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Moliere wurde indessen, weil er Wißbegierde zeig te, von seinen Eltern nicht abgehalten, die Schule zu besuchen. Wie weit er es damals in der Kennt niß der alten Litteratur gebracht, weiß man nicht; auch nicht, wann er zuerst eine entschiedene Neigung jum Theater gezeigt hat. Aber Fortschritte in ges lehrten Kenntnissen muß er gemacht haben; denn er studirte sogar Philosophie unter dem berühmten Gass sendi, und nachher, wie es scheint, auch etwas Ins risprudenz. Aber mitten in seinen Studien, als er ein und zwanzig Jahr alt war, mußte er abbres chen, um als Kammerdiener den Dienst seines al: ternden Vaters zu versehen und dem Hofe auf einer Reise zu folgen. Sein Leben verliert sich hier auf mehrere Jahre im Dunkeln. Aber gerade in dieser Zeit scheint sein Entschluß, dem Gefühle sets ner Bestimmung zu folgen, gereift zu seyn. Auch nahm er damals, man weiß nicht gewiß, aus wel chen Gründen, den Nahmen Moliere an, mit dem ihn die Nachwelt nennt. Unter diesem Nah: men trat er als Schauspieler in Verbindung mit einer Gesellschaft auf, die er selbst nach seinem Ges schmacke zu bilden anfing, und bald als Principal beherrschte. Auch heirathete er eine Schauspielerin, die zu seinem Theater gehörte. Aber nur in Pros vinzialstädten und auf dem Lande spielte diese Ges fellschaft. Moliere war schon über dreißig Jahr alt, als er durch sein erstes Luftspiel, das sich ers halten hat, den Unbesonnenen (L'étourdi), dem Publicum bekannter wurde. Kaum aber war er mit Beifall in die Reihe der Lustspieldichter getre: ten, so arbeitete er sich rasch zu einer höheren Stufe der Kunst und des Glücks hinauf. Er spielte mit seiner Truppe zu Grenoble, zu Rouen, wurde dem

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Hofe

Hofe bekannt, wagte endlich, sich in Paris felbst niederzulassen; und in kurzer Zeit war sein Theater das beliebteste in Paris; seine Gesellschaft erhielt einen besondern Ehrentitel (Comédiens ordinaires du Roi), und er selbst eine ansehnliche Pension. Mit vols Ter, durch keine voreilige Thätigkeit geschwächten Kraft, von allen äußern Verhältnissen begünstigt, mitlebend im Geräusche der großen Welt, und wesder durch die unaufhörlichen Zerstreuungen, die von seinem Berufe und seiner Verbindung mit dem Hofe unzertrennlich waren, noch durch den häuslichen Kummer, den ihm seine leichtsinnige Frau verurs sachte, im Innern seines reichen Geistes gestört, that Moliere in den lehten funfzehn Jahren seines Lebens so vieles für seine Kunst, wie vielleicht nie ein Dichter außer ihm in einem so kurzen Zeitraum. Von den fünf und dreißig Schauspielen, die er hinterlassen, hatte er nur die ersten und unbedeu tendsten nach Paris mitgebracht. Alle übrigen ents standen gleichsam unter den Augen des Hofes, für deffen Unterhaltung zu sorgen Moliere, wie Racine, angewiesen war, und unter den Einflüssen der Kunstrich: ter, die sein Genie bewachten. Uber nur dem Hofe ges fallen zu wollen, hatte der große Komiker zu viel ges rechten Künstlerstolz. Die eleganten Kritiker mochten ihm noch so oft zu verstehen geben, daß er sich doch nicht gemein machen, das sollte heißen, sich nicht auch im Burlesken hervorthun möchte, da er es im höheren Komischen (haut comique) so weit ges bracht habe; Moliere ging seinen Gang. Er sorgte für die Unterhaltung des Volkes, wie des Hofes. Sein Genie ließ sich keine Gattung des Komischen entreißen, in der es sich frei bewegen und das Ziel der Kunst erreichen konnte. Da er einmal im

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Dienste des Hofes stand, durfte er auch das Gei schäft nicht ablehnen, durch Festivitäts- und Geles genheitsstücke die glänzenden Luftbarkeiten, in denen fich der Monarch gefiel, zu verschönern. Dafür hatte er denn auch die Ehre, öfter noch, als sonst wohl geschehen wäre, bei Hofe zur Tafel geladen zu werden. Er war Weltmann genug, sich mit dem gefälligsten Anstande in den Zwang der Hof: etiquette, zu fügen; aber seine Kunst lag ihm viel zu sehr am Herzen, und seine ganze Denkart war zu liberal, als daß er sich der Direction seines Theaters hätte entziehen, oder gar selbst aufhören sollen, das Theater zu betreten. Mit währhaft våterlicher Vorsorge nahm er sich der Schauspies lergesellschaft an, deren Glück an dem seinigen hing. Er selbst war vielleicht nicht der vollkommenste Schaus spieler unter ihnen, aber er spielte immer mit Beis fall, und der Geist seines Spiels theilte sich der ganzen Gesellschaft mit. Auf dem Theater bildete sich auch sein Dichtertalent; denn da lernte er ins dem er selbst mitspielte, in der Anordnung und Aus: führung der Scenen den dramatischen Effect nicht zu verfehlen. Auch im” wirklichen Leben studirte er mit dem feinsten Beobachtungsgeifte die eigenthums lichen Manieren aller Classen von Menschen, bes sonders der Kinder, in deren Art, ihre Empfins dungen zu äußern, er die Grundzüge des Natúrs lichen der Darstellungskunst wahrzunehmen bes hauptete. Mit einem Worte, er lebte ganz für seine Kunst, und, nach allen Notizen, die sich voll feinem Privatleben erhalten haben, als ein vors trefflicher Mensch, voll Selbstgefühl ohne Anmas Bung, rechtlich ohne Pedantismus, von feiner Schmeichelei geblendet, durch keinen Tadel irre ges

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macht

macht in sich selbst. Es ist bekannt, daß er in seinem Berufe gestorben, als er, selbst krank, sich nicht abhalten laffen wollte, die Hauptrolle in seis nem eingebildeten Kranken zu spielen. Es war im Jahre 1673 d).

Kein französischer Dichter aus dem Zeitalter Luds wig's XIV. hat sich mit dieser Fülle des Genies, fo unabhängig von Nationalvorurtheilen, und doch so ganz im Geiste seiner Nation, zum classischen Autor gebildet, als Moliere. Ihm muß die Kritik aller Jahrhunderte das Verdienst zugestehen, nicht etwa, wie Corneille und Racine, eine in Frankreich schon bergebrachte und nur dem französischen Geschmacke angemessene Gattung von Schauspielen vervollkomm: net, sondern unter den verschiedenen Gattungen seiz ner eigenen Lustspiele diejenige, zu der das Meisters werk, der Tartuff, gehört, und die von dem guten Geschmacke aller gebildeten Nationen genehmigt wird, zuerst in die Litteratur und auf das Theater einges führt zu haben. Diesen Ruhm konnte sich aber auch nur der Dichter erwerben, der Kraft und Gewands beit genug batte, sein Genie wirken zu lassen, ohne sich an hergebrachte Formen zu binden; der mit Derselben Leichtigkeit eine genialische Posse dichtete,

wie

d) Spectellere Notizen zur Geschichte des Moliere, besons ders seiner Schauspiele, finden sich in den Mémoires fur la vie et les ouvrages de Moliere vor der großen Quartausgabe setner Werke (Paris, 1734, in 6 Bánden). Diese elegante und ansehnliche Ausgabe ist übrigens so voller Druckfehler, wie selbst die gemeinsten in Franke reich gedruckten Bücher nicht zu seyn pflegen.

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wie das feinste und durchdachteste Charakterstück; der sich auch noch in andern Gattungen versuchte, und überhaupt sein eigenes Gefühl und den Effect, auf den er sich verstand, eher zu Rathe zog, als Regeln, die sich auswendig lernen und mißverstes hen lassen. Moliere hatte nicht gleiche Anlage zu jeder Gattung von Lustspielen. Am wenigsten ges langen ihm die Intriguenstücke im spanischen Styl. Mehrere Male mußte er sich übereilen, weil der Hof nicht warten wollte. Seine Festivitätsstücke gehörig auszuführen, gönnte man ihm am wenigsten Zeit. Aber auch in den unvollkommensten Werken dieses Dichters ist seine Anlage zum Classischen sichts bar. Seine Phantasie und sein Wiß mußten auch im keckesten Muthwillen Vernunft annehmen. Er dichtete immer im Geiste seiner Sprache. Ohne die technische Mühe in seinem Streben nach Correctheit blicken zu lassen, blieb er selbst in den freiesten Spies len des Muthwillens gewöhnlich ein correcter Dichs Gegen conventionelle Regeln gleichgültig, achtete er desto sorgfältiger auf diejenigen, die ihm in der Natur, im Wesen seiner Kunst, und im ins neren Bau seiner Muttersprache gegründet zu. seyn schienen, Darin zeigte er sich ganz als Franzose, daß er verwilderte und eccentrische Dichtungen und Einfälle nicht leiden konnte, auch wenn sie ges nialisch waren. Aber sein Widerwille gegen das Verwilderte und Eccentrische hinderte ihn nicht, eben so wie Aristophanes, Cervantes und alle großen Kos miker, in seinen Darstellungen die Farben so stark aufzutragen, daß die Wahrheit dicht an der Carit catur hinstreift und auch wohl in sie übergeht; denn er wußte, daß die echte Caricatur, die in ihs ren Grundzügen der Natur getreu bleibt, gleichsam

ter.

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