entworfen haben. Ein so ruhiger, gesehter, bedachtsamer, die Gesetze und Formen der bürger: lichen Klugheit sorgfältig beobachtender, keines En: thusiasmus, keines tiefen Gefühls fähiger Sittens richter, wie Marmontel, konnte sich gar keinen Bes griff machen von dem Charakter eines so schwärmes rischen, unbesonnenen, zerstreuten, und noch dazu hypochondrischen Menschen wie Rousseau.

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Wer

nicht selbst ein Schwärmer ist, wird die ungeheuren Verirrungen dieses Sonderlings nicht zu rechtfer: tigen unternehmen. Aber wer, durch die Beobach tung des außeren Lebens eines so merkwürdigen Mannes nicht bestochen, sich auch nur einige Schlüsse erlanbt, um in das Innere eines ungewöhnlichen Charakters einzudringen, der kann in Rousseauis Sämmtlichen Werken den Abdruck einer schönen Seela nicht verkennen. Diese Beredsamkeit, die

in die Tiefen des Herzens eindringt, stammt aus den Tiefen des Herzens. So, wie Rousseau schreibt, hat der Egoismus nie geschrieben. Rousseauxwar ein Egoist in dem Sinne, wie es alle Hypochons dristen sind, die sich mit der Welt nicht vertragen können, weil die Welt sich nicht bequemen will, widersinnige Launen zu respectiren. Aber ein Heuchs ler war Rousseau so gewiß nicht, als die Wahrs heit auch in Schriften einen Charakter hat, den

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die schlaueste Heuchelei vergebens nachkünftelt. Das Feuer, das in Rousseau's Schriften bald hohe Flammen schlägt, bald eine sanfte Wärme über die ruhige Untersuchung verbreitet, unterscheidet sich von den Ausbrüchen unruhiger Leidenschaft eben so sehr, als von den Irrlichtern des Wikes. Es brennt nicht rein; es ist von trübem Rauch der Sinnlichkeit und der Selbstbethörung umgeben; aber es ist darum nicht weniger ein Feuer der edelsten Humanitåt. Dieses Urtheil darf der Geschichtschreiber der Littes ratur ohne Bedenken fållen, wenn er nicht das Band zerreißen will, das die Natur zwischen dem Schriftsteller und dem Menschen geknüpft hat.

Eine moralische Charakteristik Rousseau's ges hört zu einer vollständigen Geschichte der französis schen Poesie und Beredsamkeit, weil so wohl die Wirkung, die Rousseau's Schriften auf das Pus blicum gethan haben, als der rhetorische Geist diefer Schriften selbst, mit dem persönlichen Charakter ihres Verfassers unzertrennlich zusammenhängen. Abs gesehen von den Zugen, durch welche Rousseau sich selbst in seinen Geisteswerken darstellt, hat seine Beredsamkeit wenig Eigenthümliches. Sie ist höchst cultivirt, aber ganz im Geiste ihrer Zeit Sie schließt sich in allen ihren Formen an den Styl der übrigen französischen Schriftsteller und schönen Geis ster, die man Philosophen nannte. Es fehlt ihr, bet allen ihren Vorzügen, eben so sehr, als der Beredsamkeit Diderot's und der übrigen Encyklos pådisten, an der einfachen Würde und dem festen Verstandesgepräge der classischen Werke des Alters thums.

thums.

Die französische Beredsamkeit aus dem Jahrhundert Ludwig's XIV. hat weit mehr Antikes. Rousseau gab, wie Diderot, seiner Prose gern einert Anstrich von Poesie. Sein Styl mußte Sprünge. machen. Das Blendende und Frappante gefiel ihm; nur durfte es nicht affectirt seyn, wenigstens nicht so scheinen. Schneidende Einfälle liebte er, wie Helvetius; Sarkasmen, wie Voltaire. Seine Mas nier hat im Ganzen nur mehr Großes und, man möchte sagen, Republikanisches, als die Manier der Encyklopädisten. Gleichwohl ist sie mehr hins reißend, als imposant. Sie schmiegt sich auch nicht ruhig dem Gegenstande an; sie zieht den Gegens stand nach der Stelle hin, wo er in einem bestimme ten lichte erscheinen soll, und giebt ihm eine Farbe, die der Einbildungskraft schmeichelt.

Rousseau's Romane sind nichts weniger, als Muster eines guten Romans. Die didaktischen Stellen stehen in keinem richtigen Verhältnisse zur dem erzählenden und darstellenden Theile. Bald ftd: ren sie, wenn sie mitten im Gemahlde vordringen, die natürliche Anmuth des Gemähldes; bald werden sie zu Abhandlungen, die weit über die Grenzen des Romans ausschweifen, und mit dem Interesse der Handlung nichts mehr gemein haben. In der neuen Heloise ist überdieß ein wahres Schisma zwischen der Moral, die so eindringlich gelehrt wird, und dem Betragen der Personen, deren Uebereiluns gen weit mehr, als ihre Selbstbekämpfungen, zue Nachahmung reizen. Rousseau's wollustiges und leidenschaftliches Temperament verführte ihn, seine Phantasie in Bildern schwelgen zu lassen, die viel zu schöne Bestandtheile seines Romans wurden, um

in der Einbildungskraft des Lesers den moralischen Reflexionen zu weichen. Im Emil wird durch die Einkleidung der Pädagogik in die Form eines Ro mans das Abstracte mit dem Jüdividuellen vers mischt, um die Anwendung der neuen Grundsåße der Erziehung an einem Beispiele zu zeigen. Aber diesem Beispiele selbst fehlt die Individualität, weil es in allen Zügen berechnet ist, der Regel angepaßt zu werden. Eine Abhandlung ohne die sen überflüssigen Schmuck würde den Zweck der Belehrung besser erreicht, und nicht zu den Miß: verständnissen Veranlassung gegeben haben, die nicht ausbleiben konnten, als die Classe von Menschen, die wohl Romane, aber keine Abhandlungen tesen mag, das wirkliche Geschäft der Erziehung romans haft zu betreiben und aus jedem Knaben einen Emil zu machen versuchte. Aber der Emil so wohl, als die neue Heloise, sind reich an Stellen, die zu dem Schönsten gehören, was einem Schriftsteller des achtzehnten Jahrhunderts gelungen ist,

Die wenigen Werke, in denen Rousseau sich ganz als Dichter, ohne zu philosophiren, hat zeiz gen wollen, sind nur als Uebungsstücke anzusehen, durch die er weder Evoche machen, noch besonderen Rühm erwerben, wollte.

In den beiden Abhandlungen von Rousseau über das Verhältniß der Künste und Wissenschaften zur Moralitår des menschlichen Geschlechts, und über den Ursprung der Ungleichheit unter den Men: schen, ist der Styl mehr oratorisch, als didaktisch. Auch sein Brief an D'Ulembert über den Vors schlag, ein Theater in Genf zu errichten; ist mehr eine Rede, als eine Abhandlung. Rousseau lernte

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