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in ihnen die Spur des Fleißes. Es sind Gemäßlde nach dem Leben, und doch voll reizender Ungewöhns lichkeit. Begeisterh können sie niemanden, wer nicht im Kleinen Großes sieht; aber sie fesseln durch die zarteste Form der Kleinigkeiten. Wer sich an ih rem Inhalte årgert, gehört zu den Schwachen, die nicht verstehen, was poetischer Scherz ist. Wer aber den Retz ihrer Formen aufmerksam bewundert, wird bald auch den geschickten Gebrauch bemerken, den La Fontaine von einem gewissen, dem Geiste seiner Sprache nach erlaubten Archaismus ́ machte, indem er mit der feinsten Auswahl gerade so viele altvåterische Wörter und Wendungen in seine Diction aufnahm, daß die Naivetắt seiner Darstellungen das durch erhöht, der Reinheit und Eleganz des Auss drucks im Ganzen aber nicht geschadet wurde.

Die Fabeln von la Fontaine gehören, die moralische Nukanwendung abgerechnet, mit seinen Erzählungen in dieselbe Classe von Geisteswerken. Der Erfindungsgeist har an ihnen nicht mehr und nicht weniger Antheil, als an jenen Erzählungen. Sie sind entstanden durch eine gelungene Umarbeis tung alter åsopischer und anderer Fabeln, und diese Umarbeitung war etwas Neues in der Litteratur wegen der bis dahin noch von keinem Fabulisten kunstmäßig versuchten Anwendung des Styls der alten Fabliaur auf die åsopische Fabel. Es ist also im Grunde auch nur altfranzösische Nationalmanier, aber von LaFontaine's kindlichem Wiße glücklich nachgeahme und übertroffen, und von seinem gebildeten Geschmacke in eleganteren Formen ausgeführt, was diesen Fas beln, das Colorit des Vortrags giebt, um dessent willen man sie mit Recht bewundert; ganz und gar

das:

dasselbe Colorit, das la Fontaine's Erzählungen auss zeichner, und das von niemanden durch neue Nachah, mung erreicht werden kann, dem nicht die Natur zu einem ähnlichen Wiß und Geschmacke eben den Kindersinn geben wird, mit dem sie den " guten Mann" ausstattete. Daß diese Manier, in wel cher la Fontaine seine Fabeln erzählt, gerade ders jenige Schmuck ist, der mit der nackten Simplicitåt der alten asopischen Fabel am wenigsten streitet, wird man bald gewahr, wenn man la Fontaine mit Phädrus und andern Fabulisten vergleicht, die aus der asopischen Fabel etwas Poetisches zu machen gesucht haben. Denn auch diese Fabulisten mußten, wenn ihre Arbeit gelingen sollte, eine gewisse Treus herzigkeit, die sich zu der kindlichen Naivetắt La Fontaine's hinneigt, in ihre Manier aufnehmen. Anders konnte die Darstellung einer allgemeinen Lehre in der anschaulichen Form eines einzelnen Falles nicht der kindlichen Natur der Fabel selbst entsprechen. La Fontaine's persönlicher Charakter traf aber ganz vorzüglich mit den Eigenschaften zus fammen, durch welche die åsopische Fabel von jeher Kindern gefallen hat und bei der Erziehung nüßlich geworden ist, weil in der gefälligen Verwandelung des Abstracten in ein concretes Bild der Kindervers stand, der gern etwas lernt, aber ungern das Abs stracte fest hålt, spielend sich selbst erkennt. Wie mit Kindern spielend, erzählt la Fontaine seine Fas beln, wenn gleich der poetische Reiz der Naivetār und Grazie seiner Erzählungsart von Kindern nicht empfunden werden kann. Ein größeres Dichtervers dienst ließ sich in den untern Regionen des Para nasses, da, wo die Heimath der åsopischen Fabel ist, nicht wohl erwerben. Uebrigens ist La Fons

taine in der neueren Litteratur der Erste, der durch kunstreiche Behandlung der åsopischen Fabel besons ders berühmt geworden ist und in dieser Hinsicht Epoche macht. Seit dieser Zeit hat sich auch die Netgung zu Fabeln, die keine Nation in diesent Grade, wie die französische, mit den Kindern theilt, auf eine merkwürdige Art in Frankreich entwickelt. Während man in andern Ländern den Fabulisten kaum den Dichtern beigezählt und überhaupt auf die elegante Cultur des natürlichen Fabelsinls kein bes sonderes Gewicht gelegt hat, sind die schönen Geis ster der Franzosen, nachdem la Fontaine den Ton angegeben, des Fabulirens nicht müde geworden und eine elegant erzählte Fabel hat seitdem in Franks reich immer für ein vorzügliches Gedicht gegolten, weil auch ein Fabulist sich das Verdienst des Styls erwerben kann, nach welchem der französische Ges schmack bei der Schäßung poetischer Verdienste zus erst fragt.

