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dann bald mehr, bald weniger, dem Charakter der Epistel und des Epigramms. Ueberhaupt möchte man wohl das Nationale in der französischen Be: handlung der meisten Dichtungsarten, die dramatis schen abgerechnet, am treffendsten bezeichnen, wenn man sagt, die französische Poesie habe eine solche Richtung genominen, als ob die Epistel und das Epigramm die Grenze der poetischen Volle kommenheit bezeichneten. Bald epigrammatisch, bald gesellschaftlich im Styl und Charakter der Epistel råsonnirend, ohne Ansprüche auf einem Enthusiass mus, der die leichten Spiele des Wikes nur gestört haben würde, empfahlen sich die flüchtigen Poes sien dem Hofe und der Stadt. In diesem Ger fchmacke dichtete und reimte zur Zufriedenheit des französischen Publicums der elegante Pavillon, Mits glied der französischen Akademie. Er lebte vom Jahre 1632 bis 1705. Andere solcher flüchtigen Unterhals tungspoeten glaubten, ihre leichtsinnige Philosophie des Lebens mit einem genialischen Troße gegen die öffentliche Denkart verbinden zu müssen. Manche folgten vielleicht dem Beispiele des berüchtigten Abbé Des Ivetaur, der schon zu Anfange der Regierung Ludwig's XIV. eben so großes Wergers niß durch seine Sitten gegeben, als Beifall mit seinen flüchtigen Poesien gefunden, und, nachdem er vom Hofe verwiesen war, beliebt hatte, sich als romantischen Schäfer zu kleiden, sich von Hirtinnen umgeben zu lassen, und ein seltsames Idyllenleben in der Wirklichkeit zu führen. Der Abbé St. Pavin satyrisirte in seinen flüchtigen Poesien nicht unwißig gegen Boileau, den er nicht leiden konnte. Er nahm es auch mit den Spottereien in Relie gionssachen nicht genau, und galt deßwegen für

einen gottlosen Poeten. In einem noch übleren Rufe der Gottlosigkeit stand sein Freund Liniere, dessen Versen es aber an Feinheit eben so sehr, als an Würde, fehlte. Man kann diese ganze Partei von flüchtigen Poeten, die ihrer libertinis schen Denkart einen Anstrich von Philosophie zu ges ben suchten, auch zu der Schule des Chapelle zähя len, von welcher oben die Rede war. Auch sie haben die Epoche vorbereitet, die mit Voltaire anfängt ").

Auch die Nahmen Ferrand, Louis Petit, Regnier des Marais, le Pays, gehören in das Verzeichniß der schönen Geister, deren artige Kleinigkeiten im Jahrhundert Ludwig's XIV. beliebt waren "). Mit mehr Gelehrsamkeit, besonders mit mehr Kenntniß der alten Litteratur, trat Bernard de la Monnaye in diese Reihe. Fünf Mal ers hielt er den Preis der Poesie bei der französischen Akademie, deren Mitglied er war. Seine anekdos tenmäßige Gelehrsamkeit hat viel Aehnliches mit der des Menage, dessen bekannte Menagiana er auch durch Anmerkungen erläutert hat. La Mons noye gehört insofern zu den merkwürdigeren guten Köpfen aus dieser Periode, weil es nach ihm keinen ähnlichen gegeben hat, der mit solcher Feinheit, Gewandtheit und Eleganz französische, italienische, Lateinische und griechische Verse gemacht und aus einer Sprache in die andere überseht hätte. Fast

alle

m) Deßwegen ereifert sich auch der Abbé Sabatier de Caftres gegen fie bei den Artikeln, die sie betreffen.

Specielle Nachrichten über diese schönen und artigen Geister findet man bei mehreren französischen Litteras

toren.

alle seine eigenen Urbeiten haben einen epigrammas tischen Zuschnitt °). Einen pretidsen Ton mit den leichten Spielen des Wißes zu vereinigen, gab sich niemand mehr Mühe, als der Abbé Cotin, dessen Nahme durch die Satyren Boileau's zum Sprichwort geworden ist. Er stand als schöner Geist und Geschmacksrichter besonders in den Cots terien, wo die Damen mitsprachen, in nicht ge= meinem Rufe, als Boileau ihn zuerst angriff. Moliere that auch das Seinige, die Manier dieses Cotin und seine Ansprüche lächerlich zu machen. Cotin behielt aber doch eine Partei, die seine pres tidsen Verschen gern las. Besonders fanden seine versificirten Räthsel vielen Beifall »).

Unter allen französischen Dichtern und schönen Geistern, die damals Episteln schrieben, erreichte indessen keiner den feinen, gedankenreichen, mit der reizendsten Nachlässigkeit in Versen philosophirenden Abbé Chaulieu, dessen Nahme schon oben unter den üppigen Liederdichtern aus der Schule des Chas pelle genannt werden mußte. Seine Episteln haben denselben Charakter, wie seine leichten lyrischen Spiele. Aber in den Episteln von Chaulieu ers kenut man besonders den Freidenker, der seine epis kureische Weisheit mit eben so viel Verstand, als

Gras

o) Das Interesse für den merkwürdigen Mann ist auch auf's Neue erregt durch die schöne Ausgabe seiner Werke: Oeuvres choifies de Bernard de la Monnoye, à la Haye, 1770, in zwei Quartbänden.

p) Eine ziemlich ehrenvolle Anzeige der poetischen Arbeis ten dieses Cotin, dessen Nahme faft zum Appellativ ges worden ist, um einen eben so arroganten, als schlechten Reimer zu bezeichnen, findet man bet Goujet in der Bibl. franç. Tom. XVIII.

Grazie, vorzutragen wußte. Chaulien glaubte, die Manier seiner Episteln erfunden, oder vielmehr von selbst gefunden zu haben, ohne sie zu suchen. Von den Episteln Boileau's und Anderer, die einen gemessenen Schritt in Alexandrinern gehen, unter: scheiden sich allerdings die von Chaulieu durchaus. Aber die verschiedene Länge der Reimzeilen in Chaus lieu's Episteln kann doch eben so wenig, als die Manier, in welcher dieser geistreiche Wollüstling feine interessanten Gedanken und Empfindungen vortrågt, für seine Erfindung gelten. Die Versart dieser Episteln ist im Grunde dieselbe, in welcher alle die flüchtigen Poesien verfaßt wurden, die an Feine regelmäßige Wiederkehr der Reimzeilen von bestimmter Länge gebunden waren. Drei und meh rere Zeilen auf einander zu reimen, hatte sich auch schon Chapelle erlaubt. Die Manier Chaulieu's unterscheidet sich von derjenigen, die man bei den übrigen Verfassern flüchtiger Poesien aus diesem Zeitalter findet, nur durch die pikantere Mischung des Scherzes mit didaktischem Ernste. Chaulieu gab sich, um nicht als Freigeist in seiner bürgerlis chen Ruhe gestört zu werden, die Miene, als ob er nur im Scherze und aus genialischem Muthwils len die Grundsäge des Epikureismus so anziehend erscheinen ließe. Es bedarf nur eines gewöhnlichen kritischen Tacts, um sogleich den Ernst der Uebers zeugung da zu erkennen, wo Chaulieu als Epifus reer von der Kunst des irdischen Lebensgenusses und von der Eitelkeit der Erwartungen einer überirdis schen Unsterblichkeit spricht ). Die Rigoristen uns

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ter

q) Aus der berühmtesten der drei Episteln unter dem Tis

tel:

ter den französischen Kritikern finden Chaulieu's Sprache und Versification zu nachlässig und zu ins correct. Aber das Verdienst bleibt ihm, in dieser Art von didaktischen Episteln zuerst ein philosophis sches Interesse des Inhalts mit der französischen Martonalmanier der flüchtigen Poesien vereinigt, und praktische Lehren, sie mögen nun moralisch, oder egoistisch seyn, mit einer Liebenswürdigkeit, um derer willen man gern manche Vernachlässigung des Ausdrucks übersieht, in der Sprache der Grazien vorgetragen zu haben *).

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Die.

tel: Les trois manieres d'envisager la mort gehört die folgende Stelle hierher:

Aux penfers de la mort accoutume ton ame;

Hors fon nom feulement, elle n'a rien d'affreux.
Détachez en l'horreur d'un féjour ténébreux,
Des Démons, d'Enfer et de flamme,
Qu'aura-t-elle de douloureux ?

La mort eft fimplement le terme de la vie;
De peines ni de biens elle n' eft point fuivie:
C'est un afyle fûr, c'eft la fin de nos maux,
C'est le commencement d'un éternel repos;-
pour s'en faire encor une plus douce image,
Ce n'eft qu'un paifible fommeil,
Que, par une conduite fage,
La Loi de l'Univers engage
A n'avoir jamais de réveil.

Et

r) 3. B. in derselben Epistel:

Cependant jettons des 'rofes,
Je le vois avec les lis
Briller fraîchement éclofes

Sur le teint de ma Phylis.

Viens, Phylis, avec moi, viens paffer la foirée;
Qu'à table les Amours nous couronnent de fleurs;
De myrte, comme toi, que leur Mere parée
Vienne de mon efprit effacer ces noirceurs:

Et

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