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Fender Kopf in unsern Tagen zu den Geduldproben zählen darf ").

Kaum hatte die französische Poesie und Ber redsamkeit in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahr: hunderts angefangen, sich der Eleganz des classischen Alterthums zu nähern, als der kritische Streit über die Vorzüge der Alten und der Neues ren ausbrach. Es ist bekannt, daß fast alle gus ten Köpfe, durch deren Werke der litterarische Ruhm des Jahrhunderts Ludwig's XIV. begründet wurde, Die Partei der Alten nahmen. Uber anstatt in den Geist der griechischen und römischen Poesie einzus dringen, diesen zu vergleichen mit dem romantischen Geiste der neueren Poesie, und durch diese Ver: gleichung einen freien Standpunkt zur Beurtheilung der poetischen Schönheit ohne Nationalvorurtheil zu gewinnen, stritten die berühmten Vertheidiger der Alten gleichsam nur für ihren eigenen Heerd; sie priesen an den Alten, was sie selbst, durch Nachs ahmung, den Alten abzulernen bemüht gewesen was ren. Was den französischen Geist und Geschmack wesentlich von dem antifen unterscheidet, konnten diese Kritiker nicht bemerken, weil sie es nicht fühlten. Und wenn von den Verdiensten der · Neueren die Rede war, dachten sie wieder fast immer nur an französische Dichter und beredte Schriftsteller, als ob die französische Poesie und

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g) Wer eine Uebersicht von der Menge der französischen Abhandlungen über Gegenstände der Poetik und Rhes torik gewinnen will, wende sich an den 2ten und zien Band von Goujet's Biblioth. françoife, wo allein das Verzeichniß der Titel französischer Schriften über Gegenstände der Poetik drei Bogen füllt.

Beredsamkeit auch den Geschmack der Italiener, Spanier, Portugiesen und Engländer (denn von dem Geschmacke der Deutschen und anderer nordischen Nationen war noch nicht die Rede) repräsentirten. Diese französischen Vertheidiger der Alten schadeten ihrer guten Sache schon dadurch, daß sie gewöhns lich nur vertheidigungsweise verfuhren und ihren Gegnern die Vortheile des kühnen Angriffs übers ließen. Boileau war faßt der einzige unter ihnen, Der offensiv gegen die Tadler der Alten anrückte. Sein faustischer Spott that ihnen auch mehr Schas den, als die schwachen' Gründe, mit denen er den Pindar und Homer verfocht.

Die Partei der Tadler der Alten hatte gar nicht die Absicht, die man ihr vorwarf. Sie wollte keinesweges den Alten Genie und Geschmack abspres chen. Sie behauptete nur, die Kunst sei, wie die Wissenschaft, bei den Griechen und Römern dem Zustande der Kindheit näher geblieben, von den Meueren aber, besonders von den Franzosen, mehr, oder weniger, vervollkommnet; und so set es ganz natürlich zugegangen, daß die Neueren die Alten überträfen. Diese, freilich sehr abgeschmackte, Meis nung wurde am nachdrücklichsten vorgetragen von Charles Perrault, der vom Jahre 1626 bis 1703 lebte. Dieser Perrault, der jüngste von vier Brüdern, deren Nahmen den Litteratoren nicht uns bekannt sind, war kein gemeiner Kopf. Er hatte mancherlei Talente, Kenntnisse und Verdienste. Jn Verbindung mit seinem Bruder, dem Architekten Claude Perrault, nach dessen Zeichnungen die Fas çade des Louvre gebaut ist, trug er nicht wenig zur Stiftung der Kunstakademie in Paris, unter

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der Administration Colbert's, bei. Aber Charles Perrault hatte das Unglück, besonders nachdem er in die französische Akademie aufgenommen worden war, die schlechten Verse, in denen er das Lob feines Königs sang, vortrefflich zu finden, und über Schönheit, für die er kein Gefühl hatte, entscheis dend råsonniren zu wollen. Ein falscher Patriotis: mus hatte auch seinen Antheil an der berüchtigten Parallele zwischen den Alten und Neues ren, durch welche Perrault seine Geschmacklosigkeit kritisch documentirt hat 1).

Was für Begriffe damals die Philosophen in Frankreich von der Poesie hatten, kann man nicht nach den Aeußerungen der Metaphysiker beurs theilen, die, wie der Pater Malebranche, ohue alles Gefühl für poetische Schönheit waren. Aber selbst der populäre und wikige Philosoph St. Evre mond, der seines Orts auch Verse machte und bes sonders gern über Geschmackssachen råsonnirte, hielt Die Poesie, nach reiflichem Ermessen, für ein so thós richtes Ding, daß er sich zu der Meinung bekannte, "poetisches Genie vertrage sich nicht zum Besten mit der gesunden Vernunft, und die Poesie übers haupt sei bald die Sprache der Götter, bald die Sprache der Narren, und nur selten die Sprache eines rechtlichen Mannes" ). Aber so wenig roes tisches

h) Diese Paralelle des Anciens et des Modernes, par Mr. Perrault, Paris, 1692, in 4 Octavbånden, fängt an

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· eine litterarische Seltenheit zu werden. Lon der Poeste ausschließlich handelt der dritte Band. Die Abhand lung ist in einen schleppenden Dialog eingekleider, i) La poefie demande un génie particulier qui ne s'accommode pas trop bien avec le bon fens &c. Oeuvres de St. Evremond, Tom III. p. 15.

tisches Gefühl auch St. Evremond hatte, wußte er doch über das Natürliche und Schickliche in mehreren Dichtungsarten, viel Vernünftiges zu sagen *).

Unter den Franzosen, die im Jahrhundert luds wig's XIV. sehr hohe Begriffe von der Poesie hatten, zeichnete sich der patriotische Titon du Tiller aus, der auf seine Kosten, zur Ehre der Kunst, einen großen Parnaß von Bronze errichten ließ, an wels chem die Nahmen und Bildnisse der französischen Dichter und Dichterinnen, die er für die vortreffs lichsten hielt, mit emblematischen Verzierungen prans gen. Dieser Titon dů Tillet, der seinen Parnaß auch durch ein Buch in Folio erläutert hat, bes hauptet, daß schon Adam im Paradiese ein Dichter gewesen seyn müsse, weil er nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen set 1).

Adrien Baillet, ein Geistlicher, der vom Jahre 1649 bis 1706 lebte und Allerlei schrieb, ftellte die Urtheile einiger Gelehrten über die Poesie in einem Auszuge zusammen, aber sehr nochdürftig; und was er von seinen eigenen Gedanken hinzufügt, ist auch von wenigem Belang. Er wollte seine Nation lehren, die Dichterwerke nach ihrem moras lischen Interesse, besonders in Beziehung auf die Wahrheiten des Christenthums, zu schäßen "). 7.

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k) 3. B. in den Abhandlungen über das Trauerspiel der Alten und der Neueren, über das Lustspiel verschies® dener Nationen, u.f.w.

1) Titon du Tillet, Le Paruaffe françois, Paris, 1732, in Folio, mit Kupferstichen.

m) In der dritten Abtheilung der Jugemens des Sçavans par Adrien Baillet, Nouvelle édition, Amfterdam, 1725.

Mehrere lehrreiche Bemerkungen, auch über italienische und spanische Dichter, finden sich in den Gesprächen des Pater Bouhours über die gus ten Gedanken in Geisteswerken, obgleich der Verfasser derselbe Bouhours ist, der den albernen Einfall hatte, die Frage aufzuwerfen, ob auch wohl ein Deutscher ein Mann von Geist seyn könne mm).

Bielen Beifall fand der Commentar, den der Jer suit Rapin über die Poetik des Aristoteles schrieb. Diese Abhandlung scheint fleißig gelesen worden zu seyn "). Le Baffeur, auch ein Jesuit, schrieb Anmerkungen über die Abhandlung von Rapin; und über diese Anmerkungen von le Bosseur erschten wie: der eine Kritik vom Pater Lenfant°).

Auch Fenelon, der über die Beredsamkeit in Prose die richtigsten Begriffe hatte, bewies durch seine Bemerkungen über die Poesie, wie weit er von der wahren Idee der poetischen Vortrefflicht feit entfernt war P).

Nicht ohne Scharfsinn råsonnirt der Pater Le Bossú in seiner Abhandlung über die epische Poesie 2).

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mm) La Maniere de bien penfer dans les ouvrages d'efprit. Amfterdam, 1688, tn 12mo.

n) Réflexions fur la poétique &c. par René Rapin, Paris, 1674, in Octav; dann 1684 in Quart, und noch einige Mal gedruckt.

o) S. die Biblioth. françoife, Tom. III.

p) Lettre de Mr. de Salignac de la Motte Fenelon fur la poésie &c. als Anhang zu seinen Dialogues fur l'élo quence, 1718, in 12mo.

Traité du poème épique par René Le Boffu, Paris, 1675, und naúsher in mehreren Ausgaben. Boileau war ein großer Freund von diesem Buche.

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