La Fontaine selbst scheint übrigens gar nicht der Meinung gewesen zu seyn, daß er nur zu Er. zahlungen und Fabeln, die er Andern in seiner Manier nacherzählen mußte, ein ungemeines Talent habe. Er hielt sich für einen ganzen Dichter auch im höheren Sinne des Worts. Dieß beweisen seine poetischen Versuche im lyrischen und dramatis schen Fache, und seine Psyche, eine mythologisch. romantische Dichtung in zwei Büchern ). Aber feiner von allen diesen Versuchen kommt neben den Erzählungen und Fabeln als etwas Vorzügliches in

m

Bes

m) Alle diese und die übrigen noch zu erwähnenden Werke von La Fontaine finder man in der oben (Anmerk. h.) angeführten Ausgabe seiner Oeuvres diverses.

Betracht. Nur unter den kleineren Gedichten, die in seinen vermischten Schriften gesammelt sind, finden sich noch mehrere sehr feine und artige Sas chen, zum Beispiel einige scherzhafte Episteln, kleine Lieder, naive Epigramme, und Gelegenheitsgedichte. Einige dieser poetischen Kleinigkeiten verrathen bets läufig unverkennbar, wie vieles la Fontaine von feiner Manier dem Studium der älteren französischen Dichter aus dem funfzehnten und sechzehnten Jahr: hundert verdankt. In einem muthwilligen Liedchen zum Beispiel hat er, nach seinem eigenen Geständniß, die alte Manier des Cretin ") und anderer wißigen Kös pfe, die iu derselben komisch-naiven Kunst sich hers vortbaren, gefliffentlich nachgeahmt °).

n) Vergl. den vorigen Band, S. 88 u. 89.

Auch durch
Bals

o) Zur Probe diene ein Liedchen, das man ohne Bedeno ten für ein Spiel des französischen Wißes aus dem funfzehnten Jahrhundert halten könnte, wenn La Fons taine nicht selbst sagte, daß er es en vieux ftyle gediche tet habe.

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Balladen, in der alt- französischen Bedeutung des Worts, die übrigens im Zeitalter Ludwig's XIV. aus der Mode kamnen, hat la Fontaine sich an Mas rot und die älteren französischen Dichter angeschloss sen. Selbst die alten Verskünfte und die Dops pel-Rondeaux (Rondeaux redoublés), die den spanischen Glossen (Glofas) P) ähnlich sind, vers schmäh.

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De ma freffure
Dame luxure
Jà s'emparoit.
En tel détroit
Mon cas étoit,

Que je quis meilleure avanture.
Catin ce jeu point n'entendoit;
Mieux attaquois mieux défendoit
Dont je fouffris peine très dure.

p) Was ein Doppel: Rondeau ist, wissen vermuthlich die meisten Leser dieser Geschichte eben so wenig, als daß sich unter den Werken des eleganten La Fontaine auch ein solches frostiges Gedanken, und Reimspiel findet.

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Qu'un vain fcrupule à ma flâme s'oppose,
Je ne le puis fouffrir aucunement ;
Bien que chacun en murmure et nous glofe,
Et c'eft affez pour perdre votre Amant.

Si j'avois bruit de mauvais garnement,
Vous me pourriez bannir à jufte caufe,
Ne l'ayant point, c'eft fans nul fondement
Qu'un vain fcrupule à ma flâme s'oppofe.

Que vous m'aimiez, c'eft pour moi lettre clof;

Voire on diroit que quelque changement

A m'alléguer ces raifons vous difpofe:

Je ne le puis fouffrir aucunement.

Bien moins pourrois vous cacher mon tourment,
N'ayant pas mis au contract cette claufe;
Toûjours ferai l'amour ouvertement,

Bien que chacun en murmure et nous glofe.
Ainfi s'aimer eft plus doux qu'eau de rofe,
Souffrez le done, Philis: car autrement

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