ÆäÀÌÁö À̹ÌÁö
PDF
ePub

sehten sich die Pilger zu Paris durch dramatische Darstellungen aus dem alten und neuen Testamente auf's neue bei dem Könige in Gunst. Jeht wagte ein Theil von ihnen, sich förmlich zu einer dramatis schen Gesellschaft zu vereinigen, die ein eigenes Theas ter einnahm. Sie nannten sich, nach geistlicher Art, eine Brüderschaft; die Schauspiele, die sie gas ben, hießen Mysterien; und weil noch keines ihs rer geistlichen Theaterstücke so bewundert worden war, als das Myster von der Passion, so nahm die Gesellschaft den Nahmen der Passionsbrús derschaft an. Schon im J. 1398 fand der Bürs germeister (prévot) von Paris diese Schauspiele au stößig. Er verbor sie durch eine Ordonnanz. Aber die Brüderschaft wandte sich an den König, der ihr wohl wollte. Sie wurde von ihm geschüßt, und erhielt endlich im J. 1402 ein förmliches Priviles gium als die erste öffentlich autorisirte Schauspies lergesellschaft in Frankreich und im ganzen neueren Europa ).

Das berühmte Myster von der Passion unsers Herrn J. C. ist eine dramatische Bears beitung der ganzen Lebensgeschichte des Heilandes der Christen von seiner Taufe an, die er vom Jos hannes empfängt, bis zu seinem Begräbniß. Die Composition ist von einem solchen. Umfange, daß das Stück in einem einzigen Tage nicht aufgeführt werden konnte. Man führte also mehrere Tage hinter einander eine Abtheilung nach der andern auf.

*) Das Privilegium steht abgedruckt im 1sten Theile der Hiftoire du théatre françois der Brüder Parfait, . 56.

Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek, V.B.

auf. Eine solche Abtheilung hieß daher ein Taga werf oder eine Journée. So ist der Nahme entstanden, der nachher von den Spaniern für ih re geistlichen und weltlichen Schauspiele in hispas nisirter Form (Jornada) angenommen und, weil man in Spanien das Stammwort nicht verstand, als gleichbedeutend mit Act oder Aufzug beibehalten wurde. In Frankreich verschwanden die Journeen aus den Schauspielen, so bald die Mysterien eingingen ). Das große Myster von der Passion konnte nur mit Opernpomp aufgeführt werden. Es verlangt einen solchen theatralischen Upparat, daß man die Kühnheit der Unternehmer des ersten französischen Theaters bewundern muß "). Sies ben und achtzig Personen treten schon in der ersten Journée auf; unter ihnen die drei Personen der christlichen Gottheit, sechs Engel und Erzengel, alle zwölf Apostel, Herodes mit seinem ganzen Ho fe, eine Menge erdichteter Personen aus allen Ståns den, und sechs Teufel. Bon dramatischer Bers wickelung und Auflösung zeigt sich nichts weiter, als was die Folge der Begebenheiten von selbst mit sich bringt. Aber die Composition hat bei aller Rohheit und Geschmacklosigkeit etwas Großes. Der

[ocr errors]

Pro

t) Vergl. den dritten Band dieser Gesch. der Poesie und Bercds. Die Spanier wußten selbst nicht, wie sie zu ihren Jornadas gekommen waren. Deßwegen maßten sich mehrere spanische Schauspieldichter die Ehre an, ihre dramatischen Werke zuerst in Jornadas abges theilt zu haben. An Tage dachte man dabei nicht; denn ein Tag heißt im Spanischen Dia.

u) Man vergl. den Auszug aus diesem geistlichen Schaus spiele in der Hift. du théatre françois, T. I. Aber verdiente ein so merkwürdiges dramatisches Gedicht nicht ganz abgedruckt zu werden?

Prolog ist freilich eine Predigt über die Worte: "Das Wort ward Fletsch." Auch der Anfang des Stücks selbst ist nicht dramatisch; denn Johannes eröffnet die erste Journee mit einer Predigt in der Wüste. Dann aber erscheint sogleich das jüdische Synedrium. Christus unterhält sich darauf mit seiner Mutter und dem Engel Gabriel. Auf die Taufe Christi folgt eine Rathsversammlung der bd, fen Geister in der Hölle. Dann treten Judas und Pilatus auf. Ein vortrefflicher Gedanke war es, in einer Scene den Judas mit seiner Mutter zusams menzustellen. Dann geht die Dramatisirung in die Jugendzeiten des Messias zurück. Für Abwechs selung der Scenen ist bis zum Ungeheuern gesorgt. Die erste Person der christlichen Gottheit scheint immer nur unsichtbar gesprochen zu haben. Die Katastrophe der Hinrichtung des Messias wird bis zum Gräßlichen tragisch durch die Gegenwart der Teufel, die in dem ganzen Stücke Hauptrollen spies Ien. Mag nun immerhin das Große der wilden Composition vorzüglich in der Handlung selbst lies gen; und mag es durch die platten und widersinni: gen Scenen noch so caricaturmäßig werden; es zeigt sich doch in dem ganzen Stücke eine energische Phans tasie, die ihre rohen Dichtungen mit den biblischen Notizen kühn verbindet. Mehrere Scenen scheis nen gesungen zu seyn, unter andern einige in Chören. Die Charaktere sind gar nicht ver nachlässigt. Das Myster von der Passion ist, mit einem Worte, kein gemeines Stück. Aber es ist überfüllt mit gemeinen Scenen unter wahrhaft poetischen. Was es im Ganzen und in einzelnen Stellen von wahrer Poesie enthält, unterliegt dem Grotesken, Albernen und unvernünftigen. Und

62

doch

doch haben selbst die gräßlichen Scenen, in denen die Teufel bald einander mit den raffinirtesten Qualen martern, bald die Possenreisser machen, einen poetischen Anstrich. Die Sprache ist die gewöhns liche der altfranzösischen Verse, aber schon ziemlich modern in der Wahl der Wörter, und zuweilen nichts weniger als gemein *). Die Verse selbst find bald mehr, bald weniger regelmäßig, in jams bischen Zeilen von verschiedener länge. Der Dias log hat hier und da schon ganz den besonders aufz fallenden Charakter der französischen Raschheit ). Cinta

So spricht z. B. ein Mal ein Priester im jüdischen Sys
nedrium beinahe schon ganz mit der Gravität der spås
teren Tragiker der Franzosen.

Premierement l'Empereur foulz main dure
Nous tient subjectz, tout le peuple murmure,
Rien n'eft en paix, tout eft mal gouverné,
Erreurs croiffent, la Sinagogue endure,
Haynes pululent, et tout mal on procure,
Parquoy je dis que Meffyás n'eft pas né.

y) 3. B. als Lucifer, der in den französischen Myste
rien gewöhnlich das Oberhaupt der höllischen. Geister ist,
sich von Satan Bericht abstatten läßt.
Lucifer. Sathan, réponds à ma demande,
Où tient ce Jéfus fon menaige?

Sathan. Lucifer, hé quel dyable fçay-je?
Il eft en ung defert logé,

Où il n'a ne beu, ne mangé,
Depuis l'eure qu'il y entra.

Lucifer. Il faut le tempter qui pourra,
Par troys ou quatre façons;

Affin au moins, que nous:

faichons,

S'il eft Dieu, homme, ou autre chofe..
Sathan. Toft y courruffe, mais je n'ofe,

De peur que

l'on ne me torchonne.

Lucifer. Si tu faulx je te le pardonne,
Pourveu que tu t'y emploiras.

Sa

Einige Monologen haben einen lyrischen Schwung und einen sonoren Wörterpomp, den man den Ers findern eines solchen Schauspiels kaum zutrauen follte 2).

Sathan. Çà donc, le congé?
Lucifer.

Tu l'auras.

Or va, que pour toy confermer
Tous ceulx de l'Air et de la Mer
Te rameinent à fauve-garde,
Plustoft que pierre de bombarde.

Zwei

z) Man lese z. B. diesen Monolog der Cyborea, der Mutter des Judas. Welch ein rauschendes Pathos, bei aller Spielerei mit einzelnen Wörtern!

O que j'ay de rage en mon cueur!
O Dieu tout-puiffant, quel horreur!
Quelle terreur!

Quelle erreur!

Quel forfaict!

O le très-haultain plasmateur,
Qui fera le réparateur
Du malheur,
Deshonneur

[blocks in formation]
« ÀÌÀü°è¼Ó »