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eignen, fielen schlecht aus. Aber seitdem nun gar die französische Nation sich ohne Einschränkung und in jeder Hinsicht für die erste in der Welt zu halten anfing, wurde auch der Nationalcharakter der frans zösischen Poesie in allen seinen Zügen unauslöschlich, Das französische Publicum verlor völlig den Sinn, zu empfinden, wo es seinen Dichtern fehlte.

Was Ludwig XIV, unmittelbar für die schöne Litteratur, seiner Nation that, kommt wenig in Be tracht, wenn es mit dem verglichen wird, was der, Geist seiner Regierung, und noch mehr seines Hoses, zur völligen Entwickelung der französischen Poesie und Beredsamkeit überhaupt beitrug. Die Ehre, bei Hofe erscheinen zu dürfen, und zur königlichen Tafel eingeladen zu werden, wie Racine und Mo: liere, war verführerisch, aber nur von zweideutigem Nußen für die Kunst. Die Pensionen, die bald nach Verdienst, bald nach Gunst, wie es sich traf, mehreren Dichtern und beredten Schriftstellern aus der königlichen Casse zuflossen, konnten das bescheidene Genie eben so leicht niederschlagen als ermunteru, weil es doch größten Theils von zufälligem Interesse der Minister, oder einer andern Person von bedeus tendem Einflusse bei Hofe, oder gar von nichtss würdigen Intriguen abhing, ob jemand glücklich ges nug war, eine solche Belohnung zu erhaschen. Aber der Wunsch, vom Hofe bemerkt zu werden und dem Hofe zu gefallen, beherrschte alle französischen Schriftsteller, die auf Geschmack Anspruch machten, im Jahrhundert Ludwig's XIV. noch mehr, als vors her. Die französische Akademie, die seit ihrer Stiftung zum Hofstaat des königlichen Hauses gehört hatte, handelte immer mehr in ihrer Bestimmung,

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dem Nationalgeschmacke den Charakter eines Hofge schmacks zu geben; und einer der Vierziger dieser Akademie zu werden, wurde immer allgemeiner das lekte Ziel der Wünsche eines französischen schönen Geistes. Um mit der Akademie und dem Hofe in Verbindung zu kommen, mußten die poetischen und rhetorischen Talente aus dem ganzen Reiche sich in der Hauptstadt zusammendrången. Hier mußten sie unverzüglich die Rusticität abzulegen suchen, die sie aus der Provinz, wie nun der Theil des Reichs hieß, der vor den Thoren der Hauptstadt lag, in der Unschuld ihres Herzens mitbrachten. Ob nicht Man: ches von dem, was in den eleganten Gesellschaften Der Pariser zur Rusticität gerechnet wurde, im Grunde nur fühner und kräftiger Ausbruch eines edlen Nas turgefühls war, wurde daun nicht weiter untersucht. Genug, daß der Dichter und Schriftsteller dichten und schreiben mußte, wie es der Ton der guten Ge: sellschaften zu Paris verlangte. Die guten Gesells schaften zu Paris nahmen aber den Hof zu ihrem ́ Muster, obgleich der Hof, der auf die gute Stadt Paris ungefähr eben so tief, wie diese Stadt auf die Provinz, herabsah, immer darauf bedacht war, nicht mit der Stadt verwechselt zu werden.

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Hofe Ludwig's XIV. nahm die französische Geselligs keit jene vornehme Eleganz an, die in scharfen Zügen das Unständige von dem Niedrigen scheidet. Diese Eles ganz der Sitten theilte sich von selbst der Sprache mit. Nach dem Muster, das der Hof gab, suchte man in aller guten Gesellschaft zu Paris sich eben so fein, alsTM bestimmt, immer in gewählten Phrasen, und doch mit gefälliger Leichtigkeit, auszudrücken. Was ans dern Nationen zur Natürlichkeit der Sprache des ge: meinen Lebens zu gehören schien, im gewöhnlichen

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Umgange sich auf Kosten der Grammatif zuweilen. eine Nachlässigkeit zu erlauben, die in der Bü chersprache nicht Statt finden darf, galt in der gebildeten Umgangssprache zu Paris für einen anstößigen Fehler. Eine solche Scheidewand zwischen der Büchersprache und der Umgangssprache, wie sie sich bei den meisten neueren Nationen findet, konnte in Frankreich überhaupt nicht entstehen, weil die Schriftsteller von ihrer Seite, um sich mit gefälliger Leichtigkeit auszudrücken, eben so bemüht waren, die Formen der gebildeten Conversation nachzuahmen, als man im eleganten Leben incorrect, oder trivial zır reden vermied. Was aber dieser natürlichen Rich tung des französischen Geistes im Jahrhunderte Luds wig's XIV. einen entscheidenden Einfluß auf die Bildung Des permanenten Charakters der französischen Spra che gab, war der litterarische Patriotismus, der mit dem politischen Stolze der Nation zus gleich durch den Glanz des Hofes und die Uebermacht Der französischen Monarchie von allen Seiten geweckt und unterhalten wurde. Die Vollendung der Culs tur der Sprache war nun eine Nationalangelegenheit. Vor dieser Sprache, die man am Hofe des anges Baunten Monarchen redete, sollten alle übrigen in Europa verstummen. Dafür aber sollte auch diese Sprache durch ihre Reinheit, Festigkeit, Bestimmts heit und ausnehmende Eleganz allen übrigen als ein classisches Muster vorleuchten. So hatte weder die italienische, noch die spanische Sprache dem ganzen Europa imponirt. Aber keine neuere Nation hatte es sich auch schon so angelegen seyn lassen, wie die französische im Zeitalter des stattlichen Ludwig's, ihs rer Sprache eine solche Ausbildung zu geben, daß sie, was die grammatische Festigkeit, die rhetorische Bes

fiimmtheit und die innere Delicatesse betrifft, mit der classischen Sprache des Ulterthums gleichen Rang behaupten konnte,

Ein Glück für die schöne Litteratur im Anfange der Regierung Ludwig's XIV. war auch die Forts dauer des Friedens zwischen den beiden, Religionsparteien mitten unter den erneuerten Stürmen der politischen Factionen. Die wohlthäs tigen Folgen des Edicts von Nantes, die von der ganzen Nation empfunden wurden, kamen allen guten Köpfen zu Statten, die sonst vielleicht ihr Tas lent an die Vertheidigung eines theologischen Sectens wahns verschwendet hätten. Als endlich Ludwig und seine geehrte Maintenon, von dumpfer Bigotterie hingerissen, im Jahr 1685, aller Menschlichkeit und aller gesünden Politik zum Troh, das Edict von Mantes aufhoben, war die französische Sprache und Litteratur schon ein organisirtes Ganzes, das durch feine partielle Entnervung des Staats wieder zerrúts tet werden konnte. Die Tausende von französischen Reformirten, die ihr Vaterland verließen, vermehrs ten nur noch das litterarische Unsehen ihrer Nation in den Ländern, wo sie eine neue Heimath fanden. Die Verschiedenheit der theologischen Meinungen' hinderte sie nicht, überall, wohin sie kamen, mit eben dem Patriotismus und eben der Eitelkeit, wie ihre katholischen Geschmacksverwandten, die in Frank, reich zurückgeblieben waren, ihre Sprache und Littes > ratur als die erste in der Welt zu rühmen. In Frankreich selbst konnte der neue Triumph des Fana. tismus keine Stockung der schönen Litteratur bewirs ken, weil ihre Fortschritte die Kirche unmittelbar nichts angingen, und weil die protestantische Partei

schon

schon durch Richelieu ihrer politischen Kraft zu sehr beraubt war, um eine Reaction bewirken zu können. An eine freigeistische Tendenz der Poesie und Ber redsamkeit dachte man damals in Frankreich nur wenig, wenn gleich mehr, als inSpanien und Portugal, wo vor den Schrecken der Inquisition doch niemand weniger zits terte, als die Dichter und geistreichen Autoren. Ges fährlich hätte, im Schooße der römischen Kirche selbst, der heftige Streit der Jesuiten mit den Jansenisten den ästhetischen Studien in Franks reich werden können, wenn nicht die wißigen Köpfe mit dem Staate jugleich dabei interessirt gewesen was ren, diesen Streit niederzuschlagen.

II. Mit dem Geiste der Regierung Ludwig's XIV. traf die Ausbildung des geselligen Charakters der Franzosen in diesem Zeitraume auch außerhalb der Verhältnisse, in denen die Stadt den Hof nachahmte, so natürlich zusammen, daß die französische Sprache und Litteratur durch den Ton der Unterhaltung in Privatzirkeln und Cotterien zu Paris wer nigstens eben so sehr, wo nicht noch mehr, gebildet und geleitet wurde, als durch das Beispiel des Hofes und die kritische Gesekgebung der französischen Akas

demie.

In Paris erhielt das gesellige Leben der neueren Nationen die eleganten Formen, durch die der leßte Ueberreft der altritterlichen Galanterie nach den Fors derungen einer völlig veränderten Denkart so lange modificirt wurde, bis er sich als nothwendige Bedins dung eines anständigen und gefälligen Verhältnisses zwischen Herren und Damen unter allen übrigen Schicksalen, die den Sitten in Europa noch bevors standen,

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