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die sich durch galante Sentimentalität aus: zeichnete, verwechselte das Moralische mit dem Poes tischen. Die geistreichen Wollüftlinge und lustigen Brüder, die unter den französischen Lieder und Epis. stel: Dichtern dieses Zeitraums eine merkwürdige Schule bildeten, hatten gerade so viel poetisches Gefühl, als sich mit der eleganten Frivolität vertragen wollte, der sie einen verführerischen Ans strich von wahrer Philosophie des Lebens zu geben wußten. Ueberhaupt schien man nur im Muthwil ligen und im Komischen eine poetische Begeisterung zu kennen. Deßwegen wurde das komische Theas ter der Franzosen in dieser Periode ihrer schönen Litteratur das erste in der Welt. Aber in allen Gattungen der ernsthaften Poesie suchten die meis ften französischen Dichter und Reimer das Ziel ihrer Kunst vorzüglich durch Schönheit des Styls, durch eine elegante Sprache, feine Wendungen, und durch einzelne, nach den Gesehen des Nationalgeschmacks lebhaft wirkende, und treffend ausgedrückte Gedans fen zu erreichen, die dann von dem Publicum und den Geschmacksrichtern besonders hervorgehoben wur: den, und vorzugsweise schöne Verse (beaux vers) hießen. Mit der Reimkunst selbst nahm man es dabei gewöhnlich sehr genau. Die Regeln der frans zösischen Prosodie, nach dem besondern Charakter der französischen Sprache, wurden immer schärfer bestimmt. Den Ausländern wurden diese Regeln, von deren Befolgung die Harmonie eines französis schen Verses abhängt, immer unbegreiflicher, weil sie nur für eine Sprache berechnet waren, die man geflisfentlich ohne Accent, mit willkührlicher Mos dulation der Stimme, ohne constante Sylbenquans titát, zu reden suchte. Nur ein französisches Ohr,

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das für den Klang der Wörter eben so empfindlich, als gegen die Schönheit des poetischen Rhythmus in der Verbindung der Sylben, die gemessen und nicht bloß gezählt werden, gleichaültig ist, konnte den Regeln der französischen Prosodie ihre wahre Bes beutung geben P). Aber auch auf die conventios nellen Regeln, zum Beispiel, daß männliche und weibliche Reime nothwendig abwechseln, oder daß wenigstens nicht mehr, als zwei Zeilen mit männlis chen, und wieder zwei Zeilen mit weiblichen Reiø men, auf einander folgen durften, wurde nun schon strenge gehalten, wenn correcte Verse in französ Fischer Sprache gemacht werden sollten.

1. Die lyrische Poesie der Franzosen in Jahrhundert Ludwig's XIV. war natürliche Forts seßung einiger älteren, dem französischen Nationals geschmacke angemessenen Dichtungsarten aus dem funfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Kein lys rischer Dichter stand auf, der in der franzdischen Litteratur wieder eine solche Epoche gemacht hätte, wie Marot und Malherbe. Aber die allgemeine Cultur der Sprache und des Styls in Frankreich theilte sich auch den lyrischen Dichtungsarten mit, denen es bis dahin noch an nationaler Eleganz ges fehlt hatte. Der Geist der Nation drückte sich von neuem, bald stärker, bald feiner, in galanten,

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p) Vergl. den vorigen Band, S. 8 ff., wo schon anges merkt ist, daß das französische Parler fans accent gar nicht in der Natur der franzöfifchen Sprache gegründet, und nur unvermerkt durch Vernachlässigung der alten Sylbenquantität entstanden ist.

wißigen, und muntern Liedern, Rondeaux, und Mas drigalen, eine Zeitlang auch noch in Sonetten, sels tener, bis auf Jean Baptiste Rousseau, in Gedich. ten ab, die Oden seyn sollten. Aber im Geiste der italienischen, spanischen und portugiesischen Lyriker Exs tasen und glühende Gefühle mit ernstlichem Enthusiass mus auszusprechen, gaben sich am französischen Parnasse nur noch einige pedantische Anhänger der Schule Rons fard's vergebens Mühe. Unter den übrigen frans zösischen Dichtern war es nicht gebräuchlich, und auch immer weniger nach dem Geschmacke der Nas tion, durch schöne Schwärmerei sich das Ansehen eines Menschen zu geben, der nicht zu leben weiß.

