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schrieben waren, nachdem die Mährchen von der Mutter Gans kaum die Presse verlassen hatten. Eben so wenig begreift man, wenn Perrault für den Erfinder des französischen Feenmährchens gelten foll, woher denn die auffallende Aehnlichkeit zwi: schen diesen Feenmährchen und den arabischen stammt, denen jene nur nachgebildet zu seyn scheinen.

Nach aller kritischen Wahrscheinlichkeit hat so wes nig Perrault, als irgend ein andrer französischer schöner Geist, das Feenmährchen eigentlich erfunden. Der orientalische Ursprung dieser unterhaltenden Spiele der Phantasie leidet keinen Zweifel. Vielleicht wa: ren schon, ehe noch Galland mit seinen Tausend und einer Nacht hervortrat, solche Mährchen durch Reis sende, die aus dem Morgenlande zurückgekommen, in einigen Zirkeln zu Paris verbreitet, wo sie eine besondere Aufmerksamkeit erregt hatten. Vielleicht hatte Galland selbst, ehe er mit seiner vollständi: gen Uebersetzung der Tausend und einer Nacht fertig war, in Privatgesprächen etwas davon mitgetheilt, was hinreichend war, einen muntern Kopf auf ähns liche Erfindungen zu leiten. Eine glückliche Erins nerung an die Berichte von Feen in den alten Ritz terromanen und Fabliaur that das Uebrige. Das Feenmährchen war da; und dem Theile des Pu blicums, der sich am meisten dafür interessirte, lag am wenigsten daran, zu wissen, wie es entstanden war. Wer sich zu den ernsthaftesten Geschmacks: richtern zählte, besonders wer zur Schule Boileau's gehörte, die den Verstand auch in der Poesie über die Einbildungskraft stellt, würdigte die Feeninährs chen kaum einer flüchtigen Aufmerksamkeit. - Auch waren es aufangs fast nur Damen, aus deren

leicht beweglicher Phantasie die Feenmährchen flossen, ehe Galland's Uebersetzung der Tausend und einer Macht erschienen war. Die Gräfin D'Aunoy, das Fräulein de la Force, eine gewisse Gräfin D'Aus neuil, eine andere Gräfin von Mürat, und noch einige Frauen, wetteiferten in der neuen Kunst, den Geist, wie ein unruhiges Kind, oder wie den Sut tan in Tausend und einer Nacht, durch solche Ers zählungen in einen unterhaltenden Traum einzus wiegen. Dichtungen voll seltsamer Wunder, ohne bestimmte Tendenz, ohne Enthusiasmus, ohne poes tischen Schmuck, in der einfachsten Sprache der gewöhnlichen Unterhaltung erzählt, konnten freilich nicht die Stelle von Gedichten im eigentlichen Sinne vertreten. Besondere Talente schienen auch nicht zur Erfindung eines Feenmährchens zu gehören, da solcher Mährchen in so kurzer Zeit eine so große Menge von Damen geschrieben wurden, die sich in den höheren Regionen des Parnasses nicht zu zeigen wagten. Dessen ungeachtet machten die Feenmähes chen ein erstaunliches Glück. Sie schienen der Eins bildungskraft endlich die Freiheit zu geben, nach der man sich, ohne es selbst zu wissen, unter dem Drucke von wahren und conventionellen Geschmacksregeln gesehnt hatte. Waren die Damen, die das Publis cum so angenehm unterhielten, nicht Dichterinnen vom ersten Range, so waren sie doch Frauen von Geist. Die ernsthaften Geschmacksrichter vergaßen, daß ein gut erfundenes und gut erzähltes Feen: måhrchen, wenn gleich kein Gedicht im eigentlichen Sinne, doch ein sehr reizendes Spiel der Phantasie, gleichsam eine Vorübung in der höheren Musenkunst, ist, Jene Damen trugen wenigstens die Anlage zur wahren Poesie in sich, während die Männer, die

vernünftige, aber prosaische Gedanken und Einfälle in zierlichen Versen schrieben, von den wesentlichen Grundzügen einer voetischen Erfindung nur eine schwache Ahndung hatten ).

