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Seitdem diese Damé durch ihre Romane bez rühmt geworden, schien es beinahe, als ob die Damen in Frankreich vom Gefühle eines besons dern Berufs,, dieses Feld zu bearbeiten, ergriffen worden wåren. Es war eine ganz neue Erschei: nung, auf ein Mal so viele Frauen und Fraulein sich unter die Romanendichter stellen zu sehen. Alle diese Schriftstellerinnen zogen den Roman immer tiefer in die Sphäre der wirklichen Welt herab. Die ritterlichen Abenteuer mußten historischen Ereignissen aus der neueren Geschichte Plak machen, oder bekannte und unbekannte, wahre und erlogene Hof: Anekdoten und Hof: In: triguen wurden von den Damen zu Romanen ver arbeitet; und wenn die Phantasie dieser Schrift: stellerinnen einen mehr poetischen Spielraum suchte, nahm sie zu der Feenwelt ihre Zuflucht.

2. Unter den historischen Romanen und Novellen, die sich ganz von der Idee des alten Rits terromans entfernen, würden damals die von dem Fräulein Charlotte Rose de Caumont de la Force sehr gut aufgenommen. Das Fräulein de la Force lebte vom Jahre 1650 bis 1724. Sie hat aus der Geschichte der berühmten Königin Margarethe von Navarra einen Roman gemacht, auf eine ähnliche Art die geheime Geschichte des burgundischen Hauses und das Leben des Königs von Schweden Gustav Wasa erzählt, auch Feenmährchen und sonst noch Allerlet geschrieben. Ihren historischen Romanen suchte

Nanteuil, en faisant mon image,
A de fon art divin fignalé le pouvoir.
Je hais mes traits dans mon miroirs
Je les aime dans son ouvrage.

fuchte sie mit vieler Kunst das Colorit der wahren Geschichte zu geben ").

Anekdoten aus der alten griechischen und rds mischen Geschichte zu galanten Romanen und Nos vellen umzugestalten, bemühte sich besonders die Frau von Billedieu, eine Dame, die selbst zu Den sehr galanten gezählt wurde. In ihrer ErzähJung der Liebesbegebenheiten großer Måns ner (Les Amours des grands hommes) paradiren Solon, Alcibiades, Julius Cásar. Auch zärtliche Billette von diesen großen Männern theilt uns die Frau von Villedieu mit. Man muß, um an dies sen Erzählungen Geschmack zu finden, eben so gleichs gültig gegen die barocke Mischung der modernen Galanterie mit den antiken Sitten und Gebräuchen, als gegen die prosaische Verunstaltung der wahren Geschichte seyn °).

Die Manier, in welcher die französischen Das men historische Romane und Novellen schrieben neigte sich immer mehr zu dem Ton und Charakter der Memoires. Das poetische Interesse der Ers zählung wurde fast zur Nebensache. Aber um die Intriguen der großen Welt mit psychologischer Feins heit aus einander zu sehen, mischten die Erzähle rinnen

u) Einige Werke der Mile. de la Force stehen verzeicha net bei Defeffarts in dem Siècle littéraire de la France Tom. III. Nach andern Litteratoren soll sie sechzehn Romane geschrieben haben.

o) Besser, als die Amours des Grands Hommes und áhns liche Producte der Madame de Villedieu sind ihre Galanteries Grenadines (Paris, 1673, in Duodez) in der Mas nter der spanischen Novellen.

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rinnen Wahres und Erdichtetes mit einer bis dahin unerhörten Keckheit durch einander. Diese falsche n Memoires redeten so täuschend die Sprache der wah: ren, daß sie von dem anekdotensüchtigen Publicum mit den historischen Werken von ähnlicher Art in eine und dieselbe Reihe gestellt wurden. Man wußte gar nicht mehr, wenn neue Memoires erschienen, ob man sie für wahre Nachrichten, oder für Ros mane halten sollte. Unter solchen Umständen konnte damals auch die Gräfin D' unon, deren Feen: måhrchen wenig Eingang fanden, mit aller Unbes fangenheit halb erdichtete Memoires ur spa: nischen Geschichte (Mémoires d'Espagne) als einen interessanten Beitrag zur historischen Litteratur herausgeben, obgleich die Verfälschung, an welcher diese Dame feinen Anstoß nahm, leicht aufgedeckt werden konnte P).