In der ersten Hälfte der Regierung Luds wig's XIV. begünstigte noch der Hof, und wer sich nach dem Hofe bildete, die galanten Lieder, Rondeaur, Madrigale und Sonette, deren Inhalt artige Einfälle, und Tändeleten, besonders aber schöne Sachen waren, die man im Style des Hofes den Damen sagte. Wer sich auf diese Kunst verstand, mußte bei jeder Gelegenheit, in eigenem oder fremdem Nahmen, sein Verschen zu machen, auch Epistelchen und Epigramme zu verfertigen wiss fen. Niemand hatte es in dieser galanten Kunst nach dem Wunsche der Damen und der schönen Welt in Paris so weit gebracht, als Isaac de Benses rade, der deßwegen auch unter den vielen Hofs poeten, die der Cardinal Richelieu seinem Nachs folger im Ministerium zur Verpflegung hinterlassen hatte, vorzugsweise der Hofppet (le poète de la cour) hieß. Er war Staatsrath und Mitglied der französischen Akademie. Ueber zwanzig Jahre lag das Amt, die Ballette und Lustbarkeiten des Hofes

mit Versen zu verschönern, fast allein ihm ob. Auch lieferte er Trauerspiele, Lustspiele, und was Die Umstände mit sich brachten. Moliere und Bois leau sporteten über ihn ohne Scheu. Aber er bes hauptete seinen Posten beinahe bis an seinen Tod im Jahre 1690, ob er gleich acht und siebenzig Jahr alt wurde 9).

Während die galante Kunst in der Manier des Benserade auch von noch unbedeutenderen Reimern nicht ohne Beifall getrieben wurde), that sich eine andere, weit geistreichere und in jeder Hinsicht merkwürdigere Partei in einer jovialischen und frivolen Liederpoesie hervor, die zwar auch nichts. Neues in der französischen Litteratur, aber doch noch nicht ganz auf diese Art cultivirt war. Die Lies derdichter und wißigen Köpfe von dieser Partei ges hörten zur Schule der geistreichen Epikus reer, die gerade damals in dem üppigen Paris entstand, und die weit stärker auf die französische Poesie, so wie auf die Nation, gewirkt hat, als bisher von den Geschichtschreibern der Litteratur und

der

q) Hinreichende Notizen zur Geschichte des Hofpoeten Benserade und seiner Werke liefert die Bibliothéque françoife, Tom. XVIII, . 287 ff. Charakterntisch für einen so galanten Versler ist der poetische Abschied, den er von dem Hofe nahm, als er etwa fiebenzig Jahr `alt seyn mochte; denn da sang er noch:

Adieu, Amour, bien plus que tous les autres
Difficile à congédier.

r) Anstatt anderer langweiligen Kleinigkeiten dieser Art aus dem Jahrhundert Ludwig's XIV. erwähne ich nur wegen des Titels einer neben mir liegenden kleinen Elite des poèfies héroiques et galantes, Cologne, 1687, in 8vo. Man fann nichts Abgeschmackteres durchblättern.

der Sitten bemerkt worden. Es war dieselbe Schule, in welcher die schöne Ninon de l'Enclos, die bes wundernswürdigste aller neueren Aspasien, den Ton des philosophirenden Leichtsinnes und des raffinirten Lebensgenusses angab. Die feinen Wollüftlinge, die zu dieser Gesellschaft gehörten, nannten sich selbst mit dem Titel, der ihre Denkart am fürzesten bes zeichnete (les Voluptueux) ). Sie sind die wahren Stifter der Secte, die in abwechselnden Formen Die libertinische Moral, zu der man sich ohne Erröthen öffentlich bekennt, von Paris aus durch ganz Frankreich und weiter durch ganz Europa vers breitet hat. Aus dieser Schule der geistreichen und eleganten Leppigkeit ging auch die französische Freidenferei hervor, die zuerst das Christenthum, dann alle Religion untergrub, und die nicht mit der englischen Freidenkerei verwechselt werden darf, die mit ernsthafter Prüfung der Glaubwürdigkeit des Christenthums anfing, und zur natürlichen Religion führte '). Aber nur nach und nach wagten die neuen Epikureer in Frankreich, über Religionsans gelegenheiten öffentlich mitzurásonniren. So lange Ludwig XIV. lebte, war ihre Freiheit ziemlich be: schränkt. Damals schien es nur noch echt franzdr

fische

*) Wer Französisch verfteht, wird den Titel les Volup tueux in dem pikanten Sinne, wie er hier zu nehmen ist, nicht übersehen die Wollüftlinge, obgleich die Sache am Ende dieselbe bleibt.

*) Es lohnte sich der Mühe, daß ein Geschichtschreiber der Philosophie und der Sitten diese Parallele zwischen der französischen und der englischen Freidenkerei historisch auss führte. In einer Anmerkung zur Geschichte der Poesie und Beredsamkeit ist ja eine Aeußerung, wie diese, wohl erlaubt.

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