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Epidemisch wurde die Neigung zu den Feenmährchen in Frankreich, als Galland's Uebersehung der Lausend und einer Nacht so viele Nachahmungen veranlaßte, daß das Publicum davon håtte übers fättigt werden müssen, wenn nicht einige Schrift! steller und Schriftstellerinnen, die es gut mit dem Leser meinten, diesen Mährchen eine påð agos gische Tenden; geben zu müssen geglaubt þåtten, um sie gemeinnüßig, oder wenigstens unschädlich zu machen. Tausend und ein Tag (Mille et un jour) von Petit de la Croir, aus dem Arabis schen übersetzt, dann Tausend und eine Viers telstunde (Mille et un quart d'heure) von einem gewissen Simon Gueulette, wurden nur um fo fleißiger gelesen, da selbst der ehrwürdige Fes nelon die Mode mitmachte, und Feenmåhrchen zur Erziehung des Herzogs von Bours gogne schrieb *). Diesem Beispiele scheint die Frau von Beaumont gefolgt zu seyn, die in 'der folgenden Periode der französischen Litteratur ihre Erziehungsschriften durch eingemischte Feenmährchen belebte.

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Um

y) Eine hinreichende Anzeige der bekanntesten Sammluns gen von französischen Feenmährchen findet man in Blans kenburg's litterarischen Zusäßen zu Sulzer's Werters buche unter der Rubrik Erzählung.

z) Fables et Contes des Fées pour l'éducation du Duc de Bourgogne, par Franc. Salignac de la Motte Fenelon, 1720, in 12.

Um zu zeigen, daß die Dichtung eines uns terhaltenden Feenmährchens keine sonderlichen Tas Tente erfordere, soll der Graf Antoine d2 Has milton seine vier Fakardiné (Les quatre Facardin) und die übrigen phantasiereichen Werkchen dies fer Art geschrieben haben, die man, wenigstens ́aur Berhalb Frankreich, noch immer liefet und mit Recht bewundert. Die französischen Litteratoren, die doch sonst aufmerksam auf Alles machen, was in ihrer Schönen Litteratur merkwürdig ist, sind gegen diesen Meister in der Kunst, Feenmährchen zu dichten, so ungerecht, daß sie seiner entweder gar nicht, oder nur im Vorbeigehen, gedenken *). Hamilton's Feenmährchen unterscheiden sich von den übrigen Dichtungen dieser Art nicht nur durch die scherzende Manier; sie übertreffen auch Alles, was mit ihnen in eine Classe gehört, einige echt orientalische Erzäh, lungen ausgenommen, durch Kühnheit der Erfin dung im Wunderbaren und durch genialische Vers wickelung. Graf Hamilton hat sich auch durch an: Dere geistreiche Kleinigkeiten bekannt gemacht. Von den Memoires des Grafen von Grammont, für deren Verfasser Hamilton ausgegeben wird, soll nachher die Rede seyn. Er starb im Jahre 1720.

5. Nos

a) Nicht nur Palissot übergeht in seinen Mémoires de littérature den Grafen Hamilton mit Stilijchweigen; felbit bet Desefsarts, deffen Siecles littéraires de la France doch ein vollständiges Verzeichniß aller merks würdigen französischen Autoren und ihrer Werke seyn foll, fehlt sogar der Nahme Hamilton. Der Abbé Sabatier erwähnt des geist, und phantasiereichen Mans nes doch wenigstens mit einigen Worten. Aber die Oeu. vres du Comte d'Hamilton find öfter gedruckt, z. B. Amfterdam, 1762, in 6 Duodezbånden.

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Novellen und Romane von anderer Art zeichnen sich in der französischen Litteratur dieses Zeiträums nicht, aus. Der sogenannte búrger: liche Roman (Le Roman bourgeois) von Antoine Fürettere, dem Verfasser eines geschäßten Wöre terbuchs, wurde eine Zeitlang gelesen, dann verz gessen. Novellen in der Manier der spanischen hat auch Segrais, der Idyllendichter, þinterlassen þ). Die Erfindung des eigentlichen Familienromans blieb den Engländern vorbehalten. Moralische Erzählungen, dergleichen in der folgenden Periode der französischen Litteratur genug entstanden, gab es im Jahrhundert Ludwig's XIV, noch nicht.

Die Geschichte der wahren Profe in der französischen Litteratur dieses Zeitraums verlangt eine bestimmte Auszeichnung einiger Schriffteller, deren Werke zuerst für classisch in verschiedenen Gattun gen des prosaischen Styls anerkannt wurden, und die vorzüglich mitwirkten, der französischen Bered: samkeit eine feste Bildung zu geben.

Pascal

Schon in den ersten Jahren des eigentlich so genannten Jahrhunderts Ludwig's XIV. zeigte Blais se Pascal, geboren zu Clermont in Auvergne im Jahre 1623, den eben so feinen, als månnlichen, Geschmack, durch den er in der Geschichte der fran zósis

b) Nouvelles françoifes, par Jean. Renaud de Segrais, Paris, 1722, 2 Voll. in 12mo.

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