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feiner seyn. Da ihm Lucian's Phantasie fehlte, suchte er den dialogischen Effect durch berechnete Zusammenstellungen zu verstärken. Deßwegen ließ er zuerst Todte aus der alten Welt sich mit einander unterhalten; dann stellte er alte und neuere Todte, Dann neuere allein, zusammen; und zum Beschlusse fügte er ein wikiges Urtheil des Pluto hinzu. Aber er blieb doch nur ein matter Nachahmer Jus cian's. Die Resultate seiner Todtengespräche fallen zuweilen ganz natürlich, zuweilen aber auch so raf finirt aus, daß die ganze dialogische Veranstaltung nur wie ein Gerüst erscheint, auf das ein glänzender Einfall gestellt werden sollte *).

3. Mit der historischen Litteratur der Fran zosen ging im Jahrhundert Ludwig's XIV. eine große Veränderung vor, an der die neue Bildung des Geschmacks keinen geringen Antheil hatte. Vorher waren es fast nur Memoires, was mit vielem Verstande, mit einiger historischen Kunst, und nicht ohne Beredsamkeit, von einigen vorzüglichen Köpfen, welche merkwürdige Begebenheiten aus der wahren Geschichte erzählen wollten, in Frankreich geschrieben

wurs

k) 3. B. in der faden Unterhaltung zwischen Aesop und Homer. Fontenelle, der, bekanntlich, an der homes rischen Poesie wenig Geschmack fand, wollte in diesem Gespräche erklären, wie es wohl zugegangen sey, daß die Griechen die homerischen Mythen nicht lächerlich ges funden, und daß sie die dsopischen Fabeln nicht so hoch geschätzt haben, wie die Iliade. Homer selbst muß also die Unterhaltung mit dem forcirten Bon Mot endigen: Les hommes veulent bien, que les Dieux foient aufli fous qu'eux, mais ils ne veulent pas que les bêtes

foient aufli fages.

Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek. VI. B.

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wurde. Die wenigen Versuche einer mehr umfaf: senden Bearbeitung der Staatsgeschichte waren ohne rhetorischen Werth, und überhaupt nur rohe Vors übungen in der historischen Kunst. Aber gegen die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts standen auf ein Mal so viele französische Geschichtschreiber auf, die ihre Kunst im Großen zeigen wollten, daß faum einer vor dem andern Plak finden konnte. Der litterarische Patriotismus, der das Zeitalter Luds wig's XIV. auszeichnet, ergriff diese Geschichtschreis ber mit Macht. Die Geschichte ihres Vaterlandes im Ganzen und Großen pragmatisch zu erzählen, wetteiferten sie im Fleiße; und um ihres Zeitalters würdig zu seyn, wollten sie auch in der Kunst des Style nicht hinter andern beredten Schriftstellern zurückbleiben. An dem guten Willen dieser Histos rifer lag és also nicht, wenn keiner von ihnen ein französischer Thucydides, oder Livius, wurde. Aber so viele ihrer auch waren, und so große Verdienste fie sich um die Geschichte ihres Vaterlandes erwar ben; bis zu der Höhe eines Historikers vom ersten Range erhob sich keiner. Sie bearbeiteten die Materialien, die ihnen zu Gebote standen, mit vieler Geschicklichkeit. Sie erzählten pragmatisch, so gut fie konnten und durften. Sie suchten die interess fantesten Ereignisse mit mehr, oder weniger An schaulichkeit darzustellen. Sie schrieben mit Vers stand, und nicht ohne Eleganz. Aber keiner von

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ihnen hatte das Genie, feiner den Charakter eines Historikers vom ersten Range. Es fehlte ihnen entweder an der Freiheit des Geistes, ohne die kein Erzähler großer Begebenheiten die Wahrs heit erblickt, auch wenn er sie sehen will; oder sie hatten nicht den Muth, die Geschichte ihres Bas

ter:

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terlandes so zu erzählen, daß aus dem Zusammens hange der Begebenheiten Resultate sich eraeben báts ten, die dem Hofe nicht gefallen haben würden; und keiner von ihnen drang mit philosophischer Energie in den Zusammenhang der Begebenheiten ein; feiner hatte ein solches Talent, zu erzählen, daß er, wie Livius, durch den Reiz der Darstellung selbst Den uninteressirten Leser hinzureißen vermocht hätte.

Eine ausführliche Charakteristik der französis schen Historiker aus dem Jahrhundert Ludwig's XIV. würde also in der Geschichte der schönen Littera tur eine Abschweifung vom rechten Wege feyn. Einige Notizen mögen hinreichen, auf die rhetoris schen Talente aufmerksam zu machen, die man nach Den allgemeinen Grundsäßen der eleganten Historios graphie mehreren dieser fleißigen Männer nicht ab. sprechen kann.

