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zehnten Jahrhundert den lyrischen Styl der Pros venzalen glücklich nachahmten, verdient ein Prinz, aus dem königlichen Hause. Carl, Herzog von Orleans, ein Enkel des französischen Königs Carl V., fuchte durch Unerschöpflichkeit in romans tischen Liedern sein Gefühl auszusprechen und seinen Kummer zu zerstreuen. Das Schicksal stellte seis ne Geduld auf harte Proben. In der großen Schlacht bei Azincour, die für die Franzosen so unglücklich ausfiel, wurde er von den Engländern zum Kriegsgefangenen gemacht. Fünf und zwans zig Jahr, den schönsten Theil seines Lebens, mußs te er in England als Gefangener zubringen. Dort sang er den größten Theil seiner zahlreichen Lieder. Auch in englischer Sprache, die er zu lernen Zeit genug hatte, machte er Verse zur Abwechselung. Endlich im Jahr 1440, dem ein und vierzigsten seines Alters, erhielt er seine Freiheit wieder. Fast alle französischen Dichter und Reimer seines Zeits alters machten ihm den Hof. Er selbst scheint seis ne Liebe zur Poesie nie verloren, aber doch nach seiner Zurückkunft aus England weniger gedichtet zu haben. Er starb im Jahre 1466. ). Noch hat man keine gedruckte Sammlung seiner Gedich te; aber wenn irgend französische Gedichte aus dem funfzehnten Jahrhundert bekannter zu werden ver. dienen, so sind es diese. Fast alle, die bis jekt gedruckt sind, beweisen, daß der Herzog Carl von Orleans

s) Das Andenken an die Gedichte des Herzogs Carl von Orleans wurde zuerst wieder etwas lebhafter erneuert durch eine Abhandlung vom Abbe Sallter im 13ten Bande der Mémoires de l'Académie des Infcript. et belles lettres. Ausführlicher und reicher an eingerücks ten Gedichten ist der Artikel Charles d'Orléans im 9ten Bande der Bibliothèque françoife.

Orleans mehr Gefühl für wahre Poesie hatte, als bei weitem die meisten Dichter und Reimer, die sich an ihn schlossen, und die aus keiner andern Urfas che berühmter geworden sind, als, weil sie wenis ger Dichter im rechten Sinne des Wörts waren, Dafür aber dem falschen Geschmacke ihrer Nation desto mehr schmeichelten. Einen ungewöhnlich hohen Flug nahm zwar auch die Poesie des Herzogs von Orleans nicht. Wo sein romantisches Gefühl nicht vordringt, da verliert sich sein Wiß in den gemeinen Irrgången der allegorisirenden Dichs tung; und zwischendurch auch gemeine Prose zu reimen, erlaubte sich der Herzog von Orleans, wie alle Franzosen, die im funfzehnten Jahrhundert Verse machten. Aber wo ihm der lyrische Auss druck seines Gefühls gelingt, da erreicht er auch durch Wahrheit, Simplicität und Unmuth das Ziel der alten romantischen Liederpoesie *).

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Bes

sonders hervorstechende Gedanken muß man da nicht suchen. Aber auch das Gewöhnliche nimmt in den Liedern des Herzogs von Orleans eine sanfte poetis

t) 3. B. in dem lieblichen kleinen Liede:
Laiffez-moy penfer à mon aife;
Helas! donnez-m'en le loyfir.
Je devife avec plaifir,

Combien que ma bouche fe taife.
Quant mérancolie mauvaise
Me vient maintefois affaillir,
Laiffez-moy penfer à mon aife:
Helas! donnez-m'en le loyfir.

Car enfin que mon cueur rapaife,
J'appelle plaifant fouvenir

Qui tantoft me vient resjoüir.
Pour ce, par Dieu ne vous desplaise,
Laiffez-moy penfer à mon aife;

Helas! donnez-m'en le loyfir.

sche

sche Farbe an "). Der Inhalt der meisten dieser Lieder ist schwermüthig; aber in einigen erkennt man ganz den heiteren Franzosen, der auch im ¡Als ter fröhlich seyn will *). Wie weit übrigens dies

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t) 3. B. in diesem Gedichte, das man zugleich als Proba einer französischen Ballade aus dem funfzehnten J. H. ansehen kann.

Le beau Souleil le jour faint Valentin
Qui apportoit fa chandelle allumée,
N'a pas long-temps entra un bien matin
Privéément en ma chambre fermée:
Celle clarté qu'il avoit apportée
Si m'esveilla du fomme de fouffy
Où j'avoye toute la nuit dormy
Sur le dur lit d'ennuieufe penfée..

Ce jour auffi pour partir leur butin
Des biens d'amour, faifoient affemblée
Tous les oyfeaulx qui parlans leur latin
Crioyent fort demandans la livrée
Que nature leur avoit ordonnée,
C'eftoit d'un per comme chascun choify;
Si ne me peu r'endormir pour leur cry
Sur le dur lit d'ennuieufe pensée.

Lors en moillant de larmes mon coeffin
Je regrettay ma dure deftinée,

Difant, oyfeaulx je vous voy en chemin
De tout plaifir et joye defirée;

Chascun de vous a per qui lui agrée,

و

Et point n'en ay; car mort qui m'a trahy
A prins mon per, dont en deuil je languis
Sur le dur lit d'ennuieufe penfée.

x) 3. B. in dem Liebe:

J'ay tant joué avecques aage
A la paulme, que maintenant
Jay quarante-cinq; fur bon gage
Nous joüons, non pas pour néant.
Affez me fens fort et puiffant

De

fer Prinz auch noch in einem andern Sinne als Dichter Franzose war, sieht man besonders aus eis nem seiner größeren, ganz allegorisch angeleg ten Werke, das eine Art von poetischer Vorrede zu seinen Liedern seyn soll. Da erzählt er, wie eines Morgens die Jugend zu ihm getreten, um ihn in den Tempel Amor's zu führen; wie er sich anfangs geweigert, sich einer so gefährlichen Führ rerin anzuvertrauen; wie er aber doch nachgegeben habe, und in der Nähe der Hofbaltung Amor's von dem Vergnügen (Plaifance) und der guten Aufnahme (Bel Accueil) empfangen und weiter geführt sen. Diese ziemlich lang ausgesponnene Fiction ohne alle höhere oder freiere Erfindung ens digt mit einer komischen, völlig canzleimäßig vers faßten Bestallung, die Amor dem Dichter ertheilt, der in seine Dienste tritt 2).

De garder mon jeu jusqu'à cy,
Non, je ne crains riens que fouffy.
Car fouffy tant me décourage

De jouer, et va eftouppant
Les cops que fiers à l'avantage,
Trop feurement eft rachaffant.
Fortune fi lui eft aidant;
Mais espoir eft mon bon amy;
Non, je ne crains riens que fouffy.
Vieilleffe de douleur enrage

De ce que le jeu dure tant,
Et dit en fon felon langage,
Que les chaffes dorénavant
Marchera pour m'être nuyfant:
Mais ne m'en chault, je la deffy;
Non, je ne crains riens que fouffy.

Der

z) Einen vollständigen Auszug aus dieser Dichtung giebt Goujet in seiner Bibl. françoife, T. IX. Er theilt

Der Herzog Carl von Orleans war unter den französischen Fürsten und Herren vom höchsten Adel nicht der einzige, der im Styl der Provenzalen ros mantische Lieder sang. In dem alten handschriftlis chen Liederbuche (Balladier), das seine Gedichs te enthält, sollen sich ähnliche finden von Johann Herzog von Bourbon, Philipp Herzog von Bur: gund, Johann Herzog von Lothringen, Renat von Anjou, der König von Sicilien wurde, und von andern Prinzen und Grafen "). Diese vornehmen Minnesinger scheinen sämmtlich in Verbindung mit einander gestanden, und den Herzog von Orleans vorzüglich zum Muster genommen zu haben. Eine ähnliche Verbindung von Dichtern dieses Ranges in der großen Welt hat es seitdem nicht gegeben. Sie ist um so merkwürdiger, weil alle diese großen Herren ihre Lieder der Liebe im Laufe des blutigen Krieges sangen, der die französische Monarchie fast zerstörte. An patriotischen Klagen über das uns glückliche Schicksal Frankreichs fehlt es auch nicht in den Gedichten des Herzogs von Orleans. Aber die merkwürdigen Begebenheiten jener Zeit selbst konus ten den Männern, die darin verwickelt waren, nicht wohl in einem poetischen Lichte erscheinen. Auch die wundergleiche Rettung Frankreichs durch das Mäde chen von Orleans wurde nur mit religiösem, nicht mit poetischem Erstaunen betrachtet.

Da man voraussehen darf, daß noch eine Mens ge lyrischer Gedichte aus dem funfzehnten Jahr. huns

bet der Gelegenheit noch einige vorzügliche lyrische Ges dichte von dem Herzog von Orleans mit.

a) Man sehe die Notiz bei Goufet a. a. D. S. 232. Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek. V.B.

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