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seine komische Erzählung Der Chorpult (Le Lutrin). dem Publicum und dem Hofe bekannt. Es gelang ihm, so viele Feinde ihm auch seine Satyren machs ten, dem Könige empfohlen zu werden. Der Kös nig interessirte sich persönlich für ihn, und Boileau: wurde, wie Racine und Moliere, ein Liebling des Hofes. Ludwig XIV., der sich nicht umsonst von dem strengen. Richter Boileau in den elegantesten Versen loben lassen wollte, wies ihm eine Pension von zwei tausend Livres an. Auf diese Pension folgten ähnliche, und außerdem noch besondere Gras tificationen von Zeit zu Zeit. Endlich wurde der Satyriker, Epistelndichter, Kritiker und Epigrammatist, der nun auch schon als Mitglied der frans zösischen Akademie ein neues Ansehen erhalten hatte, gar noch, zugleich mit Racine, zum französischen Reichshistoriographen ernannt, und genoß den Ers trag dieser Stelle, indem er es, wie Racine, bet den Anstalten zur Erfüllung seiner Umtspflicht bes wenden ließ.

Uebrigens war Boileau ein Mann von unbe scholtenem Charakter, angefeindet nur von den Aus toren, deren Werke er als Kritiker angegriffen hatte. In besonders freundschaftlicher Verbindung lebte er, wie schon oben erzählt worden, mit Racine. In dem fritischen Streite, der damals über die litterar rischen Vorzüge der Alten und der Neueren ents stand, war Boileau immer einer der wärmsten Vera theidiger der alten Classiker. Ueberhaupt zeigte er von der ersten Zeit feines Eintritts in die schrifts ftellerische Laufbahn an bis an feinen Tod eine uns erschütterliche Consequenz in der Behauptung und Ausübung der Grundsäge, die er aus voller Uebers

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zeugung für die höchsten Geseße des guten Geschmacks ansah. Es wurde ihm leichter, sich selbst getreu zu bleiben, weil er schon zwei und dreißig Jahr alt war, als er die sieben ersten seiner Satyren drucken ließ. Die ersten Gesänge seines Chorpults far men sechs Jahr später heraus, zugleich mit seiner Poetik, die in kurzer Zeit das Ansehen eines Ge: setzbuchs am französischen Parnasse erhielt. In nás herer und entfernterer Verbindung mit dem Hofe erlebte Boileau noch die traurige Periode der polis tischen Demüthigung seines stolzen, von ihm mit den übrigen Lobrednern und Schmeichlern in die Wette gepriesenen Monarchen, und der inneren Ers schöpfung der französischen Monarchie. Er starb im Jahre 1711, dem vier und siebenzigsten seines Al ters ").

Boileau's poetische Werke erscheinen im Lichte derjenigen Kritik, die. keinem Nationalvorurtheile huldigt und ihren Horizont über die Grenze der subalternen Geschmacksregeln hinaus erweitert, an: ders, als sie von den französischen Litteratoren chas rakterisirt werden, die von Boileau selbst die höchste Norm thres Geschmacks empfingen. Denn in Bois leau's poetischer Gesetzgebung hat sich der französi sche Nationalgeschmack aus dem Zeitalter Ludwig's XIV. mit allen feinen Vorzügen und Mängeln abs

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w) Biographische Nottzen zur Geschichte des Boileau Desa preaur finden sich vor der bekannten Ausgabe seiner Werke von De Maizeaux (à la Haye, 1729, in 4 Duodezs bänden), in Lambert's Hiftoire littéraire du Regne de Louis XIV. Tom. II. p. 472. und an andern Orten.

gedruckt. Seine kritischen Grundsäke håtten sich der Nation empfehlen müssen, auch wenn sie mit >weniger Wik und Verstand, und nicht in so ele: ganten Versen vorgetragen wären. Aber durch die Form, die Boileau seinen Grundsäßen zu geben wußte, drangen sie wie Göttersprüche in die Kunst und Theorie aller Franzosen ein, die sich über das gemeine Publicum erheben und einen durchaus reis nen Geschmack haben wollten. Sie wirkten unwis derstehlich durch das Zusammentreffen der Kunst mit Der Theorie in Boileau's Werken selbst. Denn dies fer Gesetzgeber: befolgte selbst, als Dichter im Sinne seiner Nation, die Vorschriften, die er gab, mit eben so vieler Feinheit, als Pünktlichkeit. Die Talente, die ihm die Natur verliehen, hatte er durch unverdrossenen Fleiß ausgebildet, ohne die Mühe Blicken zu lassen, die ihre Bildung ihm gekoster. Immer dachte und schrieb er nach Regeln; aber mit der Leichtigkeit eines Weltmanns. Unter seinen Talenten waren die vorzüglichsten ein energischer Verstand, der sich selbst in treffenden Wih verwans delte; ein heller Beobachtungsgeist, der den Ges genständen, die seine Aufmerksamkeit reizten, schnell eine interessante Seite abfah; und eine kritische Bes Sonnenheit, der nichts entschlüpfte, was ein Mann, wie Boileau, nach seiner Vorstellungsart für Fehler halten mußte. Phantasie hatte Boileau wenig; aber, was er beobachtete und dachte, wußte er vortrefflich zu fagen. Seine Muttersprache stand ihm zu Gebote, so weit ihm daran gelegen war, Gebrauch von ihr zu machen. Er haßte mit redlichem Ernste alle eitlen Anmaßungen, alle Affectation und Fadheit in der Litteratur wie im Leben. Aber auch alles Schwärmerische in der Kunst war ihm zuwider.

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Den guten Geschmack unter die Oberherrschaft eines immer wachen Verstandes zu bringen, war übers haupt sein Wunsch und seine Sorge. Fast-unemø pfänglich für die höheren Reize der Poesie, die aus dein Innersten der Seele entspringen und zum ens thusiastischen Mitgefühle hinreißen, hatte er den feins ften Tact für das Richtige und Schickliche, und für die wahre Harmonie der Gedanken und des Ausdrucks.

Wenn man den Werth eines Gedichts nur nach dem schäßen will, was eigentlich poetisches Vers dienst heißen soll, so nimmt Boileau, mit allem seinen Verstande und Wike, selbst unter den Dichs tern vom zweiten Range feinen der ersten Pläße ein. Es fehlte ihm nicht nur an originalem Erfin: dungsgeiste und an Talent zu den Dichtungsarten, Durch die sich die Poesie selbstständig von der Prose scheider; selbst in der Nachbarschaft der geistreichen Prose, der Heimath seines Geistes, zeichnen sich seine Werke durch keine Originalität, weder der Ansichten, noch der Manier, aus. Nur das Vers Dienst bleibt ihm, in den subalternen Dichtungsar: ten, in denen er sich vorzüglich hervorgethan hat, feine Vorgänger am französischen Parnasse durch Correctheit und Eleganz der Sprache, der Versifis cation und der geistreichen Darstellung überhaupt übertroffen zu haben. Den meisten Antheil hat die Phantasie an seiner komischen Erzählung Der Chors pult, die immerhin ein komisches Heldengedicht heißen kann. Der Einfall war glücklich, die Stadts anekdote vom gewaltigen Streite zweier Chorherrn über einen großen wurmstichigen und längst zur Seite geschafften Pult, den der eine wieder aufs stellte,

stellte, der andere für immer weggeschafft haben wollte, zum Stoffe einer satyrisch-epischen Dichtung/ zu wählen. Aber neu war dieser Einfall nicht. Der Italiener Tassoni hatte schon durch seinen Eis merraub (La fecchia rapita) ein ermunterndes und: zum Theil classisches Beispiel einer ähnlichen Dichs: tung gegeben w). Tassoni's Werk war allgemein bekannt, und Boileau selbst verräth durch eine Zelle.. in seinem Chorpult, daß er es sehr gut kannte *). Verglichen mit diesem italienischen Gedichte, ist Boileau's Chorpult_bei weitem nicht so reich an Fomischer Mannigfaltigkeit, an poetischem Muths willen, und an kühnen Zügen, aber es ist regels mäßiger und sittsamer, und schwankt nicht, wie Tassoni's Gedicht, zwischen der feinen Satyre und der derben Posse hin und her. Die komischen Bez schreibungen sind meisterhaft, und die Satyre trifft immer ihr Ziel. Auch Tassoni hatte Ariost's Eles ganz nachgeahmt; aber Boileau's Faustischere Mas nier ist durchdacht bis in die kleinsten Züge. An der bewundernswürdigen Präcision seiner Sprache erkennt man auch, wo er scherzt, den Schüler der claffischen Alten. Die Situationen sind mit aller Kraft der komischen Wahrheit in poetischen Bildern ausgemahlt. Gleichwohl hat die ganze Composition

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w) S. diese Gesch. der Poesie und Bereds. Band II, .378

x) O toi

Qui par les traits hardis d'un bizarre pinceau
Mis l'Italie en feu pour le perte d'un feau;

wird im Lutrin, Chant IV. die komische Muse anges
redet.

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