Einer der Ersten, die sich an das mühsame Geschäft wagten, einen Theil der Geschichte vOIR Frankreich, deren erste Hälfte so wenig Stoff 318 geist und lehrreichen Darstellungen enthält, auss führlich und interessant zu erzählen, war Untoine Barillas, der vom Jahre 1624 bis 1696 lebte. Seine Arbeit füllt funfzehn Quartbände, die doch nur den Zeitraum von Ludwig XI. bis auf den Tod Heinrich's III. umfassen. Aber die Glaubwürdigkeit des Varillas kam auch bald in so übeln Ruf, daß man schon etwas Besonderes zu ihrem Lobe sagte, wenn man die Meinung äußerte, das Zeugniß dieses Geschichtschreibers set doch nicht immer zu verwerfen. Varillas mochte gern romans haft erzählen. Nach ihm bildete sich der Abbé de St. Real, der aber, obgleich ein Savoyer von Ger burt,

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burt, sich bei seiner Liebe zum Außerordentlichen und Wunderbaren einer reineren und gebildeteten Sprache befliß.

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Die ganze Geschichte von Frankreich ausführ: fich und mit aller möglichen Wahrheit zu erzählen, 'unternahm zuerst François Eudes de Mezeray, geboren im Jahre 1610. Mezeran war anfangs Soldat; nachher lebte er als Privatgelehrter; er: hielt schon unter Richelieu eine Pension; verlor diese. Pension unter Colbert, weil er sich in seinem historischen Werke auf eine Urt, die dem Interesse des Hofes nicht angemessen war, über die Gene: ralpächter geäußert hatte. Mezeray war ein Sons derling in seiner Lebensart; ein Mensch von leicht: sinnigem, aber kühnem Charakter; wohl mehr kühn, als wahrheitliebend, aber kein Schmeichler des Hos fes; in seinem Fache ein heller Kopf. Seine Ge schichte von Frankreich in drei Foliobanden ist kein Muster des Styls; der Auszug, den er nachher Ifeferte, zeichnet sich eben so wenig durch historische Beredsamkeit aus; aber beide Werke sind im Gan zen nicht schlecht geschrieben. Mezeray starb im Jahre 1686.

Weit geschmeidiger in seiner Denkart, und gar nicht gleichgültig gegen die rhetorischen Reize einer guten Erzählung war der Jesuit Gabriel Da niel, der vom Jahre 1649 bis 1728 lebte, und durch seine neue Bearbeitung der vollständigen Ges schichte seines Vaterlandes, einem Werke von sieb zehn Quartbånden, den Hof, die Großen, und die Geistlichkeit, denen Mezeray's Kühnheit mißfallen hatte, mit der Kunst und den Pflichten der Ges

schichts

schichtschreiber aussöhnen wollte. Seine Gedanken über die Art, wie historische Werke geschrieben wers den müssen, hat er in einer etwas langweiligen, Abhandlung vorgetragen, die feinem weitläuftigen Werke zur Einleitung dient. Daß er sich Mühe. gegeben hat, sich mit einer, zwar nicht glänzenden, aber ruhigen und immer auständigen Eleganz auszus drücken, bemerkt man bald. Aber er hatte kein ausges gezeichnetes Talent zur Beredsamkeit; seine Manier ist monoton; und die höhere Schönheit und Würde histo; rischer Darstellungen konnte sich nicht in den Werken eines Schriftstellers zeigen, der, wie dieser Jesuit, ges flissentlich, mit der Miene der reiuften Unparteilichs keit, die Geschichte seines Vaterlandes nur so erzähs len wollte, wie es dem Interesse des Hofes und der Geistlichkeit gemäß war.

Ein anderer Jesuit, der Pater Joseph D'Oti leans, schrieb nicht ohne Beredsamkeit die Ge: schichte der Revolutionen der englischen Monarchie. Er lebte vom Jahre 1641 bis 1698.

Einen seiner vorzüglichsten Geschichtschreiber verlor Frankreich durch die fanatische Aufhebung des Edicts von Dantes. Rapin de Thoyras, ges boren zu Castres in Languedoc, im Jahre 1661, mußte, weil er Protestant war, nach England flüchten. Die Geschichte von England, die er in seiner Muttersprache schrieb, nachdem er sich mannigfalz tige Kenntnisse erworben und selbst in der großen Welt durch militärische Verdienste ausgezeichnet hatte, wird von unbefangenen Geschichtsforschern als ein Muster der Unparteilichkeit geschäßt, und ist auch von der rhetorischen Seite nicht verwerflich.

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