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bende huldigt hierauf dem Amor, der dafür das Herz des Liebenden befestigt, und Verhaltungsregeln giebt. Aber ein Gegenstand der Liebe erscheint nirgends. Die Dichtung fährt in dem allegorischen Spiele mit dem Abstracten fort, wie sie angefangen hat; und nur in den Episoden zeigen sich wirkliche Wesen. Das Personificiren allgemeiner Begriffe wird fortgesetzt. Die Gegengunst wird auf eine ganz artige Weise personificirt durch ein allegorisches Wesen, das Bel Accueil heißt. Burch Bel Accueil's Vermitte lung erblickt der Liebende endlich die Rose, nach der ihn so sehr verlangt. Uber die Gefahr, nehmlich auch als allegorische Person, legt ihm Hindernisse in den Weg. Die Vernunft, wieder eine allegoris sche Person, kommt dem Liebenden zu Hülfe, ins dem sie ihm rắth, sich mit Bel Accueil zu verstehen. So geht das Allegorisiren unaufhörlich fort. Fast alle Tugenden und Laster kommen nach einander al legorisch zum Vorschein. Die Dichtung umfaßt aber kunstreich auch fast alle Situationen, in die eine Galanterie dieser Art einen jungen Mann vers wickeln kann. Mit der sinnreichen Darstellung dies ser Situationen kam Wilhelm von Lorris nicht zu Ende. Jean de Meun ließ die fehlenden nachfolgen, bis zum Beschlusse, wo das Castell, von welchem die Rose umgeben ist, mit Sturm erobert, und die Rose endlich gepflückt wird. Die niedrige Obscönität des Beschlusses wird durch die derben Bilder geho ben, aber feinesweges mit naiver Grazie verschleiert. Es ist rohe Polissonnerie, die sich wißelnd durch Bilder über Bilder so lange herumtreibt, bis sie sich erschöpft. Wilhelm von Lorris selbst scheint doch aber keinen andern Ausgang der Allegorie seis ner Dichtung in Gedanken gehabt zu haben.

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Was

Was der Roman von der Rose wirklich Geist und Sinnreiches hat, muß man in der Ausfüh rung suchen. Da finden sich artige und treffende Neflexionen und Beschreibungen, besonders in dem Antheil des Wilhelm von Lorris, so mannigfaltig durch einander und mit allerlei Digressionen ges mischt, daß ein Publicum im vierzehnten und funfs zehnten Jahrhundert wohl davon bezaubert werden Fonnte. Die Verse sind zwar nichts mehr, als Knittelverse; aber sie gleiten mit einer Leichtigkeit der Diction hin, die damals in Frankreich noch nicht gemein war, und besonders Franzosen anztes hen mußte. Wenn man den Werth eines åsthes tischen Werks nur nach dem Reichthum von Wig und Phantasie schäßen will, den es auch ohné wahrhaft poetische Tendenz in sich tragen kann, so steigt der Roman von der Rose ungefähr so hoch, als er vor einer andern, den höheren Zweck der Kunst nicht verläugnenden Kritik sinkt. Wo dies fe Kritik irgend etwas gilt, wird Dante's Nahs me nicht durch Vergleichung mit einem Wilhelm von Lorris und Jean de Meun geschmäher wer den. Aber eine Reihe artiger Stellen aus dem Roman von der Rose auszuzeichnen, ist der Müs he nicht unwerth. In diese Reihe gehören z. B. die vortrefflichen Beschreibungen der Zeit "), des Neis des,

Auch in der Bibliothèque françoife ist diese, nicht schwer
zu verstehende Stelle ausgehoben.

Le temps qui s'en va nuyt et jour,
Sans repos prendre et fans féjour,
Et qui de nous fe part et emble
Si céélement, qu'il nous femble
Qu'il nous foit adés en ung point,
Et s'il ne s'y arrefte point,

des 1), und andere, auf welche auch schon die frans zösischen Litteratoren aufmerksam gemacht haben.

Durch den Roman von der Rose wurde der französisch romantische Geschmack im vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderte so ganz befriedigt, daß kaum Dante in Italien mehr verherrlicht wurde,

Ains ne fine de trespaffer

Si que l'en ne pourroit penfer
Lequel temps c'eft qui eft préfent;
Ce le demande-je au Clerc lyfant,
Car ainçois qu'il euft ce penfez,
Seroit-il ja oultre paffez.

