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Ursache hatte Corneille, feinen Vorgängern in dem thorichten Grundsaße zu folgen, daß die tragische. Würde auf dem Theater zu Paris am besten durch: Personen aus der alten römischen und griechischen Geschichte behauptet werde. Håtte er seine Nation an ein romantisches Trauerspiel gewöhnen können, so würde er nicht nöthig gehabt haben, in den Widerspruch mit sich selbst zu gerathen, den eri nicht vermeiden konnte, als er Trauerspiele nach antikem Zuschnitt liefern, und doch die tragische Handlung durch eine romantische Galanterie heer ben wollte, wie sein Publicum sie verlangte, und in deren Darstellung er doch nicht sehr glücklich war. Der laute Beifall, mit dem der Cid aufgenommen wurde, bewies, daß das französische Publicum, alles Geschreies mikrologischer Kunstrichter ungeachtet, damals noch sehr empfänglich für romantisches Pas thos war, also auch wohl hätte lernen können, ros mantische Formen einer Poesie, an die Aristoteles nicht gedacht hat, im Trauerspiele gut zu finden. Uber Corneille war in der Klemme zwischen dem spanischen Theater und dem griechischen. Er wollte fich nach beiden zugleich bilden, und verfehlte den Charakter beider. Er war zu sehr Franzose, um die schönen, langen Reden aufzuopfern, die er feine Helden und Heldinnen aus der alten Geschichte mit besonderer Würde im römischen Styl an einander halten lassen konnte. Ein Unstrich von classischer Litteratur schien ihm ein vortreffliches Hülfs, mittel zur Behauptung eines classischen Geschmacks: in der höheren Poesie. Weit entfernt also von dem Verdienste, das ihm seine Nation nachrühmt, der Schöpfer des wahren Trauerspiels in der neueren Litteratur zu seyn, hat er dem falschen Geschmacke,

den

den die Franzosen in der tragischen Kunst seit Jo delle angenommen hatten, durch die wahre und zum Theil bewundernswürdige Schönheit, die er unter allen französischen Dichtern zuerst mit jenem falschen Geschmacke, so weit es möglich war, zu vereinigen wußte, eine blendende Würde gegeben, durch die selbst die Kritik irre geführt werden kann. Die Originalität dieses Dichters beschränkt sich dars auf, daß er zuerst unter den neueren Tragikern em pfunden und gezeigt hat, was tragische Größe des Styls ist. Durch den Cid und die Rodogüne hat er sich am selbstständigsten erhoben; und diesens Trauerspielen wird vermuthlich die Nachwelt außer halb Frankreich überall den Preis vor dem rednes rischen Cinna, dem politischen Pompejus, und den peinlich-christlichen Polyeukt zuerkennen ").

Weit weniger durch Vorurtheile beschränkt fühlte sich Corneille als Lustspieldichter. Der Geschmack seiner Nation hatte noch nicht für eine bestimmte Gattung von Lustspielen entschieden. Man liebte besonders die Intriguenstücke im Geiste der spanischen, aber man fühlte auch das Bedürfniß eines wahren Charakterstücks. Noch gab es teint französisches Lustspiel, das komische Kraft mit class fischer Bildung verbunden hätte. Corneille's jus gendliche Versuche im komischen Fache sind nur als Bors

h) Beispiele aus einem so bekannten Dichter, wie Cors neille, hier anzuführen, wäre nur dann nicht Verschwens dung des Raums gewesen, wenn sich das allgemeine Urtheil über den Werth seiner Trauerspiele in Beispielen anders, als durch ausführliche Zergliederung eines ganzen Stücks hätte zeigen laffen. Eine solche Bergliederung wäre eine Abhandlung geworden.

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Vorübungen seines Dichtertalents anzusehen. Sie find feiner, correcter und anständiger, als Alles was man bis dahin von Lustspielen auf dem franjd: fischen Theater gesehen hatte; übrigens ohne Oris. ginalitát, und ohne hinreißende Kraft; Nachahmuns gen des spanischen Theaters mit einem französischèn Streben nach Regelmäßigkeit. Aber das spätere

Luftspiel von Corneille, der Lügner, ist, wenn gle ich auch fast ganz aus einem spanischen Stücke genommen, in der französischen Litteratur das erste to mische Charakterstück von classischem Werthe in ef ner correcten und terenzianischen Manier. Die #oralische Tendenz des Stücks schadet nirgends dem dsthetischen Interesse. Diese leichtigkeit und Wahrs heit des komischen Dialogs, ohne in das Gemeine 311 fallen, war noch keinem französischen Lustspiels Dichter gelungen. Die Fortseßung des Lügners (la Suite du Menteur), auch nach dem Spanischen, fiel kålter aus, und brachte die Kunst nicht weiter, ist iber doch immer einer ehrenvollen Erwähnung twerth.

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Auch als Operndichter hat Corneille durch fseine Andromeda eine Art von Epoche auf dem fran: zösischen Theater gemacht. Einem italienischen Vors Ibilde folgte er dabei gewiß nicht; denn die italienis sche Oper war damals noch in der Kindheit i), und der Charakter, den sie bald darauf seit ihrer poetischen Veredelung annahm, weicht weit von demjenigen ab, den Corneille bei der Erfindung feiner Andromeda vor Augen hatte. Eher mögen

Die

i) Vergl. diese Gesch. der Pocsie und Beredsamk. Band II. .402 ff. u. 453 ff.

Die Spectafelstücke der Spanier *) auf Corne ille's Phantasie gewirkt haben, als er etwas Wehult hes, nur mit weit mehr Sorge für Correctheit und Res gelmäßigkeit, in seiner Andromeda zu liefern vers fuchte. Was diese Andromeda von den italieni) chen Opern durchaus unterscheidet, ist der Dialog. in Alexandrinern, die sämmtlich gesprochen und durch eingemischten Gesang nur unterbrochen zu seyn scheis nen. Aber auch die lyrischen Stellen, die für den Gesang bestimmt sind, gleichen weder den Arien; noch den Recitativen der italienischen Overn. Es find größten Theils nur declamatorische Tizaden in einem Sylbenmaß, das feierlich seyn soll, der wah: ren Melodie des Gesanges aber auf keine Art ents gegen komnit1).

k) Vergl. Band III. besonders S. 516.

3ur

Ip Welch ein Stoff zu einem wahrhaft lyrischen Monolog. war die Scene, in welcher Andromeda, gefesselt unds allein, die Ankunft des Ungeheuers erwartet, das ie verschlingen foll! Aber was sagt Andromeda in dieser Situation bei Corneille? Sie bricht in einen eupha: tischen Ausruf aus, um in lyrischen Versen pficios logische Betrachtungen anzustellen über ihre Ems pfindungen und über die Betrachtung des Todes sel bit. Afreufe image du trépas,

Surprenantes horreurs, épouvantable idée,
Qui tantôt ne m'ébranliez pas,

Que l'on vous conçoit mal, quand on vous en vifage
Avec un peu d'éloignement!

Qu'on vous méprife alors, qu'on vous brave aifé

Mais que la grandeur de courage

Devient d'un difficile ufage

ment!

Lorsqu'on touche au dernier moment!
Ici feule, et de toutes parts

A mon deftin abandonnée

Zur Bildung der französischen Prose hat Cors neille unmittelbar nur wenig beigetragen. Außer feinen drei Abhandlungen über das Trauerspiel hat er nichts Ausführliches in Prose für das Publicum geschrieben. Aber so wohl diese Abhandlungen, als die kritischen Zugaben, die er seinen Lust und Trauerspielen anhängte, empfehlen sich, was den Styl betrifft, durch Klarheit, Bestimmtheit und Leichtigkeit, und überhaupt durch die Vorzüge, die damals allgemeiner Charakter der französischen Profe zu werden anfingen. Corneille drückt sich auch in der Sprache des kalten Verstandes mit einer gefäls ligen Würde aus, und, was Dichtern, wenn sie eine stattliche Prose schreiben wollen, nur selten gelingt, ohne alle Affectation.

In welchem Grade Corneille als Aesthetiker und Kritiker mitgewirkt hat, den litterarischen Geschmack seiner Nation zu fixiren, ist schwer zu sagen. Unstreitig beförderten die kritischen Zugaben zu seinen dramatischen Arbeiten unter den französis schen Dichtern das sehr nüßliche Studium der Kris tit nach dem Aristoteles und Horaz. Aber Cors

Ici que je n'ai plus ni parens, ni Phinée,

Sur qui detourner mes régards?

neille

L'atente de la mort de tout mon coeur s'empare;
Il n'a qu'elle à confidérer;

Et quoi que de ce monftre il s'ofe figurer,

Ma conftance qui s'y prépare,

Le trouve d'autant plus barbare

Qu'il difère à me dévorer.

Dann fährt sie fort, über die Wirkungen ihrer
Schmerzen zu ráfonníren:

Etrange effêt de mes douleurs! u. f. w.

Wenn das Poesie ist, was ist denn Prose in Persen?

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