Zweifel leidet, daß die Franzosen zuerst auf ihren Kreuzzügen im Morgenlande durch die arabischen und persischen Mährchen und Erzählungen verans laßt wurden, ähnliche Dichtungen in ihrer Spras che zu versuchen; und wenn sie auch in der Folge kein Bedenken trugen, Mährchen und Sagen, die gewiß orientalischen Ursprungs sind, in die französ sische Litteratur zu verpflanzen; so scheint doch der französische Geist mit seinen eigenthümlichen Zügen sogleich in diese Unterhaltungen übergegangen zu seyn, und die ganze Gattung besonders um der f os mischen und muthwilligen Erzählungen willen begünstigt zu haben. Bei weitem die meis sten französischen Fabliaux, so weit man wenigstens von denen, die wieder bekannt, oder von den ita lienischen Novellisten benußt worden, auf die übris gen schließen darf, sind komisch und muthwillig. Unter den zeitverkürzenden Erzählungen der Oriens taler soll es zwar auch nicht an scherzhaften fehlen; aber die meisten komischen Unekdoten, die von den Französischen Fabliers erzählt werden, beziehen sich ganz bestimmt auf französische Sitten jener Zeit. Eine beträchtliche Menge verarbeitet das immer wies derkehrende Thema von der weiblichen Schlauheit und dem lustigen Schicksale der Ehemänner, die bes stimmt sind, die ehelichen Freuden mit Andern zu theilen, ohne es zu wissen; und diese Ehemanner find französische Ritter, Bürger und Bauern, nicht Orientaler. Im Orient wird, nach den Berichten der Reisebeschreiber, auch da, wo man dem Schers ze Spielraum gönnt, strenge auf Anständigkeit des Ausdrucks gehalten; in mehreren komischen Fabliaux der XX.) hat Vieles über diesen Theil der Litteratur des der Franzosen aus dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert ist aber der Muthwille des Ausdrucks bis zur Zotenreisferei unanständig *). Endlich vers gesse man nicht, daß die zeitverkürzenden Erzähe lungen der Orientaler felten, oder nie, so viel man weiß, in Versen vorgetragen wurden; die ältesten französischen Fabliaux sind aber sämmtlich versificirt, wena gleich ohne besondere Cultur der Prosodie, und ganz in derselben Art von Kuittel versen, wie der Roman von der Rose und die übris gen allegorischen Gedichte, deren oben gedacht wurde. Man darf also die Fabliaux der Franzosen aus dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert mit vollem Rechte französische Nationalproducté nennen. Sowohl um den ästhetischen Werth dieser als ten Fabliaur richtig zu schäßen, als um den Einfluß nicht zu verkennen, den sie auf die folgenden Perio: den der französischen Litteratur gehabt haben, muß man mehrere Arten derselben unterscheiden. Die erste Art begreift die versificirten Anefo doten und anekdotenmäßig erdichteten Erzählungen. Ihre Anzahl möchte wohl die aller übrigen zusammen genommen über viegen wenn man, wie billig, auch diejenigen mitzählt, in Freilich nicht nach der bekannten Bearbeitung von Le Grand. Vielleicht war auch unter denen, die Le Grand bearbeitet hat, keine eigentlich schmußige. Aber man sehe die litterarischen Zugaben, die neuerlich hr. Gudin zu seinen Contes (Par. 1804) geliefert hat, uns ter andern den Auszug aus der alten Erzählung von dem Ritter, qui fait parler les cns et les c-ls. in denen zwar Ritter und große Herren, aber in häuslichen Situationen und ohne die poetische Würs de erscheinen, mit der sie in den eigentlichen Ritters romanen befleidet werden. Die so früh entwickelte Neigung der Franzosen, dergleichen Erzähluns gen, besonders die lustigen, so bald sie nur ins teressant und verfificirt sind, für Gedichte anzus sehen, und die geistreiche Bearbeitung eines Schers zes in dieser Manier mit wahrer Poesie zu verwechs feln, mochte nachher, als die Fabliaur aus der Mos de kamen, immerhin zu verschwinden scheinen; sie hat durch alle Perioden der französischen Litteratur fortgedauert bis diesen Tag. Durch die Fabliaux im Anekdotenstyl wurde man zuerst gewöhnt, von einer Erzählung, die ein Gedicht seyn soll, gar nicht zu verlangen, daß sie entweder durch einen freien Ausflug der Phantasie sich über die gemeinen Bes dingungen des Lebens erhebe, oder daß sie in die Darstellung des gemeinen Lebens selbst wenigstens so viel Ideales übertrage, als nöthig ist, damit das Interessante der unpoetischen Wirklichkeit in einem poetischen Lichte erscheine. Man glaubte, es sen genug, eine unterhaltende Erzählung für ein Gedicht zu halten, wenn sie in Versen, mit leichtigkeit und Naiveråt, und in den gefälligen Wens dungen vorgetragen wird, durch welche sich der Reiz einer Begebenheit, die an sich und mit dürren Wors ten bald erschöpft ist, in's Unendliche vervielfältigen läßt. Die alten Fabliers waren noch weit entfernt von der eleganten Natürlichkeit des Boccaz, und noch weiter von der eben so eleganten und dabei pis Fanteren Naivetät des Jean Lafontaine. Aber wie sich ihr Erzählungsstyl zu der gemeinen Prose ihres Zeitalters verhalten haben mag, wissen wir nicht mehr. mehr. Um es zu wissen, müßten wir diese Prose aus Documenten kennen, in denen der Styl ganz nach der Sprache des gemeinen Lebens jener Zeit gebildet wåre; und dazu reichen die Chroniken, Ges seße und Statuten, und ähnliche Werke, die einzis gen Documente der ältesten französischen Prose, nicht hin. Ueberdieß ist die Sprache der Fabliers so vers altet, daß man sie ohne mühsames Nachschlagen in Glossarien nicht einmal versteht. Wir können also die feineren Reize des Styls jener, Erzählungen nicht mehr schäßen. Aber daß die Fabliers schon in ihrer ungebildeten Manier nach naiver Anmuth, gefälliger Natürlichkeit, und pikanten Wendungen strebten, sieht man klar genug aus den Anspielungen und kleis nen Reflexionen, durch die ihr Vortrag wenigstens die Tendenz erhielt, die sich in der Folge zum bleis benden Charakterzuge der französischen Erzählungen dieser Art ausbildete. Die verschiedenen Fabliers selbst genauer zu charakterisiren, muß dem Ges schichtschreiber der schönen Litteratur des Mittelals ters überlassen bleiben, den diese Litteratur noch ers wartet, der also auch die Mühe nicht scheuet, die veraltete Sprache so einzustudiren, daß er die leis sesten Fortschritte des Styls beobachten kann, und der mit einer Sorgfalt, ohne welche man wohl lehrs reiche Notizen zusammentragen, aber keine wahre Geschichte des Geschmacks schreiben kann, in die romantischen Werke des Mittelalters eine chronos logische Ordnung bringt, an die man bisher kaum gedacht hat. Eine zweite Art von Fabllaux sind die mos ralischen, die, wie die åsopischen Fabeln, bes stimmte Wahrheiten aus der populären Sittenlehs re und Lebensflugheit auf einzelne Fälle zurückfüh ren und anschaulich machen. Auch solcher Fabliaux scheint es schon unter den ältesten mehrere gegeben zu haben). Sie sind gerade nicht der interessan teste Theil dieser Geisteswerke, aber doch auch merk: würdig als die ältesten Beweise der Neigung der Franzosen, die Dichtung als bloße Einkleidung dem Interesse des Unterrichts zu unterwerfen. Von den Fabliaur der ersten Art unterscheiden sich die moralischen sowohl durch den ganz ernsthaften Ton, als durch das deutliche Hervorspringen einer bes stimmten Lehre, die zum Beschlusse, als Resul: tat der Erzählung, gewöhnlich noch ein Mal, wie bei den åsopischen Fabeln, ausdrücklich her vorgehoben wird. Mit diesen Fabliaur kann man Diejenigen zusammenstellen, die ganz und gar eis gentliche Fabeln find. Denn auch dergleis chen Versuche der Einkleidung moralischer Lehren liebte man schon in diesen ersten Zeiten der franjós fischen Litteratur, obgleich die einzige Frau Mas rie de France, deren oben gedacht wurde, aus Der Kunst, Fabeln in Versen zu erzählen, sich ein besonderes Geschäft machte. Die Lehren dieser Fas bliaur sind freilich oft trivial, oft mönchisch, zuweis len sogar widerlich, wenn sie die natürlichen Auss sprüche des moralischen Gefühls durch mönchische Theologie verunstalten. So läßt zum Beispiel ein alter Fablier in einer moralischen Erzählung einen Engel, der einem mißmüthigen Einsiedler die Wes ge des Himmels anschaulich machen will, einem ans dern Einsiedler einen Becher entwenden, der dem armen *) Die ersten in Le Grand's Sammlung gehören in diese Reihe. મ |