Le temps fi ne peut fejourner,
Mais va toujours fans retourner,
Comme l'eaüc qui s'avale toute,
Dont n'en retourne ariere goute.
Le temps s'en va et riens ne dure,
Ne fer, ne chose tant foit dure,
Car il gate tout et transmuë.
C'est celluy que les chofes muë,
Qui tout fait croiftre et tout nourift,
Et qui tout ufe et tout pourrist,
h) Après je vys pourtraite Envie
Qui ne rift oncques en fa vie,
N'oncques de rien ne s'esjoit
S'elle ne veift, ou f'elle n'oyt
Aucun grand dommage retraire ...
Je croy que s'elle cognoiffoit
Tout le plus preud'homme qui foit,
Ne deçà, ne de là la mer,
Si le voudroit-elle blasmer;
Et s'il eftoit fi bien apris,
Qu'elle ne peuft de tout fon pris
L'abatre, ne lui desprifer,
Si vouldroit-elle amenuyfer
Sa renommée; et fon honneur
Par parole faire myneur.

&C.

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als damals Wilhelm von Lorris und Jean de Meun in Frankreich. Die theologischen und scholastischen Betrachtungen, mit denen das Werk mitten unter den frivolften Bildern paradirt, gewannen ihm sos gar den Beifall eines großen Theils des ehrbars ften Publicums. Die Verehrer des Romans von der Rose begnügten sich nicht mit Entschuldigungen der Unsittlichkeit, die dem ganzen Buche von der ans dern Partei vorgeworfen wurde; sie deuteten sogar in die schlüpfrigsten. Bilder und Späße einen moz ralischen und religiösen Sinn hinein. Man ging zuleht so weit, die Dichtung in ihrem ganzen Um: fange theologisch zu exegesiren und selbst die obs scönsten Stellen auf die Gnade Gottes und die Freu den des Himmels zu deuten ). Diesen Sinn des Buches anschaulicher zu machen, überseßte man es in der Folge mit den nöthigen Ubånderungen in Profe. Uber der wahre Geist und Inhalt des Werks lag doch für Jeden, wer nicht seinen gesun den Verstand durch scholastische Grübelei verblende te, so flar da, daß unter dem ehrbareren Publi. cum auch eine Partei sich bilden mußte, durch wel: che der Roman von der Rose in sehr übeln Ruf kam. Diese Partei wurde um so lauter, je fleißis ger das Buch gelesen wurde. Man predigte von den Kanzeln gegen den Roman von der Rose. Die Advocaten, citirten thn, lobend oder schmähend, je nachdem sie Partet für oder gegen das Buch ge nommen hatten, in ihren Vorträgen vor Gericht. Ja im funfzehnten Jahrhundert schrieb noch der bes rühm,

i) In der alten, oben angezeigten Ausgabe vom J. 1531 ist der ganze Roman durch theologische und moralische Randglossen ungefähr so commentirt, wie mehrere Theos logen das hohe Lied Salomon's erklärt haben.

rühmte Gerson, Kanzler der Universität Paris, einen lateinischen Tractat gegen den Roman von der Rose *). Mit diesem Gedichte fängt also auch die Geschichte der kritischen Fehden an, deren die schöne Litteratur keiner Nation mehrere fennt, als die französische,

Die übrigen poetischen Schriften des Jean de Meun, auch sein Codicill und sein Testament, zwei didaktisch: satyrische, jeßt kaum noch verstånd: liche Werke sind weniger bekannt geworden. Aber der Roman von der Rose veranlaßte die Entstehung ähnlicher Gedichte. Die Ehre der Damen war durch diesen Roman so unritterlich auf das Spiel gefekt, daß es sogar eine Art von Ritterpflicht zu seyn schien, sich ihrer gegen Wilhelm von Lorris und Jean de Meun auch in Versen anzunehmen, Aber es währte doch eine geraume Zeit, ehe unter den Gegnern des Romans von der Rose ein poetis scher Vertheidiger der Damen auftrat. Weit frus her, und fast sogleich, nachdem der Roman von der Rose berühmt geworden, traten Nachahmer auf, die wenigstens in der Kunst des gemeinen Allegos risirens nicht hinter Wilhelm von Lorris und Jean de Meun zurückbleiben wollten. Der Geist der wahren Poesie, der durch die Nachahmung der Provenzalen geweckt war, schien der französischen Litteratur nur wenig zu Gute zu kommen. Je nás her dem sechzehnten Jahrhundert, desto weniger poes tisches Gefühl spricht aus den Erfindungen der meis sten

k) Vergl. die Introduction zu der Bibl. poetique, p. 50 und die Biblioth. françoife, Tom. IX, p. 45.

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