ÆäÀÌÁö À̹ÌÁö
PDF
ePub
[ocr errors]

denschaft mit Würde reden zu lassen. - Er wußte vortrefflich zu unterscheiden zwischen der gemeinen und der poetischen Rührung und Erschütterung. In dem Plane seiner vorzüglichsten Trauerspiele ers kennt man leicht den Mann von hellem Blick, der interessante Situationen in denselben Momenten zu einem schönen Ganzen ordnet, "wie er sie entwirft. Darum greifen die Scenen in jedem Ucte der Trauers spiele dieses Dichters gewöhnlich so tief in einander ein, daß eine die andere meisterhaft vorbereitet und trägt, und die Steigerung des tragischen Interesse bis zu Ende des Stücks selten verfehlt wird. Ues berhaupt ist die Composition in den Trauerspielen des Corneille durchaus männlich," und in allén Their len durchdacht. Männlich ist auch der Ton der Ausführung und die ganze Manter, wie sie einem tras gischen Dichter ziemt. Die schönsten Scenen, bes sonders im Cid, im Einna und in der Rodogüne, aber auch im Don Sancho von Arragonien und in einigen andern, nicht zu den Meisterwerken des Corneille gezählten Trauerspielen, ergreifen das Ges muth mit der hinreißenden und doch nicht betäus benden, nicht drückenden Gewalt, die nur das Ges nie in Augenblicken der wahren Begeisterung seinen Erfindungen einbauchen kann. Ueber diesen und andern Vorzügen der Trauerspiele des Corneille hat auch seine Nation, die ihn allein unter ihren Dich: tern den Großen (le grand Corneille) nennt, eine Menge leicht zu bemerkender Fehler nicht übersehen. Die französischen Kritiker tadeln an Corneille mit Recht, daß seine Manier bei aller Größe und Würde oft etwas Hartes und Raubes hat; daß er, bet allem gelungenen Streben nach classischer Corrects heit der Erfindung und der Sprache, doch bald in

[ocr errors]

€ 4

der

ber Wahl des Stoffs, bald in der Behandlung dess felben gefehlt, besonders in der Darstellung der Stärke des Uffects auf Kosten der tragischen Würs be; daß er oft schlechte Verse unter guten gemacht, und sich überhaupt vernachläßigt hat; daß endlich fast alle eine späteren Arbeiten zu viel Steifes, Frostiges und Trockenes haben, um im Ganzen für vortrefflich gelten zu können. Die Gerechtigkeit dies fer Kritik durch Beispiele von neuem zu beweisen, ist hier nicht der Ort ). Aber andere Fehler und Mångel, deren die französische Kritik gar nicht ers wähnt, entstellen fast alle fogenannten Meisterwerke des großen Corneille. Die Hindernisse, die sich einer völligen Umschaffung des französischen Trauerspiels entgegenstellen, durch einen Triumph des Gentes zu überwinden, und den Geschmack seiner Nation mit sich emporzureißen zu der Hdhe, wo er dem griechischen in der That, nicht bloß scheinbar, håtte begegnen können, dazu war Corneille nicht der Mann. Das französische Trauerspiel blieb unter seinen Hånden, der ganzen Anlage und dem Geiste nach, was es feit Jodelle gewesen war, ein halbantikes und halb: romantisches Mittelding zwischen einem Gedichte und einer schönen Rede, ångstlich geschmiegt unter das Joch von Gefeßen, die einen solchen Gehorsam. gar nicht verlangten; mehr ein Werk des Verstans Des, als der begeisterten Phantasie; groß, im Style

des

f) Wer noch nicht weiß, wie französische Kritiker von den Fehlern ihres großen Corneille reden, wenn sie zeigen wollen, daß sie ihn nicht mit blinder Ehrfurcht bewuns dern, der wende sich nur an La Harpe (in den lehten Bånden des Cours de litterature) und an Voltaire (in den Anmerkungen und Discursen bei seiner. Ausgabe des Corneille).

1

[ocr errors]

des Hofes; gleichsam ein dramatisches Gedicht in Galla, mit einer Gelehrtenmine. Man darf nur hinter jedem Trauerspiele des Corneille das Examen lesen, das er selbst seinen Arbeiten anges hångt hat; und man sieht den gedrückten Dichter vor sich, wie er, anstatt sich selbst zu vertrauen, jeden Schritt nach Regeln abmißt, und immer zurückschauer, ob auch Aristoteles nachkommt. Die antike Einfachheit der Composition findet man als lerdings in den Trauerspielen des Corneille wieder, aber ohne den motivirenden Chor, der die Seele des griechischen Trauerspiels ist. Die gehaltene Würde des tragischen Pathos der Griechen ist von Corneille vortrefflich erreicht, aber entblößt von der Inrischen Kraft, ohne welche diese Würde monos ton, ceremonids, und am Ende ganz prosaisch wird. Corneille redet, wie Sophokles, eine edle Sprache, aber nicht die Sprache jener Begeisterung, die ́sich bald` fühner und freier, bald mehr den Formen des gewöhnlichen Lebens gemäß, in abwechselnden Syls benmaßen ergießt, unter denen der ruhige Jambe nur vorherrscht. Corneille wagte einige Mal, zus erst in der Medea, dann im Cid, im Polyeukt, und lange nachher wieder in dem verunglückten Age: filaus, zum Versuche, das ermüdende Einerlei der ununterbrochenen Alexandriner durch andre Sylbens maße zu unterbrechen; aber da fiel, außer in einis gen Stellen der Medea und des Cid, das Miß, verhältniß zwischen den lyrischen Sylbenmaßen und der unpoetischen Sprache nur um so mehr auf. In der Andromeda sollte die abwechselnde Verss art nur dem Opernpomp zur Begleitung und der Musik__zur Unterlage dienen; und mehr leistet fie auch da nicht. Es war auch unmöglich, mit poetis The Scher

[ocr errors]
[ocr errors]

scher Kühnheit in einer Sprache zu reden, die sich selbst im höchsten Affect keine Wendung und feine Metapher erlaubte, die bei Hofe und in der eles ganten Gesellschaft nicht für französisch ́anerkannt wurden, da doch die verbrauchtesten, zum Theil widersinnigen Phrasen und Bilder nicht für niedrig in der Poesie gehalten wurden, sobald sie nur in der großen Welt üblich waren 8) Ueberhaupt ist in der tragischen Kunst des Corneille die große Welt immer das erste Augenmerk und die Natur das zweite. Die Empfindungen und Leidenschaften gehen in den meisten Stellen seiner Trauerspiele einen eben so abgemessenen Schritt, wie die Alexans driner, deren gewöhnlich zwei und zwei seinen Ges danken einschließen. Ju der griechischen Tragödié

[ocr errors]
[ocr errors]

ers

g) Zu diesen verbrauchten Phrafen und Bildern in der Sprache der französischen Trauerspiele gehören die schói nen Augen (les beaux yeux) und das große Herz (le grand coeur) in so mancherlet seltsamen Verbinduns gen. Wie affectirt klingt es außerhalb Paris, wenn der christliche Held des Trauerspiels Polyeukt bei Cors neille fagt:

Mon coeur attendri, fans être intimidé,

N'ofe déplaire aux yeux, dont il eft poffédé!

Noch frostiger ist das Spiel, das Antiochus in der Ros dogüne mit dem geliebten Gegenstande treibt, wenn er im tragischen Affect ausruft,

$ * * ་

-Celui qui perdra votre divin objet Demeurera du moins votre premier fujet. Gegen solche Phrasen hat Voltaire in feinen fritis fchen Anmerkungen zum Corneille nichts zu erinnern. Aber wenn sich der Dichter einmal eine nicht - ges bräuchliche Metapher erlaubt, wie weiset er thn zurecht! Und doch ist eine Metapher, die schon, in den herie weiset er ihn gemeinen Sprachgebrauch übergegangen, in der Poesie so gut, wie teine.

[ocr errors]
[ocr errors]

erscheint selbst der Heros, nur als Mensch, im Kampfe mit den Göttern und dem Schicksal. Cors neille's Helden wollen immer empfinden wie große Herren; fie glühen von Ehrgefühl, wie es den Fürsten und Potentaten ziemt; und die Größe ihrer Gesinnung gründer sich fast immer auf ein exs altirtes Point d'Honneut. Selbst in der Liebe ist gewöhnlich ihre erste Sorge, ihrer fürstlichen Ehre nichts zu vergeben. Da sie, als ob sie bet Hofe erschienen, simmer sich selbst beobachten, so råfonuiren sie, so bald sie nur einigermaßen in Berlegenheit gerathen, über ihre eigenen Empfins dungen, um gewiß zu seyn, daß sie sich nicht übers ejlen. Die allgemeinen Leiden der Menschheit, die das griechische Genie durch tragische Darstellung anschaulich zu machen und durch den Zauber der Poesie zu mildern suchte, weichen in den Trauers spielen des Corneille, wie bei Hofe, politischen Betrachtungen. Corneille selbst scheint sich als Staatsmann gefühlt zu haben, wo er seine Helden und Heldinnen, z. B. im Pompejus, das Staatse interesse erwågen und in langen Discursen politische Gegenstände verhandeln läßt, von denen die wahre Poesie nichts weiß. Besonders benußte er dazu feine tragischen Darstellungen aus der römischen Geschichte. Aber weder durch seine römischèn, noch durch seine griechischen Helden und Heldinnen þat er jemals wahrhaft römische, noch weniger griechis sche Charaktere auf das Theater gebracht. Es sind französische Ritter und französische Damen im antis fen Costum, die sich in den Trauerspielen des Cors neille Cåsar, Pompejus, August, Cinna, Sabina, Livia, nennen. Ihre ganze Empfindungsart ist modern® nach #französischer Weise. Um so weniger

Urfas

« ÀÌÀü°è¼Ó »