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mische Ehestandsnoth des armen George Dandin bekommt zuleht gar etwas Rührendes, das der Wirkung des wahren Lustspiels widerspricht, ob es gleich weit entfernt ist von der absichtlichen Mis schung des Rührenden mit dem Komischen, die bald nach Moliere auf dem französischen Theater Eingang fand.

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Die kleineren Charakterstücke dieses Dichters, zum Beispiel der eingebildete Hahns rei (Cocu imaginaire), haben so viel Aehnliches mit den spanischen Saynetes und Zwischens spielen ), daß man sie für Nachahmungen ders selben halten könnte, wenn nicht auch auf dem frans zösischen Theater schon vor Moliere ähnliche Stücke gespielt wären. In diese Classe gehört im Grunde auch das etwas feinere Lustspiel Die pretiösen Schönen (les Précieufes ridicules), eines der ers sten, durch die Moliere die Gunst des Publicums gewann.

Den weitesten Spielraum gönnte Moliere seis ner guten Laune in den lustigen Unterhaltungsstücken, durch die er nur den nächsten Zweck des Lustspiels erreichen wollte, ohne es weder auf feine Charakterzeichnung, noch auf moralische Belehrung anzulegen. Nachgiebigkeit gegen den Geschmack des Hofes und der Stadt war es gewiß nicht, was ihn bewog, um der lustigen Unterhaltung willen sich der Gefahr auszusehen, bet strengeren Richtern seinen Credit zu verlieren. Man bemerkt leicht, daß er sich in diesen jovialischen Spielen des Wißes sehr

c) Vergl. diese Gesch. der Poesie und Bereds. Band III.

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sehr wohlgefallen hat. Sie gaben ihm Gelegenheit, mit freiem Interesse bei dem Komischen zu verweilen, ohne sich durch Rücksicht auf das Moralische stören zu lassen. Bis zur gemeinen Possenreißerei konnte ein Mann von Moliere's månnlichem Verstände und höchst cultivirtem Wiße überdieß nicht herabsinken. Es machte ihm also Freude, durch sinnreiche Possen ein erschütterndes lachen zu erregen, und bei dieser Gelegenheit selbst mit der Geissel der Satyre zu spielen, ohne sich umzusehen, ob jeder Schlag traf. Sein Scapin (les Fourberies de Scapin) follte gar nicht mit dem Tartüff und dem Misanthropen in eine Reihe treten f). Sehr glücklich brachte er mit der Composition dieser dramatischen Scherze die Musik und den mimischen Tanz in Verbindung. Es entstand dadurch ein komisches Ganzes, das eins zig in seiner Art ist. Die figurirten Ballette in dem Herrn von Pourceaugnac (Monfieur de Pourceaugnac) und in dem eingebildeten Kran; fen (Malade imaginaire) rissen nicht nur selbst die Großen des Hofes hin, in diesen Schauspielen, wenn fie bei Hofe aufgeführt wurden, mitzutanzen; sie steigerten auch den komischen Effect für die Zuschauer zu einer Höhe, auf der man seit dem Untergange der alten griechischen Comödie in der Manier des Aristophanes die Kunst nicht erblickt hatte. Daß Moliere bei dieser Gelegenheit zwei Mal seinen genias

f) Boileau's pretidse Reflexion:

Dans ce fac ridicule, où Scapin s'enveloppe, Je ne reconnois plus l'auteur du Mifanthrope, sagt nichts weiter, als daß der überfeine Kritiker den Verfasser des Misanthropen auch da erkennen wollte, wo dieser Dichter gar nicht in diesem Sinne erkannt werden durfte.

genialischen Muthwillen gegen die Werzte auslief, deren Kunst nicht schwer zu verspotten ist, darf ihm nicht zum Vorwurfe gemacht werden; denn die Juristen hatten in mehreren seiner übrigen Lufts spiele auch ihren Antheil bekommen; und die bure leske Darstellung des medicinischen Pedantismus hatte damals auf dem Theater noch das Interesse der Neuheit.

Die Festivitätsstücke unter Moliere's Lufts spielen beweisen, so unbedeutend sie auch neben seiz nen übrigen dramatischen Werken sind, wenigstens Die ungemeine Gewandtheit seiner Talente. Sei nen Don Juan (le Feftin de pierre) nach dem Spanischen muß man als einen Versuch ansehen, durch den er den Geschmack seines Publicums auch von dieser Seite kennen lernen wollte. Nur die galanten Intriguenstücke in der Manier der spanischen erhielten unter Moliere's Händen keine Ausbildung für das französische Theater. Er gab die ganze Gattung auf, nachdem er in ihr die ers sten Proben seiner poetischen Talente nicht ohne Beifall abgelegt hatte. Bielleicht fühlte er auch, daß schon der französische Alexandriner durch die Art. von Feierlichkeit, die er selbst komischen Dars stellungen mittheilt, nicht für Lustspiele vaßte, zu deren poetischer Natur die hinrollende Sprache in leichten spanischen Redondilien (redondillas) fast wesentlich gehört.

Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek. VI, B.

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La Fontaine.

Nächst den drei dramatischen Dichtern, deren Nahmen bald in ganz Europa berühmt wurden, glänzt unter den schönen Geistern der Franzosen aus dem Zeitalter Ludwig's XIV. in einem besons deren Lichte der gute Mann (le bon homme) Jean La Fontaine, geboren im Jahre 1621 zu Chas teau: Thierry in Champagne. Auch er war nicht von vornehmer Herkunft. Früh fing er an Verse zu machen und unter den französischen Dich: tern besonders den Rabelais und Marot lieb zu gewinnen. Bei seinem Eintritte in die große Welt wurde er eine Zeitlang durch eine Pension von dem reichen Finanz- Intendanten Fouquet uns terstüßt. Nachher lebte er zu Paris beinahe zwans zig Jahr bei einer geistreichen Dame, der Frau von Sablieres. Nach dem Tode dieser Gönnerin nahm ihn ein Freund zu sich, in dessen Hause er auch starb. Wie ein Kind wurde Jean La Fontaine während seines ganzén Lebens gehegt und geliebt; und schwerlich ist je ein Mann von Geist in diesem Grade fein ganzes Leben hindurch Kind geblieben, wie Jean la Fontaine. Keine verführerischen Ums gebungen in der üppigen Hauptstadt, kein Umgang mit gebildeten Frauen und mit Männern wie Ras cine, Moliere und Boileau, die den guten Mann, wie er überall hieß, ungemein schäßten, aber auch kein Bedenken trugen, ihn scherzend mit seiner Sons derbarkeit und seiner Einfaltsmiene ju necken, brachte weder in seiner natürlichen Sinnesart, noch in seis nem äußern Betragen die mindeste Veränderung hervor. Immer in sich gekehrt, immer zerstreut, lebte er mitten in der großen Welt wie ein Mensch,

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der von ihr nichts weiß. Ob er gleich in die frans zösische Akademie aufgenommen wurde, und wenigs stens in dieser Verbindung eine gewisse Würde bes haupten mußte, blieb er doch sich gleich, nachs lässig in seinem Aeußeren, ohne alle Aufmerks samkeit auf seine häuslichen Angelegenheiten, glücks lich unter der Vormundschaft seiner Gönner und Freunde, diesen Gönnern und Freunden mit unvers änderlicher Gutmüthigkeit ergeben, aufrichtig, uns befangen, durchaus ohne Falsch und ohne Anmas kung, aber auch so trocken und selbst zur gewöhnlichen Unterhaltung unfähig, daß seine ganze Person in muntern Gesellschaften die unbedeutendste blieb, In die bekannten Anekdoten, die man zum Beweise seiner kindlichen Einfalt, seiner Gutmüthigkeit und seiner Zerstreuung erzählt, mögen sich Zusäße gez mischt haben; wenn aber auch nur die Hälfte dieser Anekdoten wahr ist, so kennt doch die Litterårge. schichte keinen ähnlichen berühmten Mann. Daß er indessen sich selbst in seiner Sorglosigkeit gekanne und gefallen, sieht man aus der Grabschrift, die er sich selbst bestimmte ). In seinen alten Tagen, als es in Paris Mode wurde, nach dem Beispiele des Königs fromm zu werden, wurde auch lafons taine, der im Grunde weder Gutes, noch Bdses gethan

g) So bekannt diese Grabschrift ist, mag fie doch für diejenigen, die sie nicht kennen, auch hier eine Stelle finden; denn sie ist durchaus charakteristisch.

Jean s'en alla, comme il étoit venu,
Mangeant fon fonds après fon revenu,
Et crut les biens chofe peu néceffaire.
Quant à fon temps, bien fçut le difpenfers
Deux parts en fit, dont il fouloit paffer
L'une à dormir et l'autre à ne rien faire.

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