Aber die Damen, die auf diese Art ein Tois lettenspiel mit der wahren Geschichte trieben, vers dienen wohl Entschuldigung, da auch Männer die unter den schönen Geistern und Geschmacksrich: tern ihrer Zeit einen Nahmen hatten, sich nicht schämten, durch solche Memoires ihren Wiß und ihre Menschenkenntniß zu zeigen. Keiner der schönen Geister aus dem Zeitalter Ludwig's XIV. ist in dieser Hinsicht so berüchtigt, als Roger de Rabútin Graf von Büssy, der auch als eleganter Briefs steller bekannt ist. Er lebte vom Jahre 1618 bis 1693. Büssy war ein Mann von Geist und Bil dung. Er verkünftelte nur sich selbst, weil er im: mer geistreich denken und schreiben wollte. Es mag wahr

p) Auch ein Comte de Douglas findet sich unter den Ros manen oder faijchen Memoires dieser Gräfin D' Aunoy.

wahr seyn, was einige Litteratoren versichern, daß ihm das Manuscript seiner schaamlosen Gallischen Liebesgeschichten (Hiftoire amoureufes des Gaules) boshafterweise entwandi worden, und daß die schlimm ften Stellen in diesem unsauberen Werke nicht von ihm sind. Wenig Ehre machte ihm schon die Pets vatbeschäftigung, zu seinem Vergnügen die scanda löse Geschichte des Hofes Ludwig's XIV. und mehr rerer bekannten Personen aus der großen und schde nen Welt, nicht etwa in der Manier des cynischen Brantome 1) als wahre Anekdoten ohne kunstreiche Ausstaffirung erzählt, sondern seinen Erzählungen recht mit tuft die Farbe eines Romans gegeben zu häben, um sie dadurch interessanter zu machen. Die Strafe, die er, bei seinen Ansprüchen, so tief em pfand, auf immer vom Hofe verwiesen zu werden, war nicht unverdient ).

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Selbst die vortrefflichste der französischen Schrifts stellerinnen, die damals Romane schrieben, Marie Madeleine Pioche de la Vergne Gråfin de La Fayette, konnte der Versuchung nicht wider: stehen, den Geschichtschreibern in das Amt zu fallen. Wie viel Wahres ihren Memoires des frans zdfischen Hofes und ihrer Geschichte der Herzogin von Orleans Henriette von Engs land

q). Vergl. den voriaen Band, S. 303. r) Die Hiftoire amoureufe des Gaules des Grafen Büf sy mal ooch wohl immer viele Leser gefunden haben, da fie in einer neuen Handausgabe, ohne Druckort, 1754, in 5 Octavbändchen, zierlich wieder gedruckt ist. Freis lich kann man nichts Unterhaltenderes lesen, wenn man an den galanten Intriguen der großen Welt und an der raffinirtesten Unsittlichkeit Geschmack findet.

Land zum Grunde liegen, und wie viel Erdichtetes zur Ausschmückung eingemischt seyn mag, kann aus dem Zusammenhange der Begebenheiten niemand erras then. Aber die Gräfin de la Fayette gab doch ihre Romane, die mit Recht weit mehr, als ihre historischen Memoires, geschäßt werden, nicht für wahre Geschichtsbücher aus. Ihre Prinzessin von Cleves (La Princeffe de Cleves), die noch jezt gelesen wird, hat zwar auch den wesentlichen Fehler des historischen Romans, den Mißbrauch des histos rischen Styls und der Sprache der profaischen Wahrs heit in der Erzählung von erdichteten Begebenhet. ten, die mit wahren gemischt sind. Uber unter den historischen Romanen überhaupt ist die Prinzessin von Cleve noch immer einer der besten. Die Mas nier der Gräfin hat in diesem Romane die gefällige Würde, an der man die Frau von Geist erkennt, die sich in der großen Welt gebildet hat. Weit übertroffen wird indessen dieser historische Roman der Gräfin de la Fayette von ihrer Zaide, dem vortrefflichsten aller französischen Romane aus dem Zeitalter Ludwig's XIV., einem Werke, in welchem fich die Eleganz des Styls und das Interesse der Situationen mit dem zartesten Ausdrucke der Ge: fühle vereinigt, und die romantische Erfindung nie in das Phantastische ausschweift. Der litterarische

Ruhm der Gräfin de la Fayette gründet sich auch vorzüglich auf diesen Roman. Vielleicht hat der Idyllendichter Segrais, der mit der geistreichen Frau in freundschaftlichen Verhältnissen stand, einis gen Antheil an der Entstehung, oder an der Aus bildung der Zaide. Daß er aber der wahre Vers faffer dieses Romans sey, und daß die Gräfin das Werk des Segrais, mit dessen Einwilligung, für

DAS

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