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historischen Beglaubigung des Gedichts, wichen die Verfasser der alten Ritterromane schon in den ersten Zügen der Ausführung ihrer epischen Idee von den Gefeßen der epischen Composition ab. Sie suchten, so weit es sich einrichten ließ, nach chronologis scher Ordnung die Begebenheiten zu stellen, und da, wo die Erzählung zurückgeht, nur das Nöthis ge nachzuhohlen. Gleichwohl verlangte ihr poetis sches Gefühl Episoden, Digressionen und dergleichen Ausschmückungen der freien Dichtung. Dadurch verwickelten sie sich in eine seltsame Verwirrung der Hauptbegebenheiten mit den Episoden, Zusäßen und Erläuterungen. Mit der poetischen Wahrscheins lichkeit nahmen sie es am wenigsten genau.

Uebers

all erkennt man in diesen alten Rittergedichten eine ungeschickte und rohe Phantasie, die ihre eis gene Kraft nicht zu benußen und sich in ihren eiges nen Reichthum nicht zu finden weiß. Von epischer Vollkommenheit hatten die Verfasser der alten Ritterromane kaum die dunkelste Ahndung. Der classischen Cultur der Gedanken und des Ausdrucks näherten sie sich nicht einmal von weitem. Die ges diegene Natürlichkeit des alten griechischen Epos war ihnen, den Zöglingen der scholastischen Wissens schaftsbarbarei, völlig fremd. Das Gemeine und:

das Große, das Barocke und das Schöne, das Raffinirte und das Zarte, liegen in ihren Werken durch einander. Aber sie waren Meister in der Ers findung romantischer Situationen. Ste vers standen sich vortrefflich auf den poetischen Effect. des Wunderbaren. Ihre romantische Welt war eine wahrhaft poetische Welt. Sie waren überhaupt, mit allen ihren ungeheuern Fehlern, Dichter in einem höheren Sinne des Worts, als die meis € 2

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sten der hochgefeierten Inhaber des französischen Parnasses in dem Zeitalter des vierzehnten Ludwig ").

Die zweite Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ist die Zeit, da der versificirte Ritterroman in der französischen Litteratur zu vers schwinden, und der nicht verfificirte seine Stelle eins zunehmen anfängt. Dieses litterarische Factum wird von den französischen Litteratoren so gedeutet, als sen damals der nicht dersificirte Ritterroman aus eis ner Art von Erschöpfung des romantischen Erfins dungsgeistes entstanden; und diese Deutung soll bes glaubigt werden durch die Wiederhohlung der als ten Ritterdichtungen in den nicht versificirten Roz manen. Aber noch hat kein französischer Litterator einen Amadis in Versen nachweisen können. An den Amadis reihen sich die nicht versificirten Rits terromane der Franzosen, die ungebundene Rede abgerechnet, noch auf eine andre Art, als an die alten französischen Rittergedichte. Denn so wie im Amadis ein Ideal der ritterlichen Voll kommenheit dargestellt werden soll, so suchte jeż der Nachahmer desselben durch seine Dichtung ets was Aehnliches zu leisten. Diese Tendenz hat sich in

n) Wer die Anciens romans de Chevalerie nach der Bes arbeitung des Grafen Treffan, und die ersten Romas, ne in der Bibliothèque univerfelle des Romans fennt, der übersehe doch auch ja nicht den Roman Parthez no per nach der Bearbeitung oder lleberseßung von Le Grand in der Zugabe zum 4ten Bande der Contes et fabliaux. Dieser Roman ist nicht nur, nach Le Grand's Versicherung, im Originale ganz versificirt; er hat auch, was die Poesie der Situationen betrifft, wenige seines gleichen.

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in den ältesten französischen Rittergedichten lange nicht so bestimmt entwickelt. Ferner ist keineswe ges bewiesen, daß alle ersten Romane in unger bundener Rede von französischer Erfindung Bear: beitungen versificirter Originale sind. Gewiß ist indessen, daß die Ritterromane in Versen zugleich mit den Fabliaur verschwandén. Wie dieses ges: kommen, ist nun die Frage, die sich noch auf eine andere Art beantworten läßt, als nach dem Guts achten der französischen Litteratoren.

In der letzten Hälfte des Zeitalters der Fas bliaur war die französische Sprache in einer merkwürdigen Krise; und der Ausgang dieser Krise war von sehr bedeutenden Folgen für das Schick: sal der Ritterdichtungen sowohl, als der französ fischen Poesie überhaupt. Zum poetischen Wesen einer Erzählung in Versen schien die alte Spras che zu gehören, in der die ersten französischen Fa: bliaux verfaßt waren. Aber schon im dreizehnten Jahrhundert bildete sich die Sprache der Prose und des gemeinen Lebens in Frankreich so merklich um, daß man prosaische Werke aus diesem Zeitalter für wenigstens hundert Jahre jünger halten müßte, wenn man von ihrer Herkunft nicht unterrichtet wäre, und das alte Französische nur aus den Fas bliaux und Rittergedichten kennte. Die alte Pros se des französischen Ritters Joinville aus dem dreizehnten Jahrhundert zu verstehen, bedarf man des Glossariums nur von Zeit zu Zeit; aber von den französischen Gedichten aus dem vierje hns ten Jahrhundert versteht man ohne Glossarium kaum einige Zeilen nach einander. Die Chronit des Froissart aus der zweiten Hälfte des viers zehns

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zehnten Jahrhunderts lieset man, mit ein wenig Kenntniß der altfranzösischen Sprache, fast ohne philologischen Anstoß; Froissart's Verse aber ents fernen sich von dem neueren Französischen fast eben so weit, wie die des Königs Thibaut von Navarra. Ohne allen Zweifel hatte sich also für die Sprache in Versen das alte Französische als ein poetischer Dialekt, ungefähr so wie in Griechenland die homerische Sprache, erhalten, als man in Prose und im gemeinen Leben längst ganz anders schrieb und sprach. Dieser poetische Dialekt wurde uns vermeidlich mit jedem Jahre in Frankreich selbst unverständlicher. Dazu kam, daß der Geschmack der Nation endlich auch zur Abwechselung etwas ganz Neues verlangte. Dieses Neue fand er in den nicht versificirten Romanen nach dem Muster des Amadis. So ereignete sich ohne Erschöpfung der romantischen Dichterphantasie die Umwandlung des alten Ritterepos in die Form des eigentlichen Rits terromans schon in der zweiten Hälfte des vierzehns ten Jahrhunderts, während die lyrische und allegos rische Poesie die alte blieb, und auch vielleicht noch immer einzelne Romane in Bersen geschrieben wurden.

Eine specielle Anzeige der vorzüglicheren französ fischen Ritterromane von dieser zweiten oder nicht versificirten Art würde nicht nur zu weit von dem Wege einer allgemeinen Geschichte der neueren Poes. fie und Beredsamkeit abführen; sie seht auch ein bes sonderes Studium voraus, das nur da befriedis gende Resultate gewähren kann, wo es dem Ges schichtsforscher nicht an Beruf und Gelegenheit fehlt, zuerst in den älteren, in Versen geschriebenen Rits

terromanen die Quellen mehrerer der nicht versificirs ten aufzusuchen, dann die ursprünglich französischenvon denen abzusondern, die aus dem Spanischen übersetzt wurden. Auch durch solche Bemühung würs de gleichwohl kein wahres Fortschreiten des Gea nies und Geschmacks der französischen Dichter in diesem Felde entdeckt werden. Es mag also hier. genug seyn, über die ganze Gattung noch einia ges anzumerken. Ehe noch die blutigen Kriege ans fingen, in welchen die französischen Könige aus dem Hause Valois mit den Königen von England uns gefähr hundert Jahr lang, von 1346 bis 1449, auf französischem Boden um die französische Krone kämpfen mußten, waren die fabelhaften Sagen vom König Artus und seiner Tafelrunde aus England nach Frankreich herübergekommen und durch Ritters romane von französischer Erfindung nationalisirt. Während der Kriege, in denen die französische Ta: pferkeit so lange Zeit der englischen unterlag, wurs de das Interesse für jene Sagen erneuert. Cin französischer Romanendichter, der damals gelebt zu haben scheint, erfand sogar einen zweiten oder kleinen Artus, den er zum Nachfolger des ersten machte und in einer neuen Dichtung große und glor. reiche Abenteuer bestehen ließ "). Um aber auch die alte Landesgeschichte von neuem romantisch auss zuschmücken, jog man die fabelhaften Sagen von Carl dem Großen und feinen Paladinen wieder hers vor. Die Romane Hüon von Bordeaur, Ogier

n) Le petit Artus de Bretaigne, nach einer vor mir lies genden Ausgabe, mit gothischen Lettern gedruckt zu Lyon, tm J. 1496; also eine litterarische Seltenheit.

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