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Indessen hat dieser Mangel eines sichern Sylbenmaaßes die neuern hebräischen Dichter verleitet, zu dem Reime ihre Zuflucht zu nehmen; ein Zierrath, welcher der hebräischen Sprache sehr fremd ist, und davon in den Schriften der åltern Hebråer gewiß keine Spuren anzutreffen sind. Man hat sogar nach dem Beispiele anderer orientalischen Völker prosaische wißige Schriften in Reimen abzufassen angefangen, und die Gedichte durch eine Art von neuerfundenem Sylbenmaaße unterschieden, welches einen außerordentlichen Zwang und wenig Harmonie mit sich führt.

Gegenwärtige Fabeln sind in gereimter Prosa, die Moral aber mehrentheils in der Art von Gedichten vorgetragen, die wir eben jest beschrieben.

Es war gewiß kein geringes Unternehmen, im Hebräischen Fabeln zu schreiben. Die guten hebräischen Schriftsteller erlauben sich in neuern Zeiten keinen Ausdruck, keine Redensart welche nicht in der heiligen Schrift ihre Autorität hat. Ja sie sehen eine Art von Schönheit darein (wie solches auch von einigen neuern lateinischen Schriftstellern geschehen ist), ganze Sentenzen aus den Alten in ihre Reden einzuflechten, und ihnen durch die Verbindung, in welcher sie stehen, eine ganz andere Bedeutung zu geben. Die Schwierigkeit war also, in den Gedichten der alten Hebråer, welche alle von der erhabensten Gattung sind, Redensarten zu finden, denen man eine naive, lachende und öfters scherzhafte Wendung geben könnte.

Unser Dichter hat dieses auf eine unnachahmliche Weise verrichtet. Die erhabensten Redensarten der Propheten erlangen unter seiner Feder einen gewissen familiåren Ton, einen der Sprache der Thiere gemäßen Charakter, ein anmuthiges und öfters scherzhaftes Wesen, das sich eher fühlen als beschreiben läßt. Sein Vortrag ist lebhaft, voller Salz, mehrentheils kurz, etwas hart, aber sehr poetisch.

Wir würden uns der Thorheit des angeführten Mönchs schuldig machen, wenn wir einige von diesen Fabeln übersehen wollten. Gewisse Schriftsteller wissen sich des Eigenthümlichen ihrer Sprache mit so vielem Vortheile zu bedienen, daß man sie schlechterdings in keine andere Sprache überseßen kann, ohne sie ihres Schmuckes gänzlich zu berauben; und vielleicht gebührt unserm Dichter unter diesen Schriftstellern in dieser Absicht der erste Rang.

Als einen verlornen Versuch wollen wir indessen folgende

Fabel, welche im Hebräischen eine der kürzesten ist, ins Deutsche übersehen. Die Erfindung ist unsers Wissens von dem Verfasser selbst. Sie ist

die XC. Fabel.

Die Fliege, der Ochs und Debora (die Biene).

„Eine Fliege spazierte auf dem Felde herum, und fah „einen Ochsen an den Pflug gespannt. Er ging seinen Weg ,,langsam fort, und zog Furchen den Acker lang. Sie flog hin ,,und sehte sich zwischen seine Hörner. Der Ochs wandelte un,,gestört auf und nieder, und die Fliege saß ihm immer zwischen ,,den Hörnern. Muhme Debora, die sie von ungefähr erblickte, stellte sich von ferne hin, zu sehen, was sie da machen werde, ,,und ob wohl der Ackersmann den ganzen Tag pflügen werde. Endlich ruft sie ihr zu: wohnest du denn etwa hier zwischen ,,diesen Hörnern? was lagerst du dich zwischen diesen Gränzen? ,,Wisse, antwortete ihr die Fliege, das ganze Feld hier haben ,,wir, ich und der Ochs, heute durchpflügt. Thue es mir ein,,mal nach, wenn du kannst. Wohlauf! wohlauf! Debora!

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Die Moral. Mancher Feige mischt sich unter Helden, ,,mancher Thor unter Weise. Er wohnt ihren Rathschlägen ,,und ihren Thaten nicht bei, aber er nimmt ihre Worte und ,,ihre Geberden an, und sagt: „wir Helden haben gethan, wir Weise haben erfunden".

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Wir erinnern unsere Leser nochmals, von dieser übersehung nicht auf die Urschrift zu schließen. Sie hat unendlich_viel_ver= loren. Die einzige Anspielung „wohlauf! wohlauf! Debora!" auf eine ähnliche Stelle im B. der Richter Cap. 5. v. 12. hat im Hebräischen eine Anmuth, die der deutsche Leser kaum bemerken kann.

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Schilderungen aus dem Reiche der Natur und der Sittenlehre, durch alle Monate des Jahres. Die Frühlingsmonate. Hamburg und Leipzig, verlegt's G. Chr. Grund und Adam Heinrich Holle 1757. 344 S. in 8.

(aus der Bibl. der schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 3. Stúck 1. 1758. G. 96-106.)

In der Vorrede sagt der Verfasser: die Begierde, mit welcher das Publikum die vortrefflichen Betrachtungen des Hervey aufgenommen, habe ihn ermuntert, nach dem Erempel dieses Schriftstellers an dem Verstande und an dem Herzen seiner Mitbürger auf eine ähnliche Art zu arbeiten. Es sei eine ausgemachte Erfahrung, daß die größeste Anzahl der Menschen ein vorzügliches Vergnügen an den Gegenständen der Natur empfinde; und man habe also die Neigungen der Leser bereits auf seiner Seite, wenn man in diesen Materien arbeite. Alein man müsse die Einbildungskraft zu Hülfe nehmen, wenn man die Leser rühren, belustigen und auf eine angenehme Weise unterrichten wolle. Bei dieser Gelegenheit werden die düstern Weltweisen mit ihrem systematischen Vortrage wacker ausgefilzt. Denn man muß wissen, daß unsere neuern Schriftsteller wißig zu seyn glauben, wenn sie die Gründlichkeit verwerfen; sogar daß man kaum die Briefe einer Ninon von Lenclos ins Deutsche übersehen kann, ohne in der Vorrede auf die systematische Lehrart zu schimpfen.

Unser Verf. glaubt, man sollte weder in der Sittenlehre, noch in der Physik demonstriren, weil die Erkenntniß, ohne Annehmlichkeit des Vortrags, gar zu mühsam und zu verdrießlich ist. Er habe also einen angenehmen Vortrag zu seinem Vorhaben gewählt. Laßt uns sehen, was unser Schriftsteller unter einem angenehmen Vortrag versteht. Ich wünschte", sagt er, ,,zu schildern, und durch Hülfe aller Dichterkünfte auf die Ein,,bildungskraft, dieses so nüßliche Vermögen der Seele, zu ,,wirken. Meine Arbeit mußte also das Ansehen eines Gedichts ,,annehmen; und um sie der Poesie so ähnlich zu machen, als ,,möglich wäre, schrieb ich selbst meinen Perioden, wo es ohne

„Zwang geschehen konnte, ein Sylbenmaaß vor; doch fand ich ,,es nicht für gut, mich beständig daran zu binden".

Unsere Leser wissen nunmehr vermuthlich, was sie sich von unserm Verf. zu versprechen haben: Schilderungen gewiffer Gegenstände nebst zufälligen Betrachtungen, in einer poetischen Prose, oder in einem prosaischen Gedichte, wie sich der Hr. Verf. auszudrücken beliebt; oder in einer ungelenken Prose, wie wir es nennen, die von halben und ganzen Herametern stroht und, mit so vielen langweiligen Beiwörtern belastet, schwerfällig einher stolpert, daß man ohne Angstschweiß kaum drei Perioden Lesen kann.

Diese Art des angenehmen Vortrags" droht seit einiger Zeit, die deutsche Prose gänzlich zu verderben. Wir haben schon moralische Abhandlungen, academische Reden, Predigten, Briefe, und wer weiß was sonst, in diesem Geschmacke zu lesen bekommen. Bald wird man im gemeinen Leben auch nicht mehr reben, sondern alles in halb gebrochenen Hexametern herausfingen wollen.

Damit unsere Leser selbst urtheilen können, wollen wir nur einige Perioden aus der angezeigten Schrift anführen, und zwar die ersten, die wir aufschlagen werden.

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S. 9.,,Schau, schon führet sie" (die Sonne),,über den Erdkreis beffere Tage. O! gewiß die bessern Tage! Noch ,,steigen sie selten über dir auf. Laß sich nicht den flüchtigen Stern umsonst aus dicken Nebeln hervorarbeiten!" ( was muß die Zunge hier herausarbeiten!) Noch dickere Nebel, schwerer ,,belastete Wolken und Schneegestöber werden den folgenden Tag ,,dir diesen frohen beseelenden Stern wieder verbergen". Welches Ohr ist geduldig genug, dergleichen Periode auszuhalten? Sollte man glauben, daß sich ein Mensch so weit vergehen könne, sie für wohlklingend zu halten? Was ist das: geize mit den hei ligen Stunden" u. s. w.,,der Geiz ist edel, und der krochy ,,unter den Thieren, der bloß war und verging"? Muß man nicht ein Ödipus seyn, um dieser Construction durch die Umkehrung ihre wahre Gestalt wiederzugeben? Was heißt das: ,,eine Sanduhr eröffnet Augen und Ohren"? was find „füße Schauer des Schreckens"?

S. 80. „Schau, dort wartet auf dich (den Wollüstling), „auf_seinem marmornen Tische, der silberne Topf, und dampfet Gerüche aus der Pfeife. Nun ertönet der donnernde Tisch,

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,,die silbernen Teller läuten zur Mahlzeit, die fliegenden Diener ,,tragen die dampfende Schüssel schon auf. Wirst du allein dieß „Opfer verzehren? Schau, dein Windspiel ladet sich ein: ,,schmeichelnd kömmt es herein, steht, schaut aufmerksam dich an, ,,und bewegt den wedelnden Schweif“.

S. 193. Von dem goldenen Weltalter. Da wurden ,,nicht die Tiefen ihrer seltenen Bewohner beraubet, nicht aus ,,dem Himmel durch den Donner der Kunst, der in Fernen den „Tod hin versendet, die steigende Lerche, mitten in der Entückung des Lobgesangs, heruntergeschlagen, nicht das flüchtige ,,zitternde Reh durch ein geflügeltes Bley im Laufe gestürzt, ,,nicht der indianische Herbst seiner Früchte beraubt, die die Weich,,lichkeit auf fliegenden Schlössern von der Morgenröthe auf ihrer ,,wollüftigen Tafel versammelt". Welch eine gigantische Periode! was für kräftige Beiwörter: feltne Bewohner der Tiefen, Donner der Kunst, die steigende Lerche herunterschlagen, geflügeltes Blei, indianischer Herbst, fliegende Schlösser! Fliegende Schlösser! was sind das für Geschöpfe?

Mit diesen wenigen Erempeln dürfte es vermuthlich genug feyn, unsern Lesern von dieser neumodischen Schreibart einen Begriff zu machen, wenn sie irgend so glücklich seyn sollten, noch keine Schriften in diesem Geschmacke gelesen zu haben. Wir wollen uns bemühen, die Ursachen zu finden, warum dieser ungewöhnliche Numerus so rauh und unangenehm klinge.

Man schließt insgemein folgendergestalt: da das Sylbenmaaß in Versen so vollstimmig und so wohlklingend ist, so müßte auch die Prose desto harmonischer seyn, je nåher sie der heroischen Versart kåme, und je mehr man Gelegenheit nåhme, ganze Verse, oder wenigstens die Schlußfälle derselben, in die Prose einzuflechten. Nichts ist betrüglicher als dieser Schluß. Man findet nach einiger Überlegung, daß die bewährtesten Kunstrichter nicht ohne Grund gewarnt haben, in Prose eine Periode einfließen zu lassen, die einem Verse ähnlich sieht.

Das Sylbenmaaß ist eine abgemessene Regel der Ordnung, die den Wohlklang auf den Gipfel der Vollkommenheit bringt, wenn sie durchgehends befolgt und genau beobachtet wird. Wird aber allzu oft von dieser Regel abgewichen, so dient sie viel mehr, uns den Mangel der Ordnung, als die Ordnung selbst fühlen zu lassen. Wenn eine Periode bis in die Hälfte nach einem richtigen Sylbenmaaße fortläuft, so ist es unsern Ohren eine

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