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gethan und bei den anstößigen Erzählungen, durch die er das Publicum ergößte, selbst am wenigsten gegen das Gesetz der Sittlichkeit zu fehlen geglaubt hatte, von der Geistlichkeit in Anspruch genommen und auf eine geschickte Art so lange verarbeitet, bis er sich mit voller Ueberzeugung für einen groben Sünder hielt und durch strenge Bußübungen am Rande des Grabes fein vermeintes Unrecht gut zu machen suchte. Er starb, vier und siebenzig Jahr

alt, im Jahre 1694 h).

La Fontaine wird mit vollem Rechte zu den französischen Classikern aus dem Zeitalter Lud: wig's XIV. gezählt. Mit demselben Rechte heißt er der unerreichbare und Unnachahmliche in seiner Art. Ganz im Geiste seiner Sprache und seiner Nation dichtete und versificirte er mit eben so vieler Anmuth und Leichtigkeit, als er sich selbst in der Tándelet der strengsten Correctheit befliß. Unnach. ahmlich ist die Naivetät seiner scherzenden Darstels lungen, weil sie aus dem Innersten eines kindlis

chen

h) Ausführlicher, als in dem Eloge de La Fontaine von Perrault, findet man das Leben La Fontaine's ers in zählt in andern Werken, z. B. in der Hiftoire litteraire du regne de Louis XIV. vom Abbé Lambert (Par. 1751, drei Quartbände) im zweiten Bande. Jenes Eloge findet sich auch, nebst dem ausführlichen Be richte des Geistlichen, der den guten alten Mann bes fehrt, hat, vor den Oeuvres diverfes de Mr. de la Fontaine (Amfterdam, 1744, drei Octapbände), der vollständigsten Sammlung aller Werte dieses Dichters mit Ausschluß seiner oft genug gedruckten Fabeln und Erzählungen.

chen Charakters hervorging, der, wenn er auch in moralischer Hinsicht seines gleichen finden sollte, doch wohl nie wieder mit dieser außerordentlichen Zarts heit des Geschmäcks und dieser höchstcültivirten Eles ganz des Ausdrucks vereinigt seyn wird. Aber in den Enthusiasmus einzustimmen, mit welchem die französischen Kritiker von ihrem La Fontaine reden, als ob das wahre Dichtergenie aus seinen Werken mit hinreißendem Zauber hervorleuchtete, wird sich niemand geneigt fühlen, wer zu den Beweisen des wahren Dichtergenies noch etwas mehr verlangt, als ein bewundernswürdiges Einkleidungstalent in einer gewissen ziemlich engen Sphåre 1). · ka

Fons

i) Auch Palissot, deffen Mémoires pour fervir à l'hì ftoire de notre littérature (nach der neuen Ausgabe, Paris, 1803, in 2 Octavbånden) ein sehr schäßbarer Beitrag zur Litterärgeschichte sind, spricht mit Enthus fiasmus von La Fontaine als einem der größten Dichter. Denu auch Palissot sucht, wie fast alle französischen Krittker, das größte Verdienst eines Dichters in der Feinheit, Leichtigkeit, Anmuth und Eleganz der Wens dungen und des Styls, und in dem Verstande, der sich mit dem Wike verbindet. Er sagt von La Fons taine:

Toujours, fans paraître y penfer, et felon que fes fujets l'exigent, il varie fes expreffions tour-àtour fines, délicates, gracieufes, riches, brillantes, et fouvent fublimes. Malheur à 1 homme infenfible qui aurait affez négligè ce poète inimitable, pour ne fe rappeler fur-le-champs des exemples de ces différentes beautès! Ses inftructions, proportionnées à toutes les claffes des lecteurs, ne fe préfentent nulle part fous une forme aride et dogmatique: on croirait qu'il ne s'eft pas occupè d'inftruire, et cependant perfonne n'a femè dans fes écrits un plus grand nombre des maximes vraies, ingénieuses

Fontaine war mit allen seinen Talenten sogleich aus. ßer seiner Sphäre, wenn er nicht geistreich tåndeln durfte. Aber ein seltenes Talent zur geistreichen Tändelet hatte seit Marot für einen der vorzüglichs sten Beweise des Genies in Frankreich gegölten, ob man gleich auch dem ernsthaften Genie Gerechtigs keit widerfahren ließ, wenn es nach den Gesehen des Mattonalgeschmacks verständig und elegant genug war. Zum Wesen der Manter, in welcher la Fontaine glänzt, gehört eine Weichheit, die sich in Weichs lichkeit verliert, und schon die Möglichkeit eines kühnen Ausfluges der Phantasie und einer energiz fchen Entwickelung poetischer Gedanken und Ges fühle aufhebt. An der Grenze des Gebiets der wahren Poesie, da, wo die Erfindung aufhört, und der Phantasie nur doch das Geschäft übrig bleibt, Im Dienste eines unterhaltenden Wikes Situationen auszumahlen und die Sprache durch feine Wendun, gen und Bilder zu beleben, fångt La Fontaine's Erzählungskunst an. Fast alle seine Fabeln und Erzählungen sind nur Umarbeitungen der Ers findung Underer. Er selbst war der Meinung, auf die Erfindung komme bet poetischen Erzählungen wenig

et profondes: elles ne fatiguent jamais, parce qu'elles viennent fe placer naturellement dans fes récits.

Abgerechnet das Sublime, das sich in La Fons taine's Styl nach dieser Beschreibung finden soll, ist die Beschreibung wahr und treffend. Aber wozu bet einer solchen Gelegenheit der Ausruf:" Malheur à l'homme infenfible &c.? Und sind denn alle diese dif férentes beautés hinreichend, den Mangel des schöpfes rischen Gentes, des freien Erfindungsgeistes, der innis gen Begeisterung, und der Energie, in eine Nebent fache zu verwandeln?

wenig an, auf die Manier, zu erzählen, fast Ulles. Sobald er auch nur irgend in das Große arbeiten wollte, sanken seiner Phantasie die Flügel. Aber in der poetischen Miniaturmahlerei wurde er ein unübertrefflicher Meister.

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Die allgemein bekannten Fabeln und die muthwilligen Erzählungen (Contes) von la Fons taine sind es, was seinen Nahmen den berühmtes ften seiner Zeit zugesellet hat. Die Erzählungen aber muß man zuerst vor Augen haben, wenn matt über die Manier urtheilen will, in der er seine Fas beln erzählte. Nur eine völlige Unbekanntschaft mit Ber álteren französischen Litteratur konnte die Meis. nung in Umlauf bringen, ta Fontaine habe diese Gattung von Erzählungen und die Manier, die ihnen ein besonderes Interesse giebt, erfunden. Vom Ins halte dieser Erzählungen ist hier nicht die Rede; denn La Fontaine arbeitete gewöhnlich nur um, was die alten Fabliers und nach ihnen Boccaz erzählt hatten. Aber auch die Manier ist nicht ganz sein eigen. In den beiden ersten Büchern dieser Geschichte der französischen. Poesie und Beredsamkeit ist gezeigt, wie die Franzosen sich durch die Neigung, anekdos tenmäßige Geschichtchen von komischer Art in Vers fen zu erzählen, von den Italienern unterschieden, die folche Geschichtchen gewöhnlich nur als Novellen in einer veredelten Sprache des gemeinen Lebens, aber nicht in Versen, vortragen mochten *). Es ist ferner gezeigt, wie die ursprüngliche Nair vetät der alten französischen Erzählungen oder Fas

k) S. den vorigen Band, S. 53.

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bltaur nach der großen Veränderung, welche die französische Sprache im sechzehnten Jahrhundert ers litt, sich immer noch in einigen Nachahmungen jéner Fabliaur zugleich mit einem Ueberreste ihrer, außerdem veralteten, Sprache erhielt, und wie bes sonders ein gewisser, jezt ziemlich unbekannt gewor: dener Jean Passerat damals schon ganz in der: selben Manier, wie nachher la Fontaine, die alte Naiveråt der Fabliaux in komischen Erzählungen von ähnlicher Art mit moderner Eleganz zu vers binden nicht ohne Glück versuchte 1). Mag nun ́ La Fontaine in der Ausbildung und Vollendung des ganzen Styls dieser Art von Erzählungen noch so hoch über Passerat hervorragen, so ist doch die so oft gepriesene Originalität la Fontaine's im Grunde nur höchst cultivirte alifranzösische Natios nalmanier. Aber nur ein Dichter von la Fontaine's Geist und Charakter konnte im Zeitalter Ludwig's XIV, die alte Nationalmanier sich so aneignen, und sle so ausbilden, daß selbst die Naivetät durch die zarteste Grazie in Eleganz übergeht, und die much? willige Tändelei eine classische Förm annimmt. Die unbeschreibliche Mischung von Muthwillen, Grazie und Unschuld ist es vorzüglich, was dem Erzähler La Fontaine die Originaliuge giebt, die sonst nur dem eminenten Genie vorbehalten find. Genta Tische Feinheit zeichnet La Fontaine's Erzählun: gen vor allen ihnen ähnlichen aus. Der kleinste Zug in diesen Miniaturgemäßlden ist eben so zart empfunden, als durchdacht, und nirgends erscheint

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1) S. den vorigen Band, S. 265. Wenn man auch nur die wenigen dort angeführten Zeilen aus emer Erzähs lung von Passerat lieset, erkennt man gleich dieselbe Manier, die aus La Fontaine's Werken bekannt